Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Bei Tesla ist ein bisschen Hype dabei“
Der Opel-chef über Elektro-suvs in Großstädten und betriebsbedingte Kündigungen in Rüsselsheim.
RÜSSELSHEIM Es ist eine Weltpremiere in einer unsicheren Welt: Als der neue Kompakt-suv Mokka auf die Bühne in Rüsselsheim rollt, ist das auch ein Signal. Es geht weiter. Trotz des Coronavirus. Trotz der wirtschaftlich schwersten Phase für die Automobilindustrie seit Jahrzehnten, die natürlich auch Opel getroffen hat. Ein Drittel weniger Fahrzeuge als im Vorjahr hat das Unternehmen allein im August verkauft. Mit dem neuen Mokka will Opel punkten. Es sei ein Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens, sagt Opel-chef Michael Lohscheller, als wir ihn am Rande der Veranstaltung zum Interview treffen.
Bei der Kommunalwahl in NRW wurde in Ihrer Heimatstadt Bocholt wieder traditionell die CDU gewählt – aber gerade in vielen Großstädten konnten die Grünen deutlich punkten. Die Verkehrspolitik ist dabei vielerorts Thema gewesen. Sie bringen mit dem Mokka eine neue Suv-version auf den Markt. Ist das wirklich noch zeitgemäß?
LOHSCHELLER Der Mokka ist ja mit einer Länge von 4,15 Meter ein kompaktes Fahrzeug – und passt daher aus meiner Sicht sehr gut in die Zeit, gerade als elektrisches Fahrzeug. Ich glaube, die Mehrheit der Mokka-käufer wird sogar eher aus den Städten kommen. Denn einerseits ist auch der Bedarf nach Mobilität in den Städten sehr groß, andererseits führen gerade sehr große Suv-schiffe zu Sozialdiskussionen. Die Zukunft, gerade auch für uns bei Opel, sind daher eher kompakte, sportliche SUV.
Wenn die Mokka-käufer eher aus der Stadt kommen – warum braucht es noch alle Antriebsarten? LOHSCHELLER Weil Technologieoffenheit für die nächsten Jahre der bessere Weg ist. Wir wissen ja immer noch nicht genau, wie schnell sich der Antriebsmix verändern wird. Die E-auto-prämie, die durchaus die Nachfrage stützt, läuft ja zum Beispiel zunächst mal bis Ende 2021. Daher werden wir auch in den kommenden Jahren weiterhin effiziente und günstige Benziner sowie Diesel im Angebot haben.
Neuwagen sollen nach Plänen der Eu-kommission bis 2030 insgesamt 50 Prozent weniger ausstoßen, also nur noch 47,5 g Co2/km. Da würde es doch Sinn machen, noch stärker auf die E-mobilität zu setzen. LOHSCHELLER Genau deshalb elektrifizieren wir ja auch bis 2024 unser gesamtes Portfolio. Allein im nächsten Jahr werden wir insgesamt neun elektrifizierte Modelle anbieten. Dennoch wären diese Vorgaben eine enorme Belastung. Und man darf ja auch nicht vergessen: Die geltenden Ziele wurden ja erst vor zwei Jahren verabschiedet. Und nun sollen sie ausgerechnet in der schwersten Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten verschärft werden?
Kritiker wie die Klimaaktivistin Luisa Neubauer von „Fridays for Future“würden jetzt vermutlich sagen: Die Klimakrise ist noch größer als die aktuelle Krise, weil sie noch mehr Menschen dauerhaft betreffen würde, daher muss man das Thema dennoch forcieren. LOHSCHELLER Absolut. Wir unterstützen die Klimaziele ja auch, daher investieren wir ja bereits stark – zum Beispiel gemeinsam mit unserem Partner zwei Milliarden Euro in unsere Gigafactory für Batteriezellen in Kaiserslautern. Und wir stehen klar zu den verabschiedeten Klimazielen der EU und werden die Co2-ziele in jedem Fall einhalten.
In Kaiserslautern wollen Sie künftig Batteriezellen für bis zu 500.000 Elektrofahrzeuge pro Jahr fertigen. LOHSCHELLER Wir fangen nächstes Jahr mit den Umbaumaßnahmen an und dann läuft das Werk ab dem Jahr 2025 hoch auf eine Zellkapazität von bis zu 500.000 Elektrofahrzeuge jährlich. Am Anfang wird die Kapazität ungefähr bei einem Drittel liegen.
Gucken Sie auch mal auf das brandenburgische Grünheide, um zu vergleichen, wie der E-auto-hersteller Tesla dort sein Werk baut? Dort scheint ja vieles revolutionär. Oder wirkt das nur medial so, weil es einen gewissen Hype um Firmenchef Elon Musk gibt? LOHSCHELLER Wettbewerb ist immer gut, dadurch ist die Industrie so stark. Wir können auch von jedem Wettbewerber etwas lernen – und umgekehrt. Aber klar, es ist schon so, dass da ein bisschen Hype dabei ist.
Opel ist neben Porsche der einzige deutsche Hersteller, der das erste Halbjahr 2020 mit einem Gewinn abschließen konnte. Auf operativer Ebene blieben Ihnen am Ende 110 Millionen Euro. Warum haben Sie das geschafft und die meisten Konkurrenten nicht?
LOHSCHELLER Ich kann da nur für uns sprechen. Wir haben nach dem Eigentümerwechsel zur Groupe PSA in den vergangenen drei Jahren Opel komplett neu aufgestellt. Wir sind inzwischen viel, viel wettbewerbsfähiger und sehr effizient aufgestellt. Das hat uns jetzt natürlich sehr geholfen. Für uns war es sehr wichtig, in den schwarzen Zahlen zu bleiben, um deutlich zu machen, dass unser Comeback nachhaltig ist.
Bleiben Sie auch im zweiten Halbjahr in den schwarzen Zahlen? LOHSCHELLER Wir sind ja an der Börse, daher darf ich dazu keine Prognosen abgeben. Grundsätzlich gilt: Als bei den Halbjahreszahlen gelobt wurde, wie robust unser Geschäft ist, habe ich gesagt: Wir wissen nicht, wie es mit dem Virus weitergeht. Das Schlimmste wäre, wir kämen wieder in eine Situation wie im Frühjahr. Das Coronavirus ist immer noch da. Daher ist es wichtig, dass wir alle achtsam bleiben, auch als Gesellschaft. Wir müssen einen zweiten Lockdown unbedingt verhindern. Und gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, dass wir weiter den Wandel vorantreiben, denn unsere Industrie verändert sich derzeit rasant.
Sie haben bereits im Januar angekündigt, 2100 Stellen abbauen zu wollen – überwiegend in Rüsselsheim. Zuletzt hieß es, Sie würden bis Ende November beobachten wollen, ob sich genügend Freiwillige finden, die Ihre Abfindungsprogramme annehmen. Betriebsbedingte Kündigungen werden andernfalls explizit nicht mehr ausgeschlossen . . .
LOHSCHELLER Die Situation in der Autoindustrie ist nicht leicht. Wir hatten uns mit dem Betriebsrat im Januar auf das Programm geeinigt. Jetzt sehen wir aber, natürlich auch bedingt durch Corona, dass sich erst 500 Leute freiwillig gemeldet haben. Wir halten natürlich den Tarifvertrag ein, aber der sieht auch vor, dass wir die Lage nochmal neu bewerten können, wenn das Geschäft unter ein bestimmtes Absatzvolumen fällt.
Werden Sie noch eine einvernehmliche Lösung finden?
LOHSCHELLER Wir haben in den letzten Jahren so viel mit dem Sozialpartner hinbekommen, dass ich überzeugt bin, auch diesmal eine Lösung zu finden.
Eine Frage noch: Wird es im kommenden Jahr die Automesse IAA geben – und ist Opel dann dabei? LOHSCHELLER Das hoffe ich. Eine Plattform wie die IAA ist wichtig. Es ist ja noch eine Menge Zeit, und bis dahin wird es hoffentlich auch einen verfügbaren Impfstoffgeben. Das persönliche Treffen und Gespräch ist einfach wichtig – und wir haben ja heute bei unserer Veranstaltung gemerkt, wie vielen Menschen dies alles auch gefehlt hat.