Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das Opfer, das keines sein will
Die „Tatort“-folge „Rebland“nimmt eine ungewöhnliche Krimi-perspektive ein.
FREIBURG Beate Schmidbauer, eine Frau in ihren 50ern, tanzt ausgelassen auf einem Weinfest, wird angeflirtet, trinkt mehrere Gläser und geht zu Fuß nach Hause, weil sie nicht mehr mit ihren Freundinnen ins Taxi passt. Sie hat es nicht weit, sie mag den Weg durch die Weinberge. Schon als sie die Treppe in die Dunkelheit hinabsteigt, ist klar: Sie wird nicht unversehrt zu Hause ankommen. Sie wird vergewaltigt, beziehungsweise der Zuschauer ahnt diese Tat, denn der Bildschirm wird einfach dunkel. Keine Schreie, kein Kampf, nichts.
Und doch kann jeder das Grauen erahnen, das diese Frau ausstrahlt, als sie bei der Polizei sitzt und Anzeige erstattet. Beate Schmidbauer weint nicht, sie klagt nicht, sie will einfach weitermachen. Geht ihrem Beruf nach, besucht das Weingut, in dessen Nähe sie Opfer einer Straftat wurde. Gerade das will sie aber nicht sein: ein Opfer. Victoria Trauttmansdorff spielt diese Frau so stark, dass es einen wirklich berührt.
Die „Tatort“-folge „Rebland“nimmt dabei eine ungewöhnliche Perspektive ein. Das Opfer steht in dem Film von Regisseurin Barbara Kulcsar durchaus im Mittelpunkt, aber nicht mit seiner Verletzlichkeit, sondern mit seiner Stärke. Nach dem Moment des Kontrollverlusts will die Radiomoderatorin die Kontrolle über ihr Leben behalten. Das wirkt etwas befremdlich, aber wer mag darüber entscheiden, wie sich das Opfer eines Verbrechens zu fühlen hat? Wie tief der psychische Schaden aber tatsächlich ist, wird erst am Ende klar.
Für die Freiburger Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-jochen Wagner) hat der Fall höchste Priorität, denn die Frau ist eine Freundin ihrer Chefin. Es wurde DNA sichergestellt, doch in der Datenbank gibt es keine Entsprechung. Dann fällt ihnen ein Fall aus Frankreich in die Hände, wo diese DNA ebenfalls gefunden wurde. Daraufhin gibt es einen Reihen-gentest, und es folgt die Frage, wie viele Informationen aus der DNA generiert werden dürfen. Tobler und Berg erfahren, dass ihr Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit blaue Augen und blonde Haare hat. Und ungefähr wie alt er ist. Mehr dürfen sie nicht erfahren. Um die Chancen und Risiken der DNA-SIcherung entspinnt sich eine moralische Diskussion, wie viel Eingriff in die Persönlichkeitsrechte erlaubt ist.
Drei Tatverdächtige stehen im Mittelpunkt: Alle drei haben mehr oder weniger ein Problem mit Frauen und dazu blonde Haare und blaue Augen. So müssen die Kommissare doch ihr Gespür beweisen, die DNA allein löst nicht den Fall.
„Tatort: Rebland“, Das Erste, 20.15 Uhr