Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
HIER IN NRW Prostitution ganz zum Schluss
Die Landesregierung tut sich mit dem Sexgewerbe in Corona-zeiten schwer.
Die neuen Regeln zur Prostitution stehen in der Coronaschutz-verordnung weit unten. Lange spielte das Thema für die schwarz-gelbe Landesregierung überhaupt keine Rolle. Kneipen wurden geöffnet, Großveranstaltungen ermöglicht – in der Prostitution galt weiterhin ein striktes Verbot. Mit der Folge, dass viele Sexarbeiterinnen gezwungen waren, sich illegal etwas hinzu zu verdienen. Unter sozialen und hygienischen Bedingungen, die sicher nicht immer im Sinne des Infektionsschutzes waren.
Wenig überraschend musste sich die Landesregierung nun vom Oberverwaltungsgericht korrigieren lassen:
Ein generelles Verbot sei vermutlich unverhältnismäßig, wenn in anderen Bereichen längst wieder ein Betrieb unter Auflagen möglich sei. Damit ist eingetreten, was Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) stets vermeiden wollte: Dass ein Gericht Corona-maßnahmen der Landesregierung kippt. Es sagt viel über den Umgang mit Prostitution aus, dass ausgerechnet hier Gerichte eingreifen mussten. Dabei ist Prostitution ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: Pro Tag werden in Deutschland etwa 1,2 Millionen Mal die Dienste von Sexarbeiterinnen in Anspruch genommen. Den Jahresumsatz schätzt das Statistische Bundesamt auf 14 bis 15 Milliarden
Euro. Etwa ein Fünftel davon dürfte auf NRW entfallen.
Vielleicht ist das Zögern der Landesregierung aber auch mit einem gewissen Unbehagen darüber zu erklären, dass Deutschland eines der liberalsten Prostitutionsgesetze in ganz Europa hat. Kaum irgendwo sonst wird es Zuhältern so leicht gemacht. Was unter anderem dazu führt, dass 80 bis 90 Prozent der Sexarbeiterinnen als Zwangsprostituierte unter übelsten Bedingungen arbeiten müssen.
Wenn die Corona-krise ein Brennglas ist, das die Schwächen und die Schwächsten einer Gesellschaft in den Blickpunkt rückt, dann gibt es hier noch viel zu tun.