Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Koch-azubi Clinton hofft auf seine Chance
Der 25-jährige Asylbewerber aus Sri Lanka lebt in der Zentralen Unterbringungs-einrichtung in Orsoy. In der Küche des Schwarzen Adlers in Vierbaum absolviert er jetzt eine Ausbildung und hofft, in Deutschland bleiben zu können.
RHEINBERG Irgendwann stand er da. Ganz allein. An einem Freitagabend in der Turnhalle am Orsoyer Sportplatz. Schaute einer Gruppe älterer Herren beim Hockeyspielen zu. Als ihn jemand ansprach und fragte, ob er ihm helfen könne, sagte der junge Mann „Basketball“. „Mehr haben wir damals nicht verstanden“, erinnert sich Fritz Wagener, der zur Sportgruppe gehört. Der junge Mann war Clinton Fernando. Ein Flüchtling aus Sri Lanka, der in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Orsoy lebt und der es nicht bereut hat, an diesem Abend in die Sporthalle gegangen zu sein. Denn dadurch kam eins zum anderen. Inzwischen absolviert er eine Ausbildung zum Koch im Schwarzen Adler in Vierbaum. Er spricht gut Deutsch, ist fleißig, gut integriert und hofft, bald als Asylbewerber anerkannt zu sein, damit er in Deutschland bleiben kann.
Clinton Fernando ist 25 und hat noch mehr Namen als diese beiden. Lange, unaussprechliche Namen, die den Umfang dieses Textes vermutlich sprengen würden. Er stammt aus einem Dorf rund 80 Kilometer von Sri Lankas Hauptstadt Colombo entfernt. Dort lebte er mit Eltern, Schwester, Bruder und Großmutter, hat eine Wirtschaftsschule besucht und drei Jahre bei einer Bank gearbeitet.
Aber für die Fernandos ist das Leben in Sri Lanka nicht leicht. Sie sind Christen, und die christliche Minderheit wird vor allem von radikalen Muslimen diskriminiert und verfolgt. Aus seiner Verwandtschaft, so erzählt der freundliche junge Mann, seien schon mehrere Mitglieder durch terroristische Übergriffe getötet worden.„deshalb habe ich mein Land verlassen“, so Clinton.
Monatelang sei er unterwegs gewesen, bis er Mitte 2019 nach Deutschland kam. „Erst nach Karlsruhe, dann nach Heidelberg, dann nach Essen und zum Schluss nach Orsoy“, so der angehende Koch. In der ZUE im alten Orsoyer Krankenhaus habe es nicht viel zu tun gegeben, erzählt er. Weil er Sport liebe, habe er nach Angeboten gesucht und sei irgendwann in der Turnhalle aufgeschlagen. Basketball sei sein Lieblingssport, aber auch Volleyball und Tischtennis mag und beherrscht er. Clinton sei eine richtige Sportskanone, bescheinigen ihm seine Orsoyer Mitspieler.
Die hatten ihn damals eingeladen, freitags immer zu kommen, sie nahmen ihn in ihrer Mitte auf. „Irgendwann haben wir mal über Arbeit und Geldverdienen gesprochen“, kann sich Fritz Wagener erinnern. Clinton sei an einem Praktikumsplatz interessiert gewesen. Wagener: „Aber das hat die Ausländerbehörde abgelehnt. In den ersten neun Monaten sei dies nicht möglich.“Auch hätte ein Praktikum keinen Einfluss auf eine eventuelle Abschiebung gehabt. Eine Ausbildung hingegen könnte zu einer längeren Aufenthaltserlaubnis führen, wenn es eine Stelle in einem anerkannten Mangelberuf gäbe. Da hatte Fritz Wagener, der auch Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft
Schwarzer Adler Vierbaum ist, eine zündende Idee. „Koch ist ein anerkannter Mangelberuf“, so der Orsoyerberger. „Und ich dachte: Vielleicht kann Clinton ja im Adler als Koch anfangen.“
Wagener tauschte sich mit Horst Vierhaus, dem „Adler-horst“, aus.
Der ist Geschäftsführer und Koch in der Vierbaumer Gaststätte und gibt zu, anfangs skeptisch gewesen zu sein. „Für mich ist das in einem so kleinen Betrieb viel Verantwortung“, sagt er. „Das kann man nur mit einem Azubi machen, der voll mitzieht. Deshalb wollte ich
Clinton erst mal auf den Zahn fühlen.“Das tat er und kam schnell zu dem Schluss: Der Junge taugt was. Horst Vierhaus:„er ist mit Feuer und Flamme dabei.“Der Adler-horst darf seit mehr als 30 Jahren ausbilden, und so machte die Genossenschaft Nägel mit Köpfen und stellte den 25-Jährigen zum 1. August 2020 als Auszubildenden ein.
Inzwischen ist Clinton aus der Adler-küche nicht mehr wegzudenken. Obwohl er nicht jeden Tag dort ist. In Duisburg-marxloh besucht er das Sophie-scholl-berufskolleg, die Berufsschule, und absolviert parallel dazu Deutsch-kurse. Der Gedanke an den Schwarzen Adler zaubert dem jungen Mann aus Sri Lanka ein Lächeln ins Gesicht. „Die Arbeit macht großen Spaß, die Kollegen sind sehr nett und Horst ist ein guter Chef“, schwärmt er. Wie in jeder Küche geht es auch mal ruppig zu, wenn es stressig wird. „Aber wir lachen auch viel“, berichtet Horst Vierhaus. Zum Beispiel, wenn Clinton Späße darüber macht, dass in Deutschland so viele Kartoffeln gegessen werden. Der Ausbilder: „Ich habe ihn irgendwann gefragt, was er gerne mal essen möchte. Er sagte: Muscheln, aber mit Kokosmilchreis. Das machen wir uns jetzt regelmäßig.“
Clintons Einfluss in der Adler-küche ist spürbar. Ceylon-reis steht auf der Speisekarte. Und ein „Tiramisu à la Clinton Fernando“gibt es ebenfalls. Im ersten Ausbildungsjahr steht, so Horst Vierhaus, die kalte Küche auf dem Lernprogramm. Salat oder eben auch Süßspeisen. „Das Tiramisu hat Clinton auf Anhieb so gut hinbekommen, dass wir es gleich mit seinem Namen auf die Karte gesetzt haben.“Der Auszubildende hat es, wie viele seiner Kreationen, fotografiert und an seine Familie in Sri Lanka geschickt. Die Verwandten freuen sich, dass Clinton es so gut in Deutschland angetroffen hat.
Wer weiß: Vielleicht gibt es irgendwann mal eine Sri-lanka-woche in der Adler-küche. Mit Clinton Fernando als Koch. Falls es dazu kommen sollte, würde der junge Mann auf jeden Fall das Nationalgericht seines Heimatlandes zubereiten. „Kirebata“, sagt Clinton. „Reis mit Kokosmilch und Chili. Das ist sehr lecker.“