Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Unser Corona-Projekt
Es ist die Zeit der Ängste, Sorgen – und der Projekte. Unsere Leser waren gebeten, zu zeigen, womit sie sich seit März beschäftigen. Es wurde gemalt, musiziert, gebastelt. Manche bauten sogar Häuser – wie Familie Rosiejka.
Wenn man am Haus von Familie Rosiejka in Remscheid vorbeifährt, schaut man sich zumindest kurz verwundert um. Die meisten Passanten trauen ihren Augen kaum, wenn sie das Spielhaus-deluxe direkt am Straßenrand entdecken. Es sieht aus wie eine Mischung aus den urigen Häuschen aus Tolkiens Auenland und einer professionellen Fahrradgarage. Ohne die Corona-krise wäre es vermutlich in diesem Jahr nicht gebaut worden.
Wie alle Menschen traf die Corona-pandemie die Remscheider Familie völlig unvermittelt. „Wir haben sehr viel Zeit zu Hause verbracht“, sagt Mutter Tanja. Die 43-Jährige arbeitet in einem Jobcenter in Wuppertal, ihr 39-jähriger Mann Michel ist selbstständiger Handwerker. Beide haben im Lockdown weiterhin gearbeitet, die Freizeit hat die Familie jedoch fast ausschließlich zu Hause verbracht. „Wir waren sehr viel draußen in unserem Garten“, sagt Rosiejka.
Der Garten wurde zum neuen Wohnzimmer und im Frühling umgebaut. Das kam dem siebenjährigen Sohn Ben entgegen: „Er wollte unbedingt einen eigenen Kiosk eröffnen, aus dem er seine Freunde aus der Nachbarschaft versorgen kann“, erinnert sich die 43-Jährige. Den Eltern schwebte jedoch viel mehr ein guter Unterstand für die Fahrräder der Familie vor. Im Frühling reifte dann die Idee, daraus ein gemeinsames Corona-projekt zu machen. „Mein Mann hat schon einige schlaflose Nächte deshalb gehabt“, sagt Rosiejka. Der Handwerker bastelte gedanklich jeden Abend an dem Bauplan für das Familien-unterfangen.
Als die Sommerferien immer näher rückten, sagten die Remscheider coronabedingt ihren Österreich-urlaub ab. „Da hatten wir dann mal drei Wochen am Stück alle gemeinsam Zeit.“Und die wurde effektiv genutzt. „Das war ein richtiges Familienprojekt, wir haben alle mit angepackt“, sagt Rosiejka. „Auch
Ben hat geholfen und viele Latten gestrichen.“Im Erdgeschoss entstand Bens Kiosk mit angrenzender Fahrradgarage, auf der oberen Ebene sollte man sich auf einer Veranda entspannen können und im inneren Bereich Unterschlupf finden, falls das Wetter mal nicht mitspielt.
Während der Bauphase sorgte das Vorhaben der Familie für Gesprächsstoff in der Nachbarschaft: Das Grundstück der Familie liegt direkt an einer Straße. „Wir sind mit so vielen Menschen in Kontakt gekommen. Die meisten blieben stehen und fanden das ganz toll, was wir da bauen“, sagt Rosiejka. Das sei im Rückblick auch eines der schönsten Erlebnisse gewesen: „Dass man endlich wieder mit Menschen sprechen und sich austauschen konnte. Das hat so gutgetan. Vor allem auch die älteren Nachbarn haben das gebraucht.“Der mit Abstand schönste Moment sei jedoch gewesen, als Sohn Ben mit Papa Michel in dem
Häuschen übernachtet habe. „Die Freude in seinen Augen zu sehen, war einfach so schön“, sagt Tanja Rosiejka. Mittlerweile hat sich der Kiosk für die Nachbarkinder schon etabliert. „Obwohl Ben die Sachen lieber verschenkt als verkauft“, sagt sie lachend. Ob sie den Österreich-urlaub gegen das kleine Bauprojekt eintauschen möchte? „Nein, nach Österreich können wir irgendwann anders fahren, so ein Häuschen baut man nur einmal.“