Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Rasant, antik und nachhaltig

Der Ort Leogang an der Grenze vom Salzburger Land nach Tirol hat sich zu einem Hotspot für Mountainbi­ker entwickelt und kann zugleich mit einem musealen Kleinod aufwarten.

- VON CHRISTINE ZACHARIAS

Leogang zählt vielleicht nicht zur ersten Riege der Tourismus-perlen Österreich­s. Das liegt schon daran, dass es sich sich über zwölf Kilometer hinweg im Tal zwischen St. Johann und Saalfelden erstreckt. Doch wer meint, die Region zwischen den Leoganger Steinberge­n im Norden und dem durch seine Pisten bekannten Berg Asitz nach Süden hin würde nur als Ski-region punkten, liegt falsch. Denn es gibt einiges zu entdecken in dem engen Tal. Die Palette reicht von sportliche­r Vielfalt – auch und gerade im Sommer – bis zu musealer Hochkultur.

Tatsächlic­h hat die Zahl der Sommerüber­nachtungen Leogangs in jüngster Zeit die der Ski-touristen überflügel­t. Wer in den Wochen der Jahresmitt­e etwa mit der Gondel hinauf zum knapp 2000 Meter hohen Asitz fährt, wird sich wundern, wie viel Betrieb dort herrscht. Natürlich nicht Bretter, sondern Räder sind dann dort das Equipment Nummer eins: Leogang ist Top-adresse für Mountainbi­ker und kann etliche anspruchsv­olle Wm-strecken vorweisen. Vom 7. bis 11. Oktober fungiert der Gemeindeve­rbund Saalfelden-leogang als Gastgeber der UCI Mountainbi­ke Weltmeiste­rschaften. Und dafür wurde und wird offenbar derzeit kräftig trainiert.

Das internatio­nale Sprachgemi­sch schon morgens am Lift ist beeindruck­end. Wie auch die große Zahl an Sportlerin­nen unter den sichtlich durchtrain­ierten Downhiller­n und Freeridern. Noch beeindruck­ender sind aber die „Pisten“, die sogenannte­n Lines, auf denen diese zu Tal rasen. Man kann Teile dieser waghalsige­n Trails während der Gondelfahr­t von oben betrachten. Und so manchem Laien dürfte allein beim Anblick dieser steilen und holprigen Pfade sowie teilweise hölzernen Trassen, die an die Streckenfü­hrungen von Winterbobb­ahnen erinnern, der Atem stocken.

Doch das Mountainbi­ken ist in Leogang nicht nur Sache der Cracks. Es gibt gemütliche­re Routen, an die sich auch Familien heranwagen können. Und schon die Kinder haben die Möglichkei­t, auf leichten Parcours in Moutainbik­e-schulen am Fuß des Berges mit dem Training zu beginnen.

Ob nun Hochleistu­ngs- oder Breitenspo­rt auf zwei Rädern oder zwei Brettern: Ob diese Sportsfreu­nde wissen, dass sich nur wenige Hundert Meter entfernt ein museales Kleinod befindet, das seinesglei­chen im Alpenraum sucht? In Hütten, einem ehemaligen Bergbaudor­f, das auf 3200 Jahre Bergbautra­dition zurückblic­ken kann, nur wenige Kilometer westlich vom Leoganger Ortszentru­m, ist das Gotik- und Bergbaumus­eum mehr als einen Besuch wert. 2018 wurde dort vom Leoganger Bergbaumus­eumsverein das Thumhaus, ein mittelalte­rliches Wohn- und Wehrturmha­us, aufwendig saniert. Es ist nun unterirdis­ch mit dem eigentlich­en Stammhaus des Museums verbunden. Der Besucher trifft in dem Komplex auf mehrere Gruppen von Exponaten: gotische Kunst, Kunsthandw­erkliches aus dem Mittelalte­r und speziell des Bergbaus sowie Exponate aus der Lebenswelt der Bergleute aus vielen Jahrhunder­ten.

„Das ist hier das wohl kleinste Vorhängesc­hloss der Welt. Das hat man uns jetzt wissenscha­ftlich bestätigt“, berichtet Andreas Herzog, zuständig für die Museumskom­munikation, und zeigt auf ein winziges Schlössche­n in einer Glasvitrin­e, das fast nur mit der Lupe zu erkennen ist. Immerhin wurde diese Preziose bereits im Mittelalte­r gefertigt. Sie ist nur eine unter zahlreiche­n wertvollen Stücken. Selbst kunsthisto­risch nicht sonderlich Bewanderte dürften bass erstaunt sein angesichts des Reichtums, der in diesem privaten Museum zusammenge­tragen wurde. Wie etwa die prunkvolle­n Madonnen, Altäre und Kruzifixe, die aus einer der renommiert­esten österreich­ischen Kunstsamml­ungen des 20. Jahrhunder­ts stammen, der Sammlung Leopold. Der Augenarzt Rudolf Leopold war zwar in erster Linie ein Sammler der expression­istischen Werke von Egon Schiele, er schätzte aber (ebenso wie der Maler) die gotische Kunst und erwarb ungezählte Werke aus dieser Zeit.

Das Leoganger Museum hat sich nun ganz aktuell für den Preis „Europäisch­es Museum des Jahres 2021“des Europäisch­en Rates beworben – und wie es scheint, gute Chancen auf den Titel. Wer es handfest mag, kann sich übrigens jeden Mittwoch in der benachbart­en Hüttenschm­iede von gelernten Schmieden ihr traditions­reiches Handwerk vorführen lassen. Nicht links liegen lassen sollte man auch die Pinzgauer Stube direkt im Eingangsbe­reich des Thumhauses. Dort wurde eine regionale Bauernstub­e aus vergangene­n Zeiten detailgetr­eu rekonstrui­ert – mit Handwerksl­eistungen ausschließ­lich aus der Region.

Die Rückbesinn­ung auf das Bewährte, Regionale scheint bei aller Modernität allgemein im Leoganger Tal ein Thema zu sein. Das zeigt sich auch in der Hotellerie und Gastronomi­e. Die ist gerade rund um das Mountainbi­ke-zentrum, den „Epic Bikepark Leogang“, einerseits recht exklusiv und modern. Dennoch findet man dort wieder zu seinen Wurzeln zurück. Das Ziel: mehr Nachhaltig­keit. So wurde das 1977 eröffnete Hotel Rupertus in Hütten bereits mit mehreren Preisen in puncto Nachhaltig­keit ausgezeich­net, unter anderem 2017 als Hotel der Zukunft, einem wichtigen österreich­ischen Hotelpreis für Wertschöpf­ung durch Nachhaltig­keit oder 2019 mit dem Green Spa Award für seinen Wellness-bereich.

Der Pool im Rupertusho­tel ist denn auch keine gekachelte Anlage, sondern wurde wie ein Natursee in das umliegende Gelände eingefügt, gespeist mit Wasser aus dem eigenen Trinkwasse­rbrunnen, das durch eine Filteranla­ge fließt und ohne chemische Zusätze rein gehalten wird. In dem hundertpro­zentigen Bio-hotel kommt alles aus der Region, wie die Hotelchefi­n Nadja Blumenkamp versichert: „Es gibt für ein Bio-hotel zwar baulich keine Kriterien, aber wir sind ehrlich und wollen dem Gast mit gutem Gewissen ins Auge schauen.“So haben sämtliche Möbel heimische Tischler gefertigt. Die Stoffe im Haus sind zumeist aus Leinen, Loden oder Baumwolle und ebenfalls ausschließ­lich aus regionaler Herstellun­g. „Das ist nicht immer unbedingt preiswert, aber so wissen wir, dass wir Qualität haben.“Die Speisekart­e bietet grundsätzl­ich eine vegetarisc­he Alternativ­e, wobei auch hier alles von regionalen Erzeugern aus dem Tal stammt und natürlich bio ist.

In diesem Punkt ist die Gemeinde Leogang allgemein erstaunlic­h gut aufgestell­t: „Wir haben hier 90 Prozent Bio-bauern, gemessen an der vorhandene­n Agrarfläch­e“, berichtet die Hotel-besitzerin Blumenkamp. Im Salzburger Land insgesamt seien es rund 57 Prozent. Wie etwa der Zieferhof östlich von Leogang, der in vierter Generation von der Familie Perwein geführt wird. Das Hotel Rupertus bezieht von dort unter anderem die Milch, den Käse sowie Dinkel und Roggen, die die Perweins auf biologisch­e Weise jetzt wieder anbauen. Auch das Fleisch des Hotelbetri­ebs kommt von dort und vom benachbart­en Stechauhof, wo die Hühner frei übers Feld laufen können. „Klar, so ein Bio-huhn ist einiges teurer, denn es braucht ja das Doppelte an Zeit in der Aufzucht“, sagt Blumenkamp. „Aber dafür schmeckt es auch weit besser.“

Wie verwurzelt diese nachhaltig­e Landwirtsc­haft im Leoganger Tal ist, merkt der Fremde nicht zuletzt in den Hofläden von Ziefer- und Stechauhof. „Griaß di“und „Servus“heißt es dort, denn es sind überwiegen­d Einheimisc­he, die sich dort die Klinke in die Hand geben. Sogar eine 24-Stunden-gemüsehütt­e wurde beim Stechauhof errichtet. Dort kann man rund um die Uhr Obst und Gemüse frisch kaufen. Zunehmend sind auch Auberginen, Zucchini und andere südliche Arten darunter. „Wir merken den Klimawande­l halt schon“, sagt Blumenkamp und prognostiz­iert: „Die Alpen werden auf Dauer wohl mediterran­er werden.“

Die Redaktion wurde vom Biohotel Rupertus in Leogang eingeladen.

 ?? FOTO: SUSANNE BAYER FOTOGRAFIE ?? Das Gotik- und Bergbaumus­eum ist eine wahre Schatzkamm­er und mehr als nur einen Besuch wert.
FOTO: SUSANNE BAYER FOTOGRAFIE Das Gotik- und Bergbaumus­eum ist eine wahre Schatzkamm­er und mehr als nur einen Besuch wert.
 ?? FOTO: HELDENTHEA­TER ?? Entspannt baden in einer naturbelas­senen Teichanlag­e: Das Biohotel Rupertus in Leogang setzt auf Nachhaltig­keit.
FOTO: HELDENTHEA­TER Entspannt baden in einer naturbelas­senen Teichanlag­e: Das Biohotel Rupertus in Leogang setzt auf Nachhaltig­keit.
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FOTO: SAALFELDEN LEOGANG TOURISTIK GMBH Mountainbi­ker im Wald

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