Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Rasant, antik und nachhaltig
Der Ort Leogang an der Grenze vom Salzburger Land nach Tirol hat sich zu einem Hotspot für Mountainbiker entwickelt und kann zugleich mit einem musealen Kleinod aufwarten.
Leogang zählt vielleicht nicht zur ersten Riege der Tourismus-perlen Österreichs. Das liegt schon daran, dass es sich sich über zwölf Kilometer hinweg im Tal zwischen St. Johann und Saalfelden erstreckt. Doch wer meint, die Region zwischen den Leoganger Steinbergen im Norden und dem durch seine Pisten bekannten Berg Asitz nach Süden hin würde nur als Ski-region punkten, liegt falsch. Denn es gibt einiges zu entdecken in dem engen Tal. Die Palette reicht von sportlicher Vielfalt – auch und gerade im Sommer – bis zu musealer Hochkultur.
Tatsächlich hat die Zahl der Sommerübernachtungen Leogangs in jüngster Zeit die der Ski-touristen überflügelt. Wer in den Wochen der Jahresmitte etwa mit der Gondel hinauf zum knapp 2000 Meter hohen Asitz fährt, wird sich wundern, wie viel Betrieb dort herrscht. Natürlich nicht Bretter, sondern Räder sind dann dort das Equipment Nummer eins: Leogang ist Top-adresse für Mountainbiker und kann etliche anspruchsvolle Wm-strecken vorweisen. Vom 7. bis 11. Oktober fungiert der Gemeindeverbund Saalfelden-leogang als Gastgeber der UCI Mountainbike Weltmeisterschaften. Und dafür wurde und wird offenbar derzeit kräftig trainiert.
Das internationale Sprachgemisch schon morgens am Lift ist beeindruckend. Wie auch die große Zahl an Sportlerinnen unter den sichtlich durchtrainierten Downhillern und Freeridern. Noch beeindruckender sind aber die „Pisten“, die sogenannten Lines, auf denen diese zu Tal rasen. Man kann Teile dieser waghalsigen Trails während der Gondelfahrt von oben betrachten. Und so manchem Laien dürfte allein beim Anblick dieser steilen und holprigen Pfade sowie teilweise hölzernen Trassen, die an die Streckenführungen von Winterbobbahnen erinnern, der Atem stocken.
Doch das Mountainbiken ist in Leogang nicht nur Sache der Cracks. Es gibt gemütlichere Routen, an die sich auch Familien heranwagen können. Und schon die Kinder haben die Möglichkeit, auf leichten Parcours in Moutainbike-schulen am Fuß des Berges mit dem Training zu beginnen.
Ob nun Hochleistungs- oder Breitensport auf zwei Rädern oder zwei Brettern: Ob diese Sportsfreunde wissen, dass sich nur wenige Hundert Meter entfernt ein museales Kleinod befindet, das seinesgleichen im Alpenraum sucht? In Hütten, einem ehemaligen Bergbaudorf, das auf 3200 Jahre Bergbautradition zurückblicken kann, nur wenige Kilometer westlich vom Leoganger Ortszentrum, ist das Gotik- und Bergbaumuseum mehr als einen Besuch wert. 2018 wurde dort vom Leoganger Bergbaumuseumsverein das Thumhaus, ein mittelalterliches Wohn- und Wehrturmhaus, aufwendig saniert. Es ist nun unterirdisch mit dem eigentlichen Stammhaus des Museums verbunden. Der Besucher trifft in dem Komplex auf mehrere Gruppen von Exponaten: gotische Kunst, Kunsthandwerkliches aus dem Mittelalter und speziell des Bergbaus sowie Exponate aus der Lebenswelt der Bergleute aus vielen Jahrhunderten.
„Das ist hier das wohl kleinste Vorhängeschloss der Welt. Das hat man uns jetzt wissenschaftlich bestätigt“, berichtet Andreas Herzog, zuständig für die Museumskommunikation, und zeigt auf ein winziges Schlösschen in einer Glasvitrine, das fast nur mit der Lupe zu erkennen ist. Immerhin wurde diese Preziose bereits im Mittelalter gefertigt. Sie ist nur eine unter zahlreichen wertvollen Stücken. Selbst kunsthistorisch nicht sonderlich Bewanderte dürften bass erstaunt sein angesichts des Reichtums, der in diesem privaten Museum zusammengetragen wurde. Wie etwa die prunkvollen Madonnen, Altäre und Kruzifixe, die aus einer der renommiertesten österreichischen Kunstsammlungen des 20. Jahrhunderts stammen, der Sammlung Leopold. Der Augenarzt Rudolf Leopold war zwar in erster Linie ein Sammler der expressionistischen Werke von Egon Schiele, er schätzte aber (ebenso wie der Maler) die gotische Kunst und erwarb ungezählte Werke aus dieser Zeit.
Das Leoganger Museum hat sich nun ganz aktuell für den Preis „Europäisches Museum des Jahres 2021“des Europäischen Rates beworben – und wie es scheint, gute Chancen auf den Titel. Wer es handfest mag, kann sich übrigens jeden Mittwoch in der benachbarten Hüttenschmiede von gelernten Schmieden ihr traditionsreiches Handwerk vorführen lassen. Nicht links liegen lassen sollte man auch die Pinzgauer Stube direkt im Eingangsbereich des Thumhauses. Dort wurde eine regionale Bauernstube aus vergangenen Zeiten detailgetreu rekonstruiert – mit Handwerksleistungen ausschließlich aus der Region.
Die Rückbesinnung auf das Bewährte, Regionale scheint bei aller Modernität allgemein im Leoganger Tal ein Thema zu sein. Das zeigt sich auch in der Hotellerie und Gastronomie. Die ist gerade rund um das Mountainbike-zentrum, den „Epic Bikepark Leogang“, einerseits recht exklusiv und modern. Dennoch findet man dort wieder zu seinen Wurzeln zurück. Das Ziel: mehr Nachhaltigkeit. So wurde das 1977 eröffnete Hotel Rupertus in Hütten bereits mit mehreren Preisen in puncto Nachhaltigkeit ausgezeichnet, unter anderem 2017 als Hotel der Zukunft, einem wichtigen österreichischen Hotelpreis für Wertschöpfung durch Nachhaltigkeit oder 2019 mit dem Green Spa Award für seinen Wellness-bereich.
Der Pool im Rupertushotel ist denn auch keine gekachelte Anlage, sondern wurde wie ein Natursee in das umliegende Gelände eingefügt, gespeist mit Wasser aus dem eigenen Trinkwasserbrunnen, das durch eine Filteranlage fließt und ohne chemische Zusätze rein gehalten wird. In dem hundertprozentigen Bio-hotel kommt alles aus der Region, wie die Hotelchefin Nadja Blumenkamp versichert: „Es gibt für ein Bio-hotel zwar baulich keine Kriterien, aber wir sind ehrlich und wollen dem Gast mit gutem Gewissen ins Auge schauen.“So haben sämtliche Möbel heimische Tischler gefertigt. Die Stoffe im Haus sind zumeist aus Leinen, Loden oder Baumwolle und ebenfalls ausschließlich aus regionaler Herstellung. „Das ist nicht immer unbedingt preiswert, aber so wissen wir, dass wir Qualität haben.“Die Speisekarte bietet grundsätzlich eine vegetarische Alternative, wobei auch hier alles von regionalen Erzeugern aus dem Tal stammt und natürlich bio ist.
In diesem Punkt ist die Gemeinde Leogang allgemein erstaunlich gut aufgestellt: „Wir haben hier 90 Prozent Bio-bauern, gemessen an der vorhandenen Agrarfläche“, berichtet die Hotel-besitzerin Blumenkamp. Im Salzburger Land insgesamt seien es rund 57 Prozent. Wie etwa der Zieferhof östlich von Leogang, der in vierter Generation von der Familie Perwein geführt wird. Das Hotel Rupertus bezieht von dort unter anderem die Milch, den Käse sowie Dinkel und Roggen, die die Perweins auf biologische Weise jetzt wieder anbauen. Auch das Fleisch des Hotelbetriebs kommt von dort und vom benachbarten Stechauhof, wo die Hühner frei übers Feld laufen können. „Klar, so ein Bio-huhn ist einiges teurer, denn es braucht ja das Doppelte an Zeit in der Aufzucht“, sagt Blumenkamp. „Aber dafür schmeckt es auch weit besser.“
Wie verwurzelt diese nachhaltige Landwirtschaft im Leoganger Tal ist, merkt der Fremde nicht zuletzt in den Hofläden von Ziefer- und Stechauhof. „Griaß di“und „Servus“heißt es dort, denn es sind überwiegend Einheimische, die sich dort die Klinke in die Hand geben. Sogar eine 24-Stunden-gemüsehütte wurde beim Stechauhof errichtet. Dort kann man rund um die Uhr Obst und Gemüse frisch kaufen. Zunehmend sind auch Auberginen, Zucchini und andere südliche Arten darunter. „Wir merken den Klimawandel halt schon“, sagt Blumenkamp und prognostiziert: „Die Alpen werden auf Dauer wohl mediterraner werden.“
Die Redaktion wurde vom Biohotel Rupertus in Leogang eingeladen.