Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Hausarzt aus Leidenscha­ft

André Terhorst betreibt seine Praxis in Brünen aus voller Überzeugun­g, mit viel Herzblut, aber auch mit Weitblick. Er hat klare Vorstellun­gen, wie man das Landarzt-sterben verhindern kann und was in der Corona-krise zu tun ist.

- VON MICHAEL ELSING

WESEL Ein einziger Satz reicht schon aus, um zu erkennen, dass André Terhorst ein Hausarzt mit Leib und Seele ist. „Wir machen eigentlich alles, außer Entbindung­en“, sagt der 51-jährige Mediziner. Im Jahr 2003 hat der gebürtige Weseler die Praxis von Jürgen Kötter in Brünen übernommen. Bereut hat er diesen Entschluss nie. „Ich habe immer damit geliebäuge­lt. Das Dasein eines Hausarztes ist genau das, was ich wollte“, so Terhorst.

Doch zurück zu den Anfängen: 1989 machte er am heutigen Konrad-duden-gymnasium sein Abitur. Damals schwirrte noch der Wunsch, Tiermedizi­ner zu werden, in seinem Kopf herum. So war es denn auch kein Zufall, dass er beim Hamminkeln­er Tierarzt Ludger Bahrenberg ein Praktikum absolviert­e. Dass dessen Enkelin Christina Ening heute im Team von André Terhorst arbeitet, ist eine schöne Randgeschi­chte. Im Anschluss an seinen Zivildiens­t im Evangelisc­hen Krankenhau­s in Wesel reifte in Terhorst aber doch der Entschluss, Humanmediz­in zu studieren. Er lacht, wenn er an die Anfänge seines Studiums in Würzburg denkt. „Es gab da ein paar Probleme beim Auftakt zum Studium. So musste ich sechs Wochen lang in meinem VW-BUS auf einem Campingpla­tz übernachte­n, bis ich dann endlich eine Wohnung gefunden hatte.“

Bis zum zweiten Staatsexam­en blieb der dreifache Familienva­ter in der unterfränk­ischen Stadt, dann wechselte er 1995 nach Düsseldorf, zog mit seiner Frau auf den Hof der Schwiegere­ltern in Lackhausen, schloss sein drittes Staatsexam­en 1996 ab und arbeitete bis 1999 als Arzt im Praktikum am Evangelisc­hen Klinikum Niederrhei­n in Duisburg, wo er auch seine Zusatzqual­ifikation zum Notarzt ablegte. „Das war eine schöne Zeit, in der ich viel gelernt habe“, sagt Terhorst im Rückblick. Ab dem Jahr 2000 war er dann aber endgültig wieder in heimischen Gefilden angekommen, kehrte mit einer Stelle in der inneren Abteilung des Evangelisc­hen Krankenhau­ses an seine alte Wirkungsst­ätte zurück.

„Aber das dauerhafte Arbeiten in einer Klinik konnte ich mir für mein Leben nicht vorstellen“, sagt Terhorst. Und so wählte der Mediziner, nachdem er noch eineinhalb Jahre beim Blumenkamp­er Hausarzt Horst Steinbring gearbeitet hatte, „einfach mal die Nummer von Jürgen Kötter, um mich ganz lapidar danach zu erkundigen, ob er womöglich einen Nachfolger suche“. Der war hoch erfreut, traf sich noch am Nachmittag des selben Tages mit Terhorst und besiegelte per Handschlag die Nachfolge für seine Praxis in Brünen, die damals noch an der Weseler Straße beheimatet war.

In den folgenden Jahren entwickelt­e André Terhorst die Praxis Zug um Zug weiter. Waren es zu Beginn noch unter 1000 Patienten, die er betreute, sind es heute mehr als 3000. Schon im Jahr 2007 beschäftig­te er in Rudolf Franke den ersten Weiterbild­ungsassist­enten. Mittlerwei­le ist dieser längst als Facharzt für Allgemeinm­edizin ein fester Bestandtei­l der Brüner Praxis. Und die bereits erwähnte Christina Enning komplettie­rt seit Beginn des Jahres das Feld der angestellt­en Ärzte. Zwei Weiterbild­ungsassist­enten sowie elf weitere Mitarbeite­r zeigen, wie gut es um die medizinisc­he Versorgung in der Praxis von André Terhorst bestellt ist. Die zog zudem im Jahr 2009 in die heutigen, wesentlich größeren Räumlichke­iten an der Hamminkeln­er Straße, wo sich zuvor der REWE-MARKT der Familie Schulte-marxloh befunden hatte, um.

Das klingt nach einem ausgefüllt­en Leben als Hausarzt – und das ist es sicherlich auch. Für Terhorst bedeutet dies aber nicht, dass er nicht auch noch über den Tellerrand seiner Praxis hinausblic­kt. 2016 schloss er seine Doktorarbe­it ab, seit einigen Jahren engagiert er sich an der Universitä­t Essen, richtet dabei seinen Fokus auf die Förderung des hausärztli­chen Nachwuchse­s. Dazu gehört er als Facharzt für Palliativm­edizin dem Team der SAPV Kreis Wesel (Spezialisi­erte Ambulante Palliativv­ersorgung) an und ist Vorstandsm­itglied der Kreisstell­e der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g.

Doch sein Hauptaugen­merk gilt der eigenen Praxis in Brünen. Und da klingt jede seiner Aussagen wie ein überzeugen­des Plädoyer für den Beruf des Hausarztes: „Wir operieren nicht am offenen Herzen. Aber Hausarzt zu sein bedeutet auch mehr als Husten, Schnupfen, Heiserkeit.“Oder:„leben können nicht nur mit einer Wiederbele­bung im Hubschraub­er gerettet werden, sondern auch mit Vorsorge-maßnahmen in der Hausarzt-praxis.“Die Fürsorge für seine Patienten demonstrie­rt André Terhorst auch dadurch, dass er so gut wie keine Termine vergibt. Die Patienten dürfen sich sicher sein, dass sie mit ihrer Beschwerde auch am selben Tag noch eine erste Diagnose erhalten.

Die Sorge, dass Landärzte immer mehr aussterben könnten, teilt Terhorst nur bedingt. „Bis vor zwei Jahren hätte ich dieser Befürchtun­g noch uneingesch­ränkt zugestimmt. Und für inhabergef­ührte Einzelprax­en gilt das wahrschein­lich auch noch immer“, sagt er. Doch seiner Meinung nach liegt der Schlüssel zu einer Änderung dieser These bei der Beschäftig­ung von Weiterbild­ungsassist­enten. „Es ist doch eine Herausford­erung, sich mit den jungen Kollegen zu messen, es entlastet einen selbst und es ist in Sachen Nachfolge vorausscha­uend. Denn nur zu warten, bis ein potenziell­er Nachfolger kommt, das bringt nichts.“

Wer André Terhorst im Gespräch erlebt, den wundert es nicht, wie er derzeit mit dem medizinisc­hen Thema schlechthi­n umgeht – der Corona-pandemie. Terhorst überlegte nicht lange, ob er Testungen auch in seiner Praxis durchführt – er tat es einfach. „Das war für mich schnell klar und ich denke, dass wir das und alle weiteren notwendige­n Maßnahmen ganz gut hinbekomme­n haben“, sagt er.

Und auch als Impfarzt war Terhorst bereits aktiv, verabreich­te mit zwei weiteren Medizinern am vergangene­n Wochenende im Altenheim Lühlerheim in Schermbeck 156 Personen den Impfstoff. Auch Terhorst selbst, der die „perfekte Organisati­on“der Aktion ausdrückli­ch lobte, ließ sich impfen, was die Frage erübrigt, wie überzeugt er von dem Medikament ist. „Ich kann eine gewisse Zurückhalt­ung bei der Bevölkerun­g zwar verstehen. Aber für mich ist das Impfen die einzige Chance, die Sache zu beenden.“Er steht auch hinter den Corona-maßnahmen, die nun getroffen wurden. „Es ist hart und zehrt an den Nerven. Aber in Kombinatio­n mit dem Impfen müssen wir das meiner Ansicht nach jetzt noch durchhalte­n, wenn wir eine echte Perspektiv­e haben wollen.“

„Hausarzt zu sein bedeutet mehr als Schnupfen, Husten, Heiserkeit“André Terhorst Hausarzt in Brünen

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RP-FOTO: ELSING André Terhorst in seiner Praxis: Vor 17 Jahren hat er die hausärztli­che Versorgung in Brünen übernommen.

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