Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ärger über den Finanzminister
Corona-hilfen kommen den Versprechen zum Trotz oft nicht an. In der Kritik steht vor allem Olaf Scholz.
DÜSSELDORF (frin/gw/mar) Der Ton zwischen der deutschen Wirtschaft und der Politik wird wegen der Probleme um die zugesagten Hilfen in der Corona-krise deutlich rauer. Die Kritik richtet sich vielfach gegen den Bundesfinanzminister und seine „Bazooka“-ankündigung. Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW, sagte auf Anfrage: „Im Handel herrschen Wut und Verzweiflung. Bei den Dezemberhilfen fallen viele Unternehmen wegen der Antragsvoraussetzungen durch den Rost, bei den Januar-hilfen ist völlig unklar, unter welchen Kriterien und wann sie gezahlt werden. Und es gibt überhaupt keine Perspektive für die Unternehmen, wann sie wieder öffnen können.“
In einer Umfrage des Branchenverbands HDE hatte es jüngst geheißen, jeder zweite Händler fürchte, ohne weitere Hilfen bis spätestens Ende des Jahres schließen zu müssen. „Der Bundesfinanzminister kündigt vollmundig und ohne Unterlass Milliarden Staatshilfen an – ohne Wirkung für den Einzelhandel! Eindringlich bitten wir Sie, darauf hinzuwirken, dass Vizekanzler Scholz für die Bundesregierung das Wort einlöst und die Finanzhilfen unkompliziert, schnell und auch tatsächlich im Handel ankommen“, hatten die Handelsverbände im Brandbrief an Bundeskanzlerin
Angela Merkel erklärt. Den Unternehmen drohen die Hilfen für den Dezember versagt zu werden, weil sie dazu 30 Prozent Umsatzeinbußen allein im Dezember nachweisen müssten, diese aber wegen der teilweisen Öffnung nicht erreicht haben.
Am Mittwoch meldeten sich andere Kritiker zu Wort. Viele bemängeln, dass beispielsweise von den angekündigten 14 Milliarden Euro Novemberhilfen erst 1,3 Milliarden Euro ausgezahlt worden seien. Dazu kommt, dass sich wie Einzelhändler auch viele Gastronomen in dem komplizierten Geflecht aus Soforthilfen, Überbrückungsgeldern und anderen Bestandteilen der Hilfsprogramme oft nicht wiederfinden und durchs Raster fallen. „Für viele Betriebe wird die Luft immer dünner, da die Hilfen nicht ankommen. Wenn sich die Auszahlung noch weiter verzögert, stehen Hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel“, erklärte der Fdp-fraktionsvize Michael Theurer. Dass die Bundesregierung rückwirkend die Regeln zuungunsten der Unternehmen geändert habe, setze „dem Ganzen die Krone auf“.
Das Bundeswirtschaftsministerium verteidigt eine nachträgliche Verschärfung der Bedingungen für coronabedingte Unternehmenshilfen im Rahmen der Überbrückungshilfen II. Die Änderung gehe auf Vorgaben der Eu-kommission im Zusammenhang mit dem Beihilferecht zurück, um auch Auszahlungen von mehr als einer Million Euro zu ermöglichen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Seit Anfang Dezember sei auf der Homepage des Ministeriums darauf hingewiesen worden, dass die Überbrückungshilfe ein Beitrag „zu den ungedeckten Fixkosten“sei. Demnach müsste ein Unternehmen Verluste nachweisen, um Hilfen zu bekommen. Das Ministerium gehe „davon aus, dass sich an der Höhe der Auszahlungen in aller Regel nichts ändern wird, weil es die Verluste gibt, die man jetzt vorweisen muss. Sonst müsste man den Antrag nicht stellen.“
Nrw-wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) kündigte an, dass die Auszahlung der Hilfsgelder an notleidende Betriebe noch in dieser Woche starten solle. „Die Verzögerungen bei den Novemberhilfen dürfen sich nicht wiederholen“, mahnte Pinkwart, der gleichzeitig mit der Komplexität der Hilfen hadert: „Es ist wirklich kompliziert geworden.“Man sei gerade dabei, eine Übersicht aller Hilfen zu erstellen und habe dabei schon ein DINA3-blatt voll – „klein geschrieben“, so Pinkwart. Durch die Vielzahl der Programme, die aufeinander abgestimmt werden müssten, sei auch die Komplexität der Software immer weiter gestiegen. „Wir brauchen weniger Komplexität“, sagte Pinkwart: „Aber hinterher ist man immer klüger.“Man müsse sich nun darauf konzentrieren, dass man Verbindlichkeit in die Abläufe bekomme.