Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wirtschaft in Sorge wegen steigender Infektionszahlen
BERLIN Die Bundesregierung rechnet trotz steigender Infektionszahlen mit einer Belebung der Wirtschaft. Am Wochenende verwies Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) darauf, dass die Forschungsinstitute zurzeit ihre Konjunkturprognosen nach oben korrigierten. Der Abschwung werde in diesem Jahr nicht ganz so stark ausfallen, wie man ursprünglich habe befürchten müssen.
Der Präsident des DIHK, Eric Schweitzer, klingt weniger optimistisch. „Steigende Infektionszahlen machen natürlich auch den Unternehmen Sorge“, sagte er unserer Redaktion. Viele Betriebe stünden schon jetzt mit dem Rücken zur Wand, denn die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen hätten seit März tiefe Spuren in den Bilanzen hinterlassen. „Ausbleibende Umsätze sorgen vielfach weiterhin für Finanzierungsprobleme.“Das gelte für besonders betroffene Branchen wie Veranstalter oder Messebauer, aber auch für Betriebe im stationären Einzelhandel oder in der Industrie, die unter Nachfrageeinbrüchen litten. Schweitzer warnte davor, dass weitere Produktions- und Geschäftsausfälle Unternehmen in ihrer Existenz gefährden könnten. Er rief die Politik dazu auf, Corona-beschränkungen mit Blick auf das Wirtschaftsleben so ausgewogen wie möglich auszugestalten. Dabei verwies Schweitzer vor allem auf die Möglichkeiten zu reisen. Wichtig sei, „bei Beschränkungen im internationalen Reiseverkehr – der für den Tourismus ebenso wie für Geschäftsreisende von zentraler Bedeutung ist – mit Augenmaß vorzugehen und durch sichere Hygienekonzepte sowie ausreichend Testkapazitäten zu flankieren“.
Der Bewerber um den CDU-VORsitz, Norbert Röttgen, wollte sich allerdings nicht festlegen, dass ein erneutes Herunterfahren weiter Teile des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens wirklich vermieden werden kann. „Man kann nichts ausschließen, wenn es darum geht, diese Pandemie wieder unter Kontrolle bringen zu müssen“, sagte Röttgen dem Sender RTL.
Einen Aufholprozess im Wirtschaftsleben sieht ähnlich wie Altmaier auch der Vorsitzende des Ost-ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes. Zugleich sorgt er sich, dass die steigenden Fallzahlen den vorsichtig positiven Trend zerstören könnten. „Ein ähnlich drastischer Lockdown mit erneuten Grenzschließungen, Härten für Berufspendler und der Unterbrechung von Lieferketten muss unbedingt vermieden werden“, betonte Hermes. Von Januar bis Juli ist nach Angaben des Ostausschusses der Handel mit den 29 Ländern Mittel- und Osteuropas im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13,7 Prozent gesunken.
Schaut man auf die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigt sich, dass das Ausmaß der Krise geringer wird, aber auf hohem Niveau bleibt. So nahm die Zahl der
Anzeigen zu konjunktureller Kurzarbeit im August auf 170.000 Personen ab, im Vergleich zu 254.000 im Juli und 387.000 im Juni. „Die aktuelle Corona-krise habe alles Bisherige in den Schatten gestellt, heißt es in einem Bericht der Bundesagentur, der die Auswirkungen der Pandemie auf Arbeits- und Ausbildungsmarkt von April bis August beleuchtet. Trotz der bereits erfolgten Lockerungen bleibt die Hotel- und Gastronomiebranche unter dem Strich am stärksten betroffen. Im Gastgewerbe lag die Arbeitslosigkeit zwischen April und August um 60 Prozent höher als gleichen Zeitraum 2019.