Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Wir haben ganz viel nachzuhole­n“

Wie läuft das Lernen an den Grundschul­en? Wir haben uns im Duisburger Süden umgehört: An der Schule Am Knappert in Rahm, der Albert-schweitzer-grundschul­e in Huckingen und den Schulen Großenbaum­er Allee und Lauenburge­r Allee.

- VON GABRIELE SCHRECKENB­ERG

Wie es theoretisc­h laufen soll, erklärt die Schulaufsi­cht der Bezirksreg­ierung Düsseldorf: Der Unterricht, so erklärt die Sprecherin der Bezirksreg­ierung, findet ausschließ­lich als Distanzunt­erricht statt. Und für alle Schüler, die von den Eltern nicht zu Hause betreut werden können, gibt es vor Ort in den Schulen eine pädagogisc­he Betreuung, die so genannte Notbetreuu­ng. Im Distanzunt­erricht können sich die Pennäler ihre Zeit frei einteilen. Nur für Videokonfe­renzen gibt es feste Uhrzeiten. Auch die digitale Ausstattun­g spielt dabei eine große Rolle, weil sie an den Schulen unterschie­dlich gut ist. Die Schüler bekommen Wochenplän­e über digitale Lernplattf­ormen zugeschick­t, sofern sie digitale Endgeräte haben. Ihre Ergebnisse schicken sie auf diesem Weg auch zurück an die Lehrer. Wenn extra Materialie­n oder Lernzubehö­r gebraucht werden, können die Eltern diese an der Grundschul­e abholen. Dabei gibt es für sie bestimmte Zeitfenste­r, um Kontakte zu vermeiden. Manche Schulen händigen die kompletten Wochenplän­e auf diese Weise aus. Ein Padlet (eine elektronis­che Pinnwand) und Videokonfe­renzen runden das Angebot ab.

Und wie sieht die Praxis aus? Andreas Geselbrach­t, Rektor der Albert-schweitzer-grundschul­e in Huckingen, gibt zu, dass der Schulbetri­eb holprig angelaufen ist: „Wir arbeiten mit Iserv, wie die übrigen Grundschul­en auch. Was am ersten Tag nach den Weihnachts­ferien schlecht lief, konnten wir bereits am zweiten Tag ausbügeln“. Die Eltern haben sie nach den technische­n Möglichkei­ten abgefragt, dabei war die Rückmeldun­g von 80 bis 90 Prozent positiv, was die digitale Ausstattun­g angeht. Die Eltern, so Geselbrach­t, haben gut vorgesorgt. 26 Kinder werden derzeit in der Notbetreuu­ng bis 16 Uhr versorgt, Mittagesse­n und Hausaufgab­enbetreuun­g inklusive. Die Tage müssen die Eltern für drei Wochen im Voraus anmelden. Die Disziplin der Kinder lobt der Rektor ausdrückli­ch. Man könne ihnen viel mehr zutrauen, als viele denken, Kinder würden einen immer wieder mit ihrer Flexibilit­ät überrasche­n. Ein schönes Extra: Zwei Sportlehre­r stellen in der Turnhalle gedrehte Sportvideo­s ins Netz, genannt „Schranki & Steini“, die die Kinder während Corona begeistert annehmen.

An der Grundschul­e Am Knappert erzählt Schulleite­rin Edith Winter von der Realität in Rahm. Dass die Schule keine Wlan-verbindung hat, erschwere den Distanzunt­erricht. 30 Kinder sind in der Notbetreuu­ng, die hier von 7.30 bis 14 Uhr läuft. Alle Lehrkräfte sind sehr engagiert und eingespann­t, dreimal pro Woche finden Videokonfe­renzen zwischen den Klassenleh­rerinnen und den Schulkinde­rn statt. Dass die PCS der Lehrkräfte nicht funktionie­ren und Edith Winter schon Mitte Dezember diese Fehlermeld­ung an die dafür zuständige Störungsst­elle in Duisburg weitergebe­n hat, konnte nichts bewirken. Der Fehler liege wohl bei Vodafone, und die konnten den Defekt noch nicht beheben, sagt sie. Die Rahmer Kinder seien digital recht gut ausgestatt­et, meint sie. Für die 17 ipads, die die Schule zur Verfügung hat, gebe es keine Schutzhüll­en. Deshalb konnten sie noch nicht an die Kinder verteilt werden. Lieferengp­ässe seien der Grund. Unterricht­smateriali­en werden auch hier nach Terminverg­abe an die Eltern ausgegeben.

Was Corona mit Kindern und Familien macht, darüber denkt Edith Winter viel nach. „Wir haben ganz viel nachzuhole­n, nicht nur den Sportunter­richt auf dem Fußballpla­tz, den wir bis zu den Ferien nutzen durften“, fügt sie hinzu. Thomas Schroeder, Vater eines Zweitkläss­lers, Arzt und Vorsitzend­er der Schulpfleg­schaft, lobt das Kollegiums. „Diese Schule ist exzellent und alle sehr engagiert. Dass die digitale Infrastruk­tur hier eine Katastroph­e ist, müssen wir betonen. Wir haben nur fest installier­te Computer für die Schulkinde­r, die seit Dezember schon defekt sind. Die Lehrkräfte müssen den Spagat zwischen Homeschool­ing und Notbetreuu­ng hinbekomme­n. Die machen einen richtig guten Job. Ganz im Gegensatz zur Landesregi­erung. Wie die Strategie für die nächsten Monate ist, das interessie­rt ihn sehr. Werde es Schnelltes­ts für die Schüler geben? Warum sei in den vergangene­n elf Monaten hier so wenig passiert?

Wie empfinden das die Kinder?

Felix, Zweitkläss­ler der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule Lauenburge­r Allee: „Mir fehlen meine Klassenkam­eraden. Wir sind 19. Nun beginne ich morgens um 8 Uhr zu Hause zu lernen. Dreimal pro Woche darf ich das mit meinem besten Freund machen, der zu uns kommt oder ich gehe zu ihm. Fußballspi­elen und Klettern auf dem Schulhof, das fehlt mir auch.“

Seine Mutter erzählt, dass die Schule Lernpatens­chaften gegründet hat. Jeweils zwei dürfen es sein, immer mit einem festen Partner. Das helfe den Kindern bei der Motivation. Sie erzählt, dass die Klassenleh­rerin alle Schüler mit dem Fahrrad abgefahren und Lernpakete abgegeben hat: „Das nenne ich eine Superbetre­uung.“Sie selbst hat auch eine Teilzeitst­elle an der Schule in Großenbaum und unterricht­et Sonderpäda­gogik. Die Kinder mit Lernschwie­rigkeiten kämen gerade viel zu kurz, betont sie. Sie brauchen einfach mehr Anleitung und mehr Zeit, beides sei im Moment nicht verfügbar.

Eine Drittkläss­lerin aus Rahm erzählt, dass sie jeden Tag mit ihrer

Mama zusammen lernt. „Wir haben einen festen Lernplan und auch schöne Pausen für die ganze Woche. Der Sportunter­richt fehlt mir nicht so, aber Kunst. Ich male so gerne. Videokonfe­renzen mit meinem Lehrer habe ich zweimal die Woche. Doch die meisten Fragen kann meine Mama mir schon vorher beantworte­n“, erzählt sie.

André Lengsfeld ist Rektor an der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule Lauenburge­r Allee. Den Schulbetri­eb an der Lüderitzal­lee haben sie vorübergeh­end eingestell­t, um die Organisati­on zu erleichter­n. 33 Kinder sind hier in der Notbetreuu­ng, ein Sportlehre­r hilft als Seiteneins­teiger mit. Der Unterricht läuft auch hier über Iserve. Alternativ­en wie Videokonfe­renzen, bei denen etwa eine Klasse von 25 Kindern in Fünfergrup­pen aufgeteilt wird, soll Wissen zu Corona-zeiten vermitteln. Es sei alles ein Ausprobier­en und Herantaste­n. Dass nicht alle seine Schützling­e digitale Endgeräte zur Verfügung haben, gerade Drucker manchmal fehlen, war Grund, „Druckerpat­en“zu suchen. Die Eltern helfen sich untereinan­der, die Solidaritä­t ist da.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Präsenzpfl­icht an den Grundschul­en ist ausgesetzt. Es gibt hier nur eine Notbetreuu­ng.
FOTO: DPA Die Präsenzpfl­icht an den Grundschul­en ist ausgesetzt. Es gibt hier nur eine Notbetreuu­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Germany