Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Gehaltsverhandlung auf Abstand
Auch in der Corona-pandemie sollte man sich nicht scheuen, nach mehr Geld zu fragen. Tipps zum richtigen Zeitpunkt und für das Gespräch in einem Video-call gibt eine langjährige Personalerin.
Wenn Mitarbeiter aufgrund der Corona-pandemie nun schon seit Monaten im Homeoffice arbeiten, kann darunter der Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten leiden. Es fehlen der persönliche Austausch und die enge Zusammenarbeit. Viele Angestellten trauen sich in der derzeitigen Situation daher nicht, um ein Gehaltsgespräch zu bitten. Dabei kann sich die Verhandlung auch in diesen Zeiten lohnen.
„Viele Mitarbeiter warten darauf, dass sie automatisch eine Gehaltserhöhung erhalten“, weiß Karriere- und Bewerbungscoach Silke Grotegut. Sie weiß aber auch, dass dies in der Regel nicht der Fall ist. „Daher sollten Arbeitnehmer das Thema Gehaltsanpassung aktiv angehen, auch wenn es schwerfällt“, rät sie. Gut geeignet seien Zeitpunkte, in denen persönliche Erfolge vorgezeigt werden könnten. Dazu zählen beispielsweise der Abschluss eines Projekts oder die Übernahme von zusätzlichen Aufgaben oder Verantwortung.
Das Gehaltsgespräch darf nicht einfach am Ende eines Telefonats oder einer Videokonferenz stattfinden. Mitarbeiter sollten mit ihren Vorgesetzten einen konkreten Termin vereinbaren und den gewünschten Inhalt ankündigen. So bleibt genug Zeit für eine umfassende Vorbereitung. „Personaler, Führungskräfte oder Geschäftsführer haben in der Regel viel mehr Verhandlungserfahrung und sind oftmals auch darin geschult“, betont Silke Grotegut. „Ohne Vorbereitung laufen Mitarbeiter Gefahr, schnell aus der Kurve getragen zu werden.“
Frühzeitig sind daher Argumente für eine Gehaltsanpassung zu sammeln. Dazu zählen Erfolge und Leistungen, konkrete Beiträge zu Projekten oder der allgemeine Nutzen für die Firma. Habe ich meine Ziele erreicht oder sogar übertroffen? Habe ich zusätzliche Aufgaben übernommen oder für einen höheren Umsatz gesorgt?
Für ein Gehaltsgespräch per Video-call ist es sinnvoll, eine Präsentation mit den eigenen Erfolgen vorzubereiten. „Über das Teilen des eigenen Bildschirms kann der Verhandlungspartner dann die Erfolge bildlich sehen“, erklärt die Expertin das Vorgehen. Da es viel anstrengender ist, einem Video-call als einem Menschen im direkten Gespräch zu folgen, sollten Arbeitnehmer zudem auf lange Monologe verzichten und stattdessen kürzere Sätze verwenden, auf klare Formulierungen achten und ausreichend Pausen machen. Vorsicht: In der Diskussion dürfen nicht gleich alle Trümpfe ausgespielt werden. Oftmals ist es hilfreich, bei den Argumenten noch einmal nachlegen zu können.
Neben der inhaltlichen ist auch die mentale Vorbereitung nicht zu unterschätzen. Dazu müssen sich Mitarbeiter über den eigenen Marktwert im Klaren sein. „Wer selbst nicht davon überzeugt ist, dass er etwas geleistet hat und dass die Arbeit wertvoll für die Firma ist, kann seine Forderung auch nicht überzeugend verhandeln“, sagt Grotegut. „Hilfreich ist es, sich regelmäßig zu notieren, was man am Tag geschafft hat. Dieses Erfolgstagebuch ist die perfekte Grundlage.“Während der Videokonferenz unterstützen entsprechende Notizzettel auf dem Homeoffice-schreibtisch. Da zu viele Informati
onen schnell verwirren und vom Wesentlichen ablenken, sind lediglich die wichtigsten Argumente an den Rand des Bildschirms zu kleben. Sind die Post-its angebracht, sorgt Durchlüften kurz vor dem Gespräch für ausreichend Sauerstoff. Außerdem sollte ein Glas Wasser bereitstehen.
Unabhängig von den eigenen Leistungen sollten Mitarbeiter die Position der Firma in der derzeitigen Lage beleuchten. Vorsicht ist geboten, wenn das Unternehmen stark von der Corona-pandemie betroffen ist und wirtschaftliche Einbußen verzeichnet. „Niemand möchte an dem Ast sägen, auf dem er er selber sitzt“, betont Silke Grotegut. Wenn ein Mitarbeiter allerdings unverzichtbar ist, hat er auch in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit eine Chance. „So kann über Alternativen zur Lohnerhöhung verhandelt werden, wie beispielsweise Weiterbildungen, zusätzliche freie Tage oder ein Jobticket.“In diesen Fällen sind Unternehmen oftmals flexibler, da diese Leistungen aus anderen Budgettöpfen kommen.