Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Zahnärzten macht die Krise zu schaffen
MEDIZIN VON NEBENAN Zahnmediziner erlebten im ersten Lockdown einen Umsatzeinbruch. Hygienematerial wurde doppelt bis dreifach so teuer. Entlastung durch die gesetzlichen Krankenkassen gebe es bis heute nicht, kritisiert Zahnarzt Ulrich Krüßmann.
VOERDE Als der erste Lockdown kam, blieben die Zahnarztpraxen leer. Sechs Wochen lang sagten die meisten Patienten ihre Termine ab, nur die mit großen Schmerzen kamen. Es waren schwierige Tage für den Zahnarzt Ulrich Krüßmann aus Voerde – von heute auf morgen brach der Großteil seines Umsatzes weg. Zwar normalisierten sich die Patientenzahlen Mitte Mai wieder, doch nun kamen neue Probleme auf ihn zu: Handschuhe, Masken und Desinfektionsmittel wurden knapp – und kosteten das Doppelte bis Dreifache. Ein Luftreinigungsgerät und antibakterielle Mundspülungen mussten her, viele teure Investitionen für Krüßmann.
Der Zahnarzt fühlt sich finanziell von den gesetzlichen Krankenkassen im Stich gelassen: Während die privaten Krankenkassen wenigstens eine Hygienepauschale pro Privatpatient bezahlen – bis zum 30. September waren das 14,23 Euro, seit dem 1. Oktober sind es 6,19 Euro – entlasten die gesetzlichen Krankenkassen die Zahnmediziner nicht. Zwar decke auch die Hygienepauschale nicht viel von den Kosten ab, die neu angefallen seien, doch sie sei besser als nichts, sagt Krüßmann. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung bemühe sich zurzeit darum, dass Zahnärzte auch von den gesetzlichen Krankenkassen unterstützt werden. „Ich hoffe sehr, dass sie damit Erfolg haben“, sagt Krüßmann. Er kann das Geld gut gebrauchen. Schließlich bezahlt er auch seine acht Mitarbeiterinnen weiterhin voll und hat sie auch im ersten Lockdown nicht in Kurzarbeit geschickt. Krüßmann habe sie in der Krise nicht zusätzlich belasten wollen.
Sie hätten sowieso schon ein hohes Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren: Schließlich können die Patienten bei der Zahnbehandlung keine Maske tragen. „Das kennen wir schon von Hepatitis und dem Hi-virus, die beide durch Tröpfcheninfektion übertragen werden“, sagt Krüßmann. „Deshalb waren unsere Hygienestandards schon immer sehr gut.“Doch der herkömmliche Mund-nase-schutz halte nur Tropfen ab drei Mikrometer auf. Die Aerosol-partikel seien kleiner. Der Zahnarzt wollte im März Ffp2-masken für sein Team besorgen, doch erst einmal gab es keine. Eine zeitlang konnten seine Mitarbeiterinnen und er sich nur mit dem herkömmlichen Mund-nase-schutz und einem zusätzlichen Visier schützen. Krüßmann wollte seine Praxis – im Gegensatz zu einigen anderen Zahnärzten – nicht vorübergehend schließen. „Wir haben ja einen Versorgungsauftrag und daran wollte ich mich halten“, sagt der 52-Jährige.
Inzwischen ist es leichter, an
Ffp2-masken zu kommen. Dafür mangele es jetzt an Handschuhen. „Ich kaufe sie viel öfter ein, weil man statt 50 Paketen wie vor Corona vielleicht fünf bekommt“, sagt Krüßmann. In ein paar Wochen sei es aber bestimmt wieder etwas anderes, das schwierig zu bekommen sei. Um das Infektionsrisiko noch kleiner zu halten, waschen und desinfizieren sich seine Patienten vor der Behandlung nicht nur die Hände – sie spülen auch mit einer antibakteriellen Lösung ihren Mund aus. Das helfe zwar vorrangig gegen Bakterien, verringere aber laut Krüßmann auch nachweislich die Virenlast. Deshalb bestellt er auch die Mundspülungen im großen Stil und hat in Luftreinigungsgeräte investiert, wo kein andauerndes Lüften möglich ist.
Vor der Anmeldung hängt eine Acrylglasscheibe, die meisten Patienten warten vor der Tür, dürfen nur noch zu Dritt ins Wartezimmer. Es gibt dort keine Zeitschriften mehr und da, wo mal die Spielecke für Kinder war, liegt nur noch ein Teppich mit Straßenmuster. Wann die verschärften Hygienemaßnahmen gelockert werden können, bleibt ungewiss.
Zurzeit ist nicht einmal klar, ob Zahnärzte Priorität beim Impfen haben, meldet die Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein auf ihrer Internetseite. Krüßmann und seine Kollegen können nur hoffen, dass sie 2021 nach fast einem Jahr Pandemie endlich gesundheitlich und finanziell entlastet werden.