Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Drei Männer im Clinch
Das letzte Wortgefecht am runden Tisch vor der Wahl des neuen Cdu-vorsitzenden war die Gelegenheit, Profil zu zeigen. Wie Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen zu punkten versuchen.
BERLIN Ein schwarz-grüner Friedrich Merz, ein schärferer Norbert Röttgen, ein angriffslustiger Armin Laschet – bei ihrem dritten Zusammentreffen vor Mitgliedern der Jungen Union und der CDU sind die drei Kandidaten um den CDU-VORsitz erkennbar um Profilbildung bemüht. Es ist das letzte Kräftemessen vor der Entscheidung über den Cdu-vorsitz in einer Woche. Und es ist zu spüren, dass die Anspannung wächst. So, als Merz während einer Antwort von Laschet energisch mit den Fingern gegeneinander klopft, so als könnte er kaum erwarten, bis er an der Reihe ist.
In einem thematischen „Speed-dating“sollen sich die Kandidaten eingangs ganz kurz zu aktuellen Stichworten positionieren. Steuern erhöhen für die Schuldenbremse? Nein, sagt Laschet, nach der Krise durch wirtschaftliche Stärke an der schwarzen Null anknüpfen. Gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice? Nein, sagt Merz, das könnten die Betroffenen besser selbst regeln. Datenschutz in der Corona-app zugunsten effektiverer Pandemiebekämpfung lockern? „Halte ich für falsch“, antwortet Röttgen, denn das Funktionieren der App setze Vertrauen voraus.
Eigentlich soll es dann mit etlichen anderen Problemlösungsaufrissen weitergehen, doch Laschet interveniert und widerspricht Röttgen. Es gehe doch um die Abwägung verschiedener Grundrechte, in die hier eingegriffen werde, und wenn mit weniger Datenschutz eher andere Freiheitsrechte wiederhergestellt werden könnten, gehe das in Ordnung. „Datenschutz ist nicht wichtiger als Gesundheitsschutz“, lautet die Positionierung des NRW-MInisterpräsidenten, und er berichtet davon, dass diese Debatte auch unter den anderen Länder-regierungschefs laufe.
Röttgen nimmt den Fehde-handschuh auf und bleibt dabei: Wer den Datenschutz zurückführe, erreiche am Ende weniger Gesundheitsschutz. Der erste deutliche Dissenz. Merz ist auf Laschets Seite. Eine halbe Stunde später ein ähnliches Bild beim Thema Abschiebungen: Röttgen zeigt sich nun nicht als Liberaler, sondern eher als harter Hund, der es begrüßt, dass es keinen Abschiebestopp mehr für syrische Gefährder gebe. Laschet widerspricht und fordert ihn heraus: „Wie schiebst Du ihn ab?“Röttgen legt nach: Es gebe die „gute Möglichkeit“, Terrorverdächtige in den Norden Syriens zu bringen.
Hängt es mit den jüngsten Umfragen zusammen, dass sich vor allem Laschet und Röttgen beharken? Sie sind in der Gunst der CDU-ANhänger nun mit jeweils 25 Prozent auf einer Augenhöhe. Aber sie haben auch den Abstand zum führenden Merz geschrumpft. Er liegt nur noch drei Prozentpunkte vor ihnen. Das lässt die Lager zunehmend nervös werden. Sie lassen die Gerüchteküche brodeln. Da wird die frühere Tätigkeit von Merz und ein Treffen mit dem weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko im Jahr 2014 plötzlich thematisiert. Da versichern Landesverbände, Laschet könne durchaus Ministerpräsident werden, auch wenn er das Rennen um den Cdu-vorsitz verliere – als hätte das jemals in Frage gestanden. Aber es ist geeignet, Laschet mit einem Verlierer-image zu verbinden. Auf der anderen Seite wird kolportiert, die Nummer zwei im Team Laschet, Gesundheitsminister Jens Spahn, habe der Nummer eins vorgeschlagen, die Plätze zu tauschen. Zudem sondiere er seine Chancen, als Kanzlerkandidat anzutreten.
Das soll Dissenz ins Lager Laschets bringen. Derweil hat die Erstürmung des Kapitols durch Anhänger Trumps die Erinnerung an die Aussage von Merz wiederbelebt, er könne gut mit Trump. Und dass in der Folge der Eskalation in Washington Röttgen mit überzeugenden Einschätzungen Dauerpräsenz auf den Bildschirmen bekam, könnte auch noch einmal die Umfrageund Sympathiewerte in Bewegung bringen.
So sieht sich denn Merz als vermeintlich Führender im Rennen gemüßigt, wieder für Abstand zu sorgen. Er zeigt sich begeistert von der Datensammlung durch Körperkameras an Polizei-uniformen, die mithilfe Künstlicher Intelligenz künftig sogar Vermummte anhand ihrer Bewegungen identifizieren könnten. Und er zeigt sich erfreut davon, dass Baden-württemberg dies vormache – und lobt nachdrücklich, was also bei Schwarz-grün möglich sei. Das sagt ausgerechnet der Held aller konservativen Grünen-hasser in der CDU. Auch ein Manöver für die letzten Meter zur Mehrheit.
Vielsagend die letzten Statements kurz vor Schluss: Röttgen beschwört, was er alles gelernt habe in den zehn Monaten Wahlkampf in der CDU und will für die „moderne Mitte“stehen, eine CDU, die weiblicher, jünger, digitaler sei. Laschet stößt sofort rein und sagt, er habe keine Zeit für zehn Monate
Wahlkampf gehabt, weil er sich um die Pandemie-bekämpfung habe kümmern müssen. Er beschwört das Vertrauen der Menschen in die Kanzlerin, die Minister und die Ministerpräsidenten, das Land aus der Krise zu führen. Gerade im Superwahljahr könne es auch nicht schaden, einen Cdu-vorsitzenden zu haben, der schon einmal eine Wahl gewonnen habe.
Abschließend Merz, der sich siegesgewiss präsentiert. Er wechselt von der Will- in die Werde-form, fühlt sich schon als CDU-CHEF, spricht die Mitarbeiter in der Parteizentrale direkt an, erinnert an sein Angebot der ökologischen Erneuerung der Marktwirtschaft, des neuen Generationenvertrages und der CDU als Europartei. Und dann strahlt er: „Wir werden einen richtig guten Parteitag haben.“Am nächsten Samstag wissen dann alle drei mehr.