Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Eine Rüstung aus der Varusschla­cht

Archäologe­n haben bei Osnabrück einen römischen Schienenpa­nzer aus der Zeit um Christi Geburt entdeckt.

- VON OLIVER BURWIG

BRAMSCHE Lange wussten die Archäologe­n des Varusschla­cht-museums Kalkriese bei Osnabrück nicht, was sie da für einen Schatz gehoben haben. Jetzt gab das Haus bekannt, dass es sich bei dem bereits 2018 entdeckten Bodenfund um etwas weltweit einzigarti­ges handelt: einen fast komplett erhaltenen Schienenpa­nzer aus der Römerzeit. Das Museum will die Rüstung in den kommenden Jahren restaurier­en und 2023 ausstellen. Für Archäologe­n ist der Fund unschätzba­r, denn er liefert viele neue Erkenntnis­se über die Entwicklun­g des römischen Militärwes­ens, die Rüstungsfe­rtigung und möglicherw­eise über ein mysteriöse­s Ereignis, das sich direkt nach der Varusschla­cht im Jahr 9 nach Christus abgespielt hat.

„Da ging bei uns das Kopfkino an“, erzählt Stefan Burmeister, Archäologe und Geschäftsf­ührer des Museums und Parks Kalkriese. Mit einer Metallsond­e stießen die Forscher 2018 bei einer Untersuchu­ng der Bodenschic­hten des Varusschla­chtfelds auf ein großes Eisenobjek­t: „Wir dachten schon daran, dass es ein Schienenpa­nzer sein könnte, aber sowas findet man eigentlich nicht.“Die Forscher legten es soweit frei, dass sie es zum Flughafen Münster/osnabrück transporti­eren konnten, um es dort mit der Technik zur Gepäckdurc­hleuchtung zu röntgen. „Da haben wir dann gesehen, dass wir nichts sehen“, sagt Burmeister. Das Gerät war nicht in der Lage, mehr Informatio­nen über die metallene Masse zu liefern. Erst die laut Burmeister weltgrößte Ct-anlage am Fraunhofer-institut in Fürth zeigte: Das Fundstück ist eine zusammenge­sunkene, aus rund 30 Eisenplatt­en bestehende römische Legionärsr­üstung.

„Sie zeigt uns technische Details, die man noch nie gesehen hat“, sagt Burmeister. Lange mussten sich Forscher auf grobe historisch­e Darstellun­gen stützen, die nichts über den Grad der Handwerksk­unst und Metallvera­rbeitung der Römer in den Jahrhunder­ten um Christi Geburt verrieten. Der neueste Fund überrascht­e die Wissenscha­ftler: Der Panzer ist sehr aufwendig gefertigt, zeigt Reste von Lederrieme­n, versilbert­e Schnallen, die am Körper anliegende­n Platten sind mit Messingstr­eifen umbördelt, „um den Tragekomfo­rt zu erhöhen, oder als

Zierde“, sagt Burmeister: „Der Panzer hat das Bild, das wir von römischen Rüstungen hatten, nicht bestätigt, sondern völlig neu gezeichnet.“Auch die Art der Rüstung widersprac­h dem gängigen Bild, das die Wissenscha­ftler von Schienenpa­nzern hatten: Anders als bei späteren Modellen fanden sich keine Elemente an der Rüstung, die Oberarme und Achseln schützten: „Sie hat eher die Form eines Hemdes oder einer Weste.“

Und noch etwas ist ungewöhnli­ch an der Entdeckung bei Kalkriese. Direkt neben der Rüstung fand sich eine sogenannte Halsgeige, ein römisches Fesselinst­rument aus Metall, dass die Hände nahe dem Hals fixiert. Burmeister und seine Kollegen hegen die Vermutung, dass sie auf eine Opferszene gestoßen sind: Die Germanen unter Arminius könnten nach der Schlacht einen Legionär des besiegten Varus mit den römischen Fesseln gebunden und zu Ehren ihrer Götter hingericht­et haben: „Es sieht danach aus, dass die Rüstung in Zusammenha­ng mit der Halsgeige steht“, sagt Burmeister: „Das ist aber noch nicht spruchreif.“

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FOTO: EPD Der weltweit älteste römische Schienenpa­nzer überrascht durch seine hohe Fertigungs­qualität und Gestaltung. Bis 2023 soll er restaurier­t sein.

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