Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Von der Randlage ins Rampenlicht
Fußballstars wie Robin Gosens haben ihre Wurzeln in der Region. Bei den Spielerkarrieren fällt ein Verein besonders auf.
Rees/bocholt. Robin Gosens wandelt auf den Spuren eines anderen bekannten Emmerichers und Deutsch-niederländers, Rainer Bonhof. Gosens wurde im vergangenen Monat erstmals von Bundestrainer Joachim Löw in die Nationalmannschaft berufen. Bei der neu geschaffenen „National League“debütierte er gleich im ersten Spiel gegen Spanien. Am 3. September 2020 spielte Gosens die vollen 90 Minuten durch und bereitete die zwischenzeitliche 1:0-Führung vor. Wenngleich der 26-Jährige über seinen Abseitsfehler vor dem „Eier-gegentor“der Spanier in der letzten Minute der Nachspielzeit zeterte, konnte er angesichts seiner ansonsten guten Szenen zufrieden mit sich sein. Lobende Worte sprach auch Yogi Löw, sodass der Italien-legionär von Atalanta Bergamo bekundete: „Jetzt will ich natürlich mehr.“
Ob sich der Traum von der Teilnahme an der Fußball-europameisterschaft 2021 erfüllt, könnte sich nächstes Jahr zeigen. Trotz ebenfalls anständiger Vorstellung im Unentschieden gegen die Schweiz am 6. September, bei der er nach 78 Minuten ausgewechselt wurde, wird Gosens erneut gewahr, wie dicht manchmal Licht und Schatten in der Fußballwelt beieinander liegen. Denn die Corona-pandemie hat auch Europas Fußball mit der verschobenen EM einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Dafür dürfte der Außenbahnspieler jedoch Verständnis haben – hatte das mitunter tödliche Virus doch gerade in der Provinz Bergamo bei der ersten Welle rund 6000 Menschen den Tod gebracht.
Das konnte der Stammspieler von Atlanta Bergamo nicht ahnen, als er im Sommer 2017 in die Lombardei wechselte. Zuvor hatte der Sohn eines Niederländers und einer Deutschen eine stramme Karriere als Fußballer hingelegt. Der gebürtige Emmericher, der im Gegensatz zu Rainer Bohnhof in seiner Heimat Elten nicht mehr den Grenzübergang erlebt hat, durchlief innerhalb von 20 Jahren die Stationen
Fortuna Elten, 1. FC Bocholt, VFL Rhede, Vitesse Arnheim, FC Dordrecht und Heracles Almelo.
Nun spielt der Profi, der offenherzig zugibt, als Schüler wilde Nächte gefeiert und sich sein Probetraining beim BVB in Dortmund versaut zu haben, als Fußballprofi in Italien. Dabei stand dem Polizeifan konkret eine Karriere als Ordnungshüter im höheren Dienst offen. Vielleicht stößt er später einmal im Fußball-business, Polizeidienst oder anderswo als Psychologe dazu – dem nebenberuflichen Fernstudium sei Dank: „Warum sollte ich mich vor die Xbox hocken und bis Mitternacht zocken? Da kann ich mich genauso gut noch zwei, drei Stunden bilden“, so Gosens in einem Interview.
50 Jahre vor ihm bekam Rainer Bonhof nach dem Debüt als Junioren-nationalspieler – ausgerechnet gegen die Niederlande – seinen deutschen Pass. Damit war Bonhof hierzulande der erste eingebürgerte Fußball-nationalspieler. Der Weltmeister von 1974, dessen Laufbahn beim SUS Emmerich als Kind begann, fungiert nach Trainerstationen im In- und Ausland seit elfeinhalb Jahren als Vizepräsident bei seinem Herzensverein, dem Bundesligisten Borussia Mönchengladbach.
Auch andere männliche und weibliche Fußballspieler sind vom Unteren Niederrhein in die Gefilden Erster Fußballligen aufgestiegen. So landete der Reeser Fußballprofi Mirko Boland nach dem Einstieg beim SV Rees und Wanderjahren bei den Vereinen FC Schalke 04, MSV Duisburg und Eintracht Braunschweig in der australischen A-league. Zur neuen Saison ist der 33-Jährige von Adelaide United ins Mittelfeld des deutschen Drittligisten VFB Lübeck gewechselt.
Noch mehr Erfolgsgeschichten bieten die Damen: Die Laufbahn von Philine von Bargen begann ebenfalls beim SV Rees und führte sie nach einem Intermezzo beim Bundesligisten SG Essen-schönebeck zum Zweitligisten 1. FC Köln. Nach mehreren Anläufen gelang ihr mit dem Team der Aufstieg in die Frauenbundesliga. Mittlerweile spielt die 29-Jährige bei Eintracht Emmerich in der Landesliga und zeigt sich dort in bester Torlaune. Aus beruflichen Gründen tritt sie nun aber kürzer.
Corina Schröder schaffte es nach Anfängen beim SV BlauWeiß Dingden und HSC Dingden-berg in die Juniorenteams von SV Brünen und FCR 2001 Duisburg. Nach dem Debüt im Bundesligateam der FCR-DAmen verpasste sie zwar mit diesem mehrere Meistertitel, gewann aber den Dfb-pokal und den UEFA Women’s Cup im Jahr 2009. Anschließend feierte die U23-nationalspielerin mit dem Wechsel zum 1. FFC Turbine Potsdam mehrmals nationale Titel und den UEFA Frauencup. Nach Zwischenstation beim SC 07 Bad Neuenahr nutzte Schröder die Chance zum Sprung in die englische Women’s Super League.
In der WSL spielte die Verteidigerin für den FC Liverpool und Birmingham City auf, ehe sie dann aufgrund einer Knieverletzung nach Deutschland zurückkehrte und als Flugbegleiterin ins Reisefach wechselte. Im Frühjahr 2020 wurde bekannt, das die 33-Jährige inzwischen in München lebt und dort im organisatorischen Bereich für die Spielerberaterfirma Arena11 Sports Group arbeitet.
Die dritte im Bunde ist Vanessa Martini, ebenso mit Wurzeln beim SV Rees und Stationen bei den Erstligisten Duisburg und Essen-schönebeck. In den acht Fußballsaisons bei der SGS reifte die U17- und U-19 Nationalspielerin zur Führungsspielerin und Kapitän. Die 30-jährige Martini läuft nun für das Zweitligateam von Borussia Bocholt auf.
Derweil gibt eine Bundesligalegende des VFL Bochum, Jupp Tenhagen, Kindern aus der Region Fußballunterricht. Der 67-Jährige, der lange Zeit auch die Fahrstuhlmannschaft des 1. FC Bocholt in Amateurligen trainierte, ist in Rees-millingen geboren und hat dort bei der Fortuna gelernt. Heute wohnt er in Haldern und betreibt in Emmerich ein Sportgeschäft. In Bocholt konnte er in den 1990ern die Karriere von Harald Katemann verfolgen, der als Profi fünf Jahre bei Fortuna Düsseldorf spielte und zuletzt bei Fortuna Elten kickte. Katemann sorgt seit Sommer als Trainer von Grün Weiß Lankern in Hamminkeln für Aufbruchstimmung.