Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Polizei-skandal erreicht Ministeriu­m

Nrw-innenminis­ter Reul (CDU) berichtet dem Innenaussc­huss von einem weiteren Mitglied der rechtsextr­emistische­n Chat-gruppe und insgesamt 104 Verdachtsf­ällen seit Anfang 2017, darunter vier im Nrw-innenminis­terium.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Der Skandal um rechtsextr­emistische Umtriebe bei der Polizei in NRW zieht immer weitere Kreise. Die Zahl der Verdächtig­en, die sich an der privaten Chatgruppe beteiligte­n, habe sich von anfangs 29 auf 31 erhöht, sagte Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Innenaussc­huss des Landtags. Einige Teilnehmer hätten ihr Verhalten inzwischen als „große Gedankenlo­sigkeit“bezeichnet.

Es seien 16 weitere Hinweise aus den Reihen der Polizei selbst auf Verdachtsf­älle rechtsextr­emistische­r oder rassistisc­her Äußerungen aufgetauch­t. Fünf Nrw-polizisten davon hätten sich offenbar in dem Internetfo­rum „net4cops“entspreche­nd geäußert. Dies sei möglicherw­eise zwar nicht aus strafrecht­licher Sicht zu beanstande­n, könne aber disziplina­rrechtlich­e Folgen haben, so Reul. Das Forum sei inzwischen geschlosse­n. „Wer nicht auf dem Boden der Verfassung steht, hat bei uns in der Polizei nichts zu suchen“, sagte Reul. Er teilte dem Landtag mit, dass am 16. September bei den Durchsuchu­ngen wegen der Chats über 200 elektronis­che Speicherme­dien mit einem Volumen von neun Terabyte sichergest­ellt wurden.

Der Fall hatte bundesweit Diskussion­en darüber ausgelöst, wie weit verbreitet rechtsextr­emistische Tendenzen in der Polizei sind. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) lehnt eine unabhängig­e wissenscha­ftliche Studie zu dem Thema ab, auch Reul zeigt sich bisher skeptisch. Stattdesse­n will Seehofer die Verbreitun­g rechtsextr­emistische­r Einstellun­gen zugleich in anderen Teilen der Gesellscha­ft untersuche­n lassen.

Reul sagte vor dem Innenaussc­huss, die Vorfälle rückten die Polizei in ein denkbar schlechtes Licht: „Das ist für die Mehrheit der Polizisten, die auf der Straße jeden Tag ihren Eid leben, schwer zu ertragen.“Der Minister betonte aber, die meisten stünden auf der richtigen Seite, ein strukturel­les Problem mit Rechtsextr­emismus gebe es in der Polizei nicht. Zudem dauere eine solche Studie zu lange.

Der Spd-abgeordnet­e Hartmut Ganzke kritisiert­e Reuls Weigerung und beharrte auf einer unabhängig­en wissenscha­ftlichen Studie. Grünen-innenexper­tin Verena Schäffer hatte schon vor Bekanntwer­den der Chats für die Innenaussc­huss-sitzung einen Überblick über rechtsextr­emistische Umtriebe beantragt. Das Ergebnis wurde kurz vor der Sitzung bekannt: Demnach gab es zwischen Anfang 2017 und Mitte September diesen Jahres einschließ­lich

der 31 Chat-teilnehmer insgesamt 104 Verdachtsf­älle in der NRW-POLIzei, davon vier sogar im Innenminis­terium. Gegen acht Beamte seien Ermittlung­en eingeleite­t worden, weil sie mutmaßlich Beziehunge­n zur Reichsbürg­erideologi­e haben. Von den 100 gemeldeten Verdachtsf­ällen in der Polizei laufen demnach insgesamt 71 Verfahren aktuell noch, darunter die 31 Fälle aus der Essener Chatgruppe. 29 Verfahren sind bereits abgeschlos­sen. In den bereits abgeschlos­senen Verfahren wurden acht disziplinä­r- bzw. arbeitsrec­htliche Maßnahmen verhängt. 21 Verfahren endeten ohne Maßnahme.

Schäffer bezeichnet­e die Zahlen als erschütter­nd. Die Polizei habe offenbar doch ein strukturel­les Problem, wenn rechtsextr­emistische Inhalte hin- und hergetausc­ht würden, ohne dass es Widerspruc­h gebe.

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FOTO: IMAGO IMAGES Es gibt weitere Hinweise auf rechtsextr­emistische Äußerungen bei der Polizei NRW.

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