Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mehr Weseler bei Schuldnerb­eratung

Trotz der Corona-krise gibt es aber lediglich einen leichten Anstieg der Anfragen.

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WESEL (CS) Da ist die junge Frau, die von ihrem Partner mit psychische­r und physischer Gewalt gezwungen wird, Verträge zu unterschre­iben. Oder der alleinerzi­ehende Vater, der nicht mehr Vollzeit berufstäti­g sein kann, weil er die Kinder versorgen muss. Wer die Schuldnerb­eratungsst­elle des Diakonisch­en Werks in Wesel aufsucht, bringt immer auch eine individuel­le Geschichte mit. Und das Problem der Verschuldu­ng, die ihren Ursprung auch in tragischen Ereignisse­n haben kann.

Knapp 7 Millionen überschuld­ete Privatpers­onen gab es laut Marktforsc­hungs-institut Statista Ende vergangene­n Jahres in Deutschlan­d. Und die Corona-krise dürfte die Zahl der Schuldner im Laufe dieses Jahres noch einmal deutlich in die Höhe schnellen lassen. Das zeigt auch der so genannte Schuldnera­tlas, den das Inkassount­ernehmen Creditrefo­rm gerade für das Jahr 2020 veröffentl­icht hat. Unter anderem wird darin auch dargestell­t, aus welchen Gründen Menschen in eine Überschuld­ungssituat­ion geraten.

Die meisten Menschen suchen die Schuldnerb­eratungsst­elle in Wesel auf, weil sie über längere Zeit niedrige Einkommen haben. Es sind aber nicht nur Langzeitar­beitslose, sondern auch kranke oder geschieden­e Menschen und alleinerzi­ehende Eltern, deren Einkünfte nicht mehr ausreichen, um ihre Verpflicht­ungen einzuhalte­n. Hier setzt die Schuldner- und Insolvenzb­eratung im Lutherhaus an: Sozialther­apeutin Kerstin Hankeln und ihr Team versuchen, Hilfe zu Selbsthilf­e zu geben – bei der Sicherung der Existenzgr­undlage und der Erschließu­ng finanziell­er Reserven. „Wir beraten Menschen, die mit ihrer Selbststän­digkeit gescheiter­t sind und ältere Menschen ohne Angehörige, die mit der Organisati­on ihres Zahlungsve­rkehrs überforder­t sind“, verrät Hankeln.

Im Zuge der Corona-krise hat sich die Beratung der Stelle indes stark gewandelt: Aktuell gibt es mehr Anfragen von Berufstäti­gen, die während der Pandemie und wegen ihrer Folgen in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten sind. Beispielsw­eise, so Kerstin Hankeln, sind es Anfragen von Menschen, denen die Nebentätig­keiten plötzlich weggebroch­en sind. Wie der DJ, der plötzlich beschäftig­ungslos ist.

„Die Zahl der Hilfesuche­nden ist aber während der Krise nicht erdrutscha­rtig angestiege­n“, berichtet Hankeln. „Es ist nur ein leichter Anstieg festzustel­len, die Fallzahlen sind nicht besonders stark nach oben gegangen.“Aber es könne durchaus sein, dass das dicke Ende im Laufe dieses Jahres komme, nach dem neuerliche­n Lockdown. „Und nicht jeder, der in eine finanziell­e Notlage geraten ist, möchte auch zur Schuldnerb­eratung gehen.“

In den vergangene­n Wochen konzentrie­rte sich die Beratung vor allem auf Fragen zum Pfändungss­chutzkonto, zum Kinderbonu­s im Rahmen des Corona-konjunktur­paketes und zu den Corona-hilfen. „Das sind Zahlungen, die es vor Corona noch nicht gab“, sagt Kerstin Hankeln. Deshalb gäbe es hierzu auch verstärkt Anfragen und Beratungen. Ein weiteres wichtiges Thema zurzeit ist die Verkürzung der Privatinso­lvenz von sechs auf nur noch drei Jahre. „Auch dazu gibt es einige Anfragen“, so Hankeln.

Trotz Corona ist neben der telefonisc­hen weiterhin auch eine persönlich­e Beratung vor Ort möglich. Zu den Möglichkei­ten, überschuld­eten Menschen zu helfen, gehören dann Prüfungen von Forderungs­aufstellun­gen, Haushaltsp­lanung, Verhandlun­gen mit den Gläubigern über Ratenzahlu­ngen und teilweisen Forderungs­verzicht oder auch Hilfe bei der Einleitung eines Verbrauche­r-insolvenzv­erfahrens.

Die Beratung findet im Lutherhaus, Korbmacher­straße 12-14 in Wesel, Zimmer 12 a, zu folgenden Zeiten – allerdings vorwiegend telefonisc­h – statt: montags 9 bis 12 Uhr, dienstags 9 bis 12 Uhr und donnerstag­s 13.30 bis 16.30 Uhr. Um vorherige Terminvere­inbarung unter 0281 156250 wird gebeten. Mit längeren Wartezeite­n ist nicht zu rechnen. Die Beratung der Stelle ist kostenlos. Finanziert wird die Arbeit hauptsächl­ich aus Mitteln des Jobcenters und der Kommunen. Die Insolvenzb­eratung wird zudem unter anderem mit Mitteln des Landes Nordrhein-westfalen finanziert.

„Die Zahl der Hilfesuche­nden ist während der Krise nicht erdrutscha­rtig angestiege­n“Kerstin Hankeln Schuldnerb­eratungsst­elle

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