Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
HAMMINKELN
INTERVIEW BERND ROMANSKI Hamminkelns Bürgermeister über die Folgen der Corona-pandemie vor Ort und die Pläne der Stadt für das Jahr 2021.
Ein Gespräch mit Bürgermeister Bernd Romanski über Perspektiven für 2021
HAMMINKELN Die Stadt steht vor großen Herausforderungen. Das hat viel mit der Pandemie zu tun, aber nicht nur. Bürgermeister Bernd Romanski spricht über Perspektiven.
In der Corona-pandemie sind viele Menschen betroffen und viele anders gefordert als sonst. Was beeindruckt Sie besonders? Wo ist die Verwaltung, die Stadt, gefordert? BERND ROMANSKI Im Rathaus sind viele Abläufe stark geändert worden. Wir müssen handeln und tun das auch. Aber besonders beeindrucken mich die Pflegekräfte in Senioren- und Pflegeheimen, das medizinische Personal. Hut ab davor, was sie leisten und wie sie die neuen Anforderungen meistern.
Hamminkeln steht vergleichsweise gut da, was die Krankheits- und Todesfälle betrifft.
ROMANSKI Das hat, so denke ich, mit drei Dingen zu tun. Erstens hat Hamminkeln als große Flächengemeinde andere räumliche Verhältnisse zu bieten als größere Städte. Es gibt keinen Hotspot bei uns. Zweitens hat die Entwicklung auch mit dem Umgang mit den Menschen zu tun. Die Strategie ist Überzeugungsarbeit in Sachen Corona-schutz zu leisten, Dialog statt Auflagen. Ich sehe, dass die Menschen mit Disziplin und Verantwortunsgbereitschaft mitmachen. Nicht-träger von Mund-nasen-schutz gibt es hier kaum. Drittens zeigt die hohe Teilnahme an Schnelltests das enorme Verantwortungsgefühl.
Dennoch ist die Stadt gefordert, zum Beispiel an den Schulen. ROMANSKI Wir setzen auf viel Kommunikation und eine einheitliche Linie. Es gibt jeden Mittwoch Videokonferenzen mit den Schulleitern, da geht es um neue staatliche Auflagen zu Corona. Wir als Verwaltung sind bemüht, für Schulen in ganz Hamminkeln eine Linie zu finden, die Schulleiter finden das gut. Aber die Kurzfristigkeit ist ein großes
Problem. Wenn neue Verordnungen für den Unterricht am Freitag um 14 Uhr kommen, wird es naturgemäß eng. Mit fehlt da eine Mittelfrist-strategie des Landes.
Wie sehr halten sich die Hamminkelner Bürger an die Corona-bestimmungen?
ROMANSKI Das ständige Raus und Rein und scheibchenweise Entscheidungen herausgeben – das macht mir wirklich Sorge. So etwas schadet der Akzeptanz, da muss man befürchten, dass die Bereitschaft der Bürger nicht gestärkt wird, sich an Corona-bedingungen zu halten. In diesem Zusammenhang muss ich ein Lob für die Hamminkelner aussprechen. Wir können nicht alles kontrollieren, aber die Maßnahmen funktionieren, übrigens auch bei Jugendlichen, wenn es nötig ist mit direkter Ansprache. Wir versuchen zu überzeugen und drohen nicht.
Themenwechsel: Die Wirtschaft ist sehr unterschiedlich von Corona betroffen, die Stadt wird Folgen bei den Steuereinnahmen erleben. Wie rot sind die Warnlampen? ROMANSKI Das wird in der Tat spannend. Bei den Einkommensteueranteilen, ein wichtiger Posten für Hamminkeln, wird es voraussichtlich Einbrüche geben. Die Gewerbesteuer, die Kämmerer Robert Graaf für 2021 sehr konservativ berechnet hat, wird es treffen, die Zuwendungen von Land und Bund werden Thema sein – man weiß nicht genau, in welchem Ausmaß. Wenn der Staat bei Lufthansa und TUI mit Milliarden einsteigt, dann muss er erst recht Ausgleich an die Kommunen zahlen. Die Kommune ist die Basis der Demokratie. Es wäre zum Beispiel dringend, mehr Fördergeld für marode Infrastruktur aufzulegen.
Und was tut die Stadt finanziell? Sie müssen doch auch reagieren? ROMANSKI Wir halten finanzielle Dellen aus, wir handeln mit hoher Ausgabendisziplin. Im Etat 2021 haben wir 25 Millionen Euro gestrichen, es gibt und gab Posten, die im Etat schon länger auftauchen. Ich bin als Verwaltungschef superfroh, dass Robert Graaf und sein Team in der Kämmerei die Finanzen extrem gut im Blick haben, ihre Themen sehr gut beherrschen. Die konservative Planung halte ich für sehr vernünftig.
Wie sieht es angesichts der herausfordernden Lage mit Investitionen aus?
ROMANSKI 25 bis 26 Millionen Euro sind für die Schulen vorgesehen, Bildung ist ein wichtiges Thema in der Stadt. Alles was wir tun und tun wollen, hat mit der Frage der Verschuldung zu tun. Die wird steigen, wenn die Zinsen wieder steigen. Dann wird es richtig schwierig.
Was ist mit den Zukunftsthemen Klima, Umwelt, Verkehrswende? ROMANSKI Vor Ort müssen wir sehr viel mehr daran arbeiten, die Zukunft wird vom Faktor nachhaltiger Themen immer mehr bestimmt. Da kann man sich schon sorgen, dass sie aus dem Fokus geraten könnten, da wollen wir mehr tun. Der Komplex hat mit Auswirkungen des Verkehrs zu tun. Wir müssen intensiv das Nahmobilitätskonzept behandeln, zum Beispiel bei der Taktung des Bocholters und den Anschluss bis Düsseldorf. Das Fahrradwegekonzept steht an, die Grünen sind da ja engagiert. Beim Fahrradtourismus sind wir gut aufgestellt, aber bei der Mobilitätswende insgesamt nicht. Ich finde, wir diskutieren zu viel über Parkplätze.
Zuletzt in der Debatte war das Thema Müllentsorgung.
ROMANSKI Eine leidige Debatte. Das Gewichtssystem ist die gerechte Variante, denn sie belohnt Müllvermeidung. Müllvermeidung ist das A und O. Da sind auch die Bürger gefragt. Coronabedingt gibt es erheblich mehr Abfall. Vielleicht muss nicht alles sein, ich muss Weihnachten keine Erdbeertorte essen, ich kann mein Verbraucherverhalten auch ändern. Anders gesagt: ich trete für mehr lokale und regionale Produkte und weniger Transportwege ein.
Wenn Sie für 2021 Wünsche für die Stadt frei hätten, was wäre das? ROMANSKI Ich finde es gut, wenn jetzt der Wirtschaftswegeverband gegründet wird, das ist an der Zeit. Für die A 3 im Bereich Hamminkeln und Ringenberg könnte es endlich Flüsterasphalt geben. Diese Lärmreduzierung hat Straßen NRW schon vor drei Jahren angekündigt. Für Mehrhoog möchte ich best machbaren Lärmschutz an der Betuwe. Wobei ich sage, dass sich die Bahn schon sehr bewegt hat. Gut fände ich, wenn es weiter gelingen würde, junge Familien anzusiedeln und für sie Kita-infrastruktur auszubauen.