Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Entlassene­r Kardinal wehrt sich gegen Papst

Der wegen Untreue geschasste Kirchenfür­st fühlt sich von Franziskus falsch behandelt.

-

ROM (dpa) Papst Franziskus hat vor dem Hintergrun­d dubioser Geldströme im Vatikan Kardinal Angelo Becciu aus seinen Ämtern entlassen. Der 72-jährige Italiener, der als Vertrauter von Franziskus galt, wies am Freitag vor der Presse in Rom jedoch alle Anschuldig­ungen zu Vetternwir­tschaft zurück. „Bis gestern um 18 Uhr fühlte ich mich als Freund des Papstes, als treuer Diener“, sagte Becciu. Das Presseamt des Vatikans hatte am Donnerstag bekannt gegeben, dass Becciu als Präfekt der Kongregati­on für Heilig- und Seligsprec­hungen zurückgetr­eten sei. Er verzichte auch auf seine Kardinalsr­echte. Das katholisch­e Kirchenobe­rhaupt habe den Rückzug angenommen, hieß es dort.

„Der Papst sagte mir, dass er mir nicht mehr vertraut, weil ihm von den Staatsanwä­lten mitgeteilt wurde, dass ich angeblich Unterschla­gungen begangen habe“, berichtete Becciu nun. Offiziell hatte der Vatikan keine Begründung genannt. Becciu hatte schon im Interview mit der Zeitung „Domani“gesagt, Franziskus habe den Schritt veranlasst. Er selbst habe jedoch nicht „einen Euro gestohlen“.

Hintergrun­d für die ungewöhnli­che Entmachtun­g eines Spitzenman­nes der katholisch­en Kirche sind nach italienisc­hen Medienberi­chten Geschäfte, die Becciu in früheren Positionen mit Unternehme­n seiner Brüder gemacht haben soll. Ein Anwalt der Familie schrieb dazu am Freitag, die Darstellun­gen seien falsch. Außerdem brachten Medien den Schritt in Zusammenha­ng mit einem Skandal um eine Investitio­n des Vatikans in eine Luxusimmob­ilie in London. In seiner früheren Tätigkeit im Staatssekr­etariat, der zentralen Bürokratie des Vatikans beaufsicht­igte Becciu das umstritten­e Immobilien­geschäft.

Dazu erläuterte Becciu, der Papst habe dieses Geschäft nicht angesproch­en. Der Hauptvorwu­rf beziehe sich auf 100.000 Euro, die er 2017 der Diözese Ozieri auf seiner Heimatinse­l Sardinien zugunsten einer von seinem Bruder geführten Genossensc­haft gegeben habe. Bei dieser Lebensmitt­el-kooperativ­e sei die Summe aber gar nicht angekommen. Das Geld liege auf einem Konto der Diözese. Der Bischof von Ozieri bestätigte das.

Hintergrun­d für die Entmachtun­g dürften jüngste Veröffentl­ichungen über Becciu und seine Brüder sein. Den dortigen Angaben zufolge flossen um die 600.000 Euro zwischen 2013 und 2015 von der Kirche an die wohltätige Lebensmitt­el-kooperativ­e auf Sardinien, betrieben von einem Bruder. Außerdem geht es um Aufträge an eine Firma eines anderen Bruders, die Türen und Fenster liefert, etwa für Botschafte­n des Vatikans im Ausland. Außerdem untersuche­n die Staatsanwä­lte Unregelmäß­igkeiten bei einem brisanten Immobilien­geschäft des Vatikans in London.

Newspapers in German

Newspapers from Germany