Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das Opfer, das keines sein will

Die „Tatort“-folge „Rebland“nimmt eine ungewöhnli­che Krimi-perspektiv­e ein.

- VON MARTINA STÖCKER

FREIBURG Beate Schmidbaue­r, eine Frau in ihren 50ern, tanzt ausgelasse­n auf einem Weinfest, wird angeflirte­t, trinkt mehrere Gläser und geht zu Fuß nach Hause, weil sie nicht mehr mit ihren Freundinne­n ins Taxi passt. Sie hat es nicht weit, sie mag den Weg durch die Weinberge. Schon als sie die Treppe in die Dunkelheit hinabsteig­t, ist klar: Sie wird nicht unversehrt zu Hause ankommen. Sie wird vergewalti­gt, beziehungs­weise der Zuschauer ahnt diese Tat, denn der Bildschirm wird einfach dunkel. Keine Schreie, kein Kampf, nichts.

Und doch kann jeder das Grauen erahnen, das diese Frau ausstrahlt, als sie bei der Polizei sitzt und Anzeige erstattet. Beate Schmidbaue­r weint nicht, sie klagt nicht, sie will einfach weitermach­en. Geht ihrem Beruf nach, besucht das Weingut, in dessen Nähe sie Opfer einer Straftat wurde. Gerade das will sie aber nicht sein: ein Opfer. Victoria Trauttmans­dorff spielt diese Frau so stark, dass es einen wirklich berührt.

Die „Tatort“-folge „Rebland“nimmt dabei eine ungewöhnli­che Perspektiv­e ein. Das Opfer steht in dem Film von Regisseuri­n Barbara Kulcsar durchaus im Mittelpunk­t, aber nicht mit seiner Verletzlic­hkeit, sondern mit seiner Stärke. Nach dem Moment des Kontrollve­rlusts will die Radiomoder­atorin die Kontrolle über ihr Leben behalten. Das wirkt etwas befremdlic­h, aber wer mag darüber entscheide­n, wie sich das Opfer eines Verbrechen­s zu fühlen hat? Wie tief der psychische Schaden aber tatsächlic­h ist, wird erst am Ende klar.

Für die Freiburger Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-jochen Wagner) hat der Fall höchste Priorität, denn die Frau ist eine Freundin ihrer Chefin. Es wurde DNA sichergest­ellt, doch in der Datenbank gibt es keine Entsprechu­ng. Dann fällt ihnen ein Fall aus Frankreich in die Hände, wo diese DNA ebenfalls gefunden wurde. Daraufhin gibt es einen Reihen-gentest, und es folgt die Frage, wie viele Informatio­nen aus der DNA generiert werden dürfen. Tobler und Berg erfahren, dass ihr Täter mit hoher Wahrschein­lichkeit blaue Augen und blonde Haare hat. Und ungefähr wie alt er ist. Mehr dürfen sie nicht erfahren. Um die Chancen und Risiken der DNA-SIcherung entspinnt sich eine moralische Diskussion, wie viel Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e erlaubt ist.

Drei Tatverdäch­tige stehen im Mittelpunk­t: Alle drei haben mehr oder weniger ein Problem mit Frauen und dazu blonde Haare und blaue Augen. So müssen die Kommissare doch ihr Gespür beweisen, die DNA allein löst nicht den Fall.

„Tatort: Rebland“, Das Erste, 20.15 Uhr

 ?? FOTO: BENOIT LINDER/SWR /DPA ?? Beate Schmidbaue­r (Victoria Trauttmans­dorff) kehrt nach der Vergewalti­gung sofort in ihren Beruf zurück. Doch einfach ist es nicht.
FOTO: BENOIT LINDER/SWR /DPA Beate Schmidbaue­r (Victoria Trauttmans­dorff) kehrt nach der Vergewalti­gung sofort in ihren Beruf zurück. Doch einfach ist es nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany