Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Einzelhandel hadert mit Online-shopping
DIGITALISIERUNG Seit die meisten Geschäften am 16. Dezember schließen mussten, haben sie massive Umsatzverluste gemacht. Doch einen Online-shop aufzubauen oder sich im Internet zu präsentieren, fällt vielen Einzelhändlern schwer.
DINSLAKEN/HÜNXE/VOERDE Als Bärbel Albrecht im September ihr Modegeschäft „Blars“am Dinslakener Altmarkt neu eröffnete, ahnte sie nicht, dass sie drei Monate später wieder schließen würde. „Einen möglichen zweiten Lockdown habe ich ausgeblendet“, sagt die Designerin. Am 16. Dezember hängte sie einen Zettel mit ihrer Telefonnummer ins Schaufenster. Nur selten rufen Kunden an und bestellen Jacken aus ihrer Kollektion. Sie macht kaum Umsatz. Deshalb überarbeitet sie ihre Internetseite, möchte auch digital präsent zu sein. Sie hat gemerkt: Gegen die Internetriesen wie Amazon kommt sie kaum an. Erst recht nicht ohne einen guten Internetauftritt.
Der Lockdown hat die lokalen Einzelhändler schwer getroffen. Laut dem Handelsverband NRW Niederrhein machten die innerstädtischen Geschäfte ab dem 16. Dezember 60 Prozent Umsatzverlust, in der ersten Januarwoche waren es sogar 78 Prozent. Doch den stationären Einzelhandel ins Internet zu verlegen – das klappt nur mäßig. „Mit ihren digitalen Angeboten können die Händler im Moment nur zwölf Prozent des Umsatzsatzverlustes kompensieren“, sagt Doris Lewitzky, Geschäfsführerin des Handelsverband NRW Niederrhein.
Das hat unterschiedliche Gründe: „Viele Händler wollen keinen Online-shop, weil es sehr viel Aufwand bedeutet und sie vom persönlichen Kontakt mit den Kunden leben“, sagt Jürgen Lange-flemming, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Dinslaken. Wer seine Ware auch im Internet verkaufen wolle, hätte früher mit der Planung anfangen müssen. In einigen Branchen sei das aber auch schwierig umzusetzen.
Deshalb gebe es niedrigschwellige Angebote wie „Dinslaken bringts“. Auf dieser Internetseite, die von der Dinslakener Wirtschaftsförderung unterstützt wird, können sich alle Geschäfte mit einem kurzen Text, ihrer Telefonnummer, E-mail-adresse und der Internetseite präsentieren. Die Übersicht ist alphabetisch geordnet. Die Kunden können einfach anrufen, ihre Bestellung durchgeben und sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt kontaktlos an der Ladentür abholen oder – je nach Anbieter – sogar liefern lassen. In Dinslaken machen 140 Geschäfte mit, 90 davon in der Innenstadt. „Das Konzept nutzen wir seit dem ersten
Lockdown“, sagt Antje Vancraeyenest von der Wirtschaftsförderung Dinslaken. „In den Sommermonaten ist das ein wenig eingeschlafen, im Winter haben wir es den Händlern wieder ins Gedächtnis gerufen.“Einige hätten ihre Texte seit dem Frühjahr nicht aktualisiert.
Doch das hält die Kunden nicht davon ab, die Internetseite regelmäßig zu nutzen: Von den elf Städten, die bei dem Projekt „Deine Stadt bringts“aus Münster mitmachen, wird Dinslakens Plattform am dritthäufigsten geklickt. „Click und Collect, also Bestellen und Abholen, funktioniert in einigen Branchen sehr gut, zum Beispiel im Buchhandel“, sagt Vancraeyenest. „Doch der textile Einzelhandel tut sich schwer mit dem Prinzip, vor allem wegen der häufigen Retouren.“
Auch Hünxe setzt auf ein unbürokratisches Online-modell, den „Hünxer Markt“. Es funktioniert wie „Deine Stadt bringts“nach dem Prinzip Bestellen und Abholen, listet alle Kontaktdaten der Händler und Dienstleister auf, die mitmachen. Unter den Kategorien wie
„Heim und Haus“findet man auch Produkte und Preise. „Wir haben die Idee bereits vor zwei Jahren an die Händler herangetragen, weil wir gemerkt haben, wie wichtig der digitale Handel geworden ist“, sagt Hans Nover, Vorsitzender der Wirtschaftsgemeinschaft Hünxe. Zwar machen erst 15 von den mehr als 100 Unternehmen in der Wirtschaftsgemeinschaft mit, aber durch Corona werden es stetig mehr. Und es biete sich laut Nover auch nicht für alle Händler und Dienstleister an – manche, die international tätig seien, müssten nicht auf den Hünxer Markt zurückgreifen, um zu überleben. In den vergangenen Monaten seien aber schon einige kleinere Händler aus der Wirtschaftsgemeinschaft ausgetreten, weil ihr Geschäft die Pandemie nicht überlebt habe.
Obwohl Voerde nicht auf digitale Angebote gesetzt habe, funktioniere das Click-and-collect-prinzip hier, sagt Julia Vowinkel-hochstay von der Werbegemeinschaft Voerde. „Die Händler in der Innenstadt fahren damit gut – zumindest habe ich das so beobachtet.“Doch sie wolle nicht für alle Unternehmen sprechen. Neben ihrem Reisebüro habe zum Beispiel ein Nagelstudio eröffnet, das sofort wieder wegen des Lockdowns schließen musste. Solche Fälle stimmten sie traurig. Da könne man mit Click-undCollect nichts ausrichten.
Derweil setzt die Wirtschaftsförderung Dinslaken darauf, dass die Einzelhändler ihre digitalen Angebote weiter ausbauen: Sie empfiehlt ihnen, die kostenlosen Beratungssprechstunden des Handelsverbands NRW Niederrhein zur Digitalisierung im Einzelhandel in der kommenden Woche zu nutzen. Digitalcoach Markus Schaaf klärt mit den Teilnehmern in Einzelgesprächen am Telefon oder per Videokonferenz ihre Fragen rund um den Internetauftritt. Doch auch dieses Angebot sei nicht die Lösung aller Probleme: Lewitzky appelliert an die Politik, den Einzelhändlern endlich ein Signal zu geben, wann sie wieder öffnen dürften. „Sie brauchen Planungssicherheit, sonst ist die Gefahr einer Insolvenz groß“, sagt die Geschäftsführerin des Handelsverbands NRW Niederrhein.
Das sieht Modehändlerin Bärbel Albrecht genauso. Die Digitalsprechstunde vom Handelsverband möchte sie trotzdem ausprobieren: „Ich bin offen dafür, etwas Neues zu lernen“, sagt sie. „Und wenn es meinem Geschäft hilft, umso besser.“