Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein Testlauf durch das Impfzentru­m

Am 8. Februar sollen ab 14 Uhr die ersten von kreisweit 36.000 Senioren über 80 in der Weseler Niederrhei­nhalle gegen das Coronaviru­s geimpft werden. Unser Reporter hat vor Ort getestet, wie die Wege vom Eingang bis zur Spritze im Impfzentru­m verlaufen.

- VON KLAUS NIKOLEI

Unser Reporter hat vor Ort getestet, wie die Wege vom Eingang bis zur Spritze verlaufen. Am 8. Februar soll das Zentrum öffnen.

Sie fragt mich nach Vorerkrank­ungen, ob ich Allergien habe oder blutverdün­nende Medikament­e einnehme

Am 8. Februar um genau 14 Uhr erwartet das Impfzentru­m in der Weseler Niederrhei­nhalle die ersten vier Senioren über 80, die einen Termin bekommen haben und sich gegen Covid-19 impfen lassen wollen. Um 14.04 Uhr sollen dann bereits die nächsten vier Senioren im Vorzelt an der Halle in Empfang genommen werden.

Der Kreis Wesel hat zusammen mit den Maltesern, dem Roten Kreuz und der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) in den vergangene­n Tagen den Ernstfall geprobt und ist überzeugt, dass die Abläufe nun optimiert sind und eigentlich nichts mehr schief gehen kann. Doch hat das Organisati­onsteam wirklich an alles gedacht? Wie geht man mit Menschen mit Behinderun­gen um? Was passiert, wenn jemand seine Unterlagen vergessen hat?

Ich gehöre zu den Journalist­en, denen der Kreis Wesel die Möglichkei­t gibt, vorab das Impfzentru­m zu besuchen und mir eine eigene Meinung zu bilden. Für den Praxistest nehme ich eine Stunde lang eine neue Identität an. Statt knapp 55 bin ich jetzt von einer Sekunde auf die andere 30 Jahre älter. Mein Gedächtnis funktionie­rt auch mit fast 85 noch. Mein Hüftleiden hat dazu geführt, dass ich auf einen (faltbaren) Rollator angewiesen bin.

Zur Niederrhei­nhalle habe ich mich von einem Krankenfah­rdienst bringen lassen und hoffe, dass die Kasse die Kosten übernimmt.

Mein Wunsch, mit dem vom Golfclub Weselerwal­d zur Verfügung gestellten Caddy am Parkplatz der nahen Rundsporth­alle abgeholt zu werden, wird erfüllt. Fahrer Rüdiger Duddek vom Roten Kreuz hilft mir beim Einsteigen. „Festhalten, und los geht die wilde Fahrt“, sagt er. Meinen (imaginären) Rollator hat er irgendwie verstaut. In wenigen Sekunden sind wir am Vorzelt des Impfzentru­ms. Duddek hilft mir beim Aussteigen, wünscht einen guten Tag. Ich desinfizie­re meine Hände und werde von Julia Heßling empfangen.

Als Redakteur im Ruhestand frage ich sie natürlich aus und erfahre, dass sie in Garmisch eine Ausbildung als Holzbildha­uerin absolviert hat und nun eine zweite Ausbildung als Ergotherap­eutin beginnen will. Bis zum Start im Herbst ist sie für die Malteser im Impfzentru­m im Einsatz. Die 24-Jährige aus Raesfeld bittet mich um meine Unterlagen (die mir meine Tochter ausgefüllt hat), und fragt nach meinem Ausweis. Den habe ich nicht dabei. Und jetzt?

„Eine Krankenkas­senkarte oder ein Führersche­in würde reichen.

Oder Sie gehen zu den Kollegen der KV, da stehen Sie ja im Computer.“Wir tun mal so, als hätte ich meine Krankenkas­senkarte dabei. Dann misst sie meine Temperatur. „36,2. Sehr gut. Haben Sie Schnupfen, Husten, ein Kratzen im Hals?’“Hab ich alles nicht. Sie nickt. Auf meine Unterlagen bekommen ich einen kleinen Aufkleber mit Barcode. Julia Heßling wünscht mir einen schönen Tag und übergibt mich in die Obhut einer Kollegin.

„Guten Tag, ich bin Diana Schröder“, sagt die gelernte Behinderte­n-betreuerin aus Hamminkeln. „Sind Sie meine Impflotsin?“, will ich wissen.„wenn Sie nichts dagegen haben, sehr gerne.“Ich habe nichts dagegen und folge ihr ein paar Meter weiter ins Niederrhei­nhallen-foyer, wo ich schon wieder eine Frau kennenlern­e. An einem Schalter bittet die gelernte Altenpfleg­erin Maria-stela Nastase von den Maltesern um meine Unterlagen. Der Barcode wird eingescann­t. „Jetzt sind Sie registrier­t“, sagt sie. Ich folge Diana Schröder unauffälli­g und meinem Alter gemäß sehr langsam zur nächsten Station. „Guten Tag, Herr Nikolei.“

Hinter eine Acrylglass­cheibe sitzt Jan Matschke, Mitarbeite­r der KV. Ihn kenne ich noch aus der Zeit, als er Sachkundig­er Bürger der SPD in Wesel war. „Ich schaue jetzt, ob alle Angaben in Ordnung sind, dann bekommen Sie die Impfbesche­inigung und es geht dann weiter.“Da alles in Ordnung ist, werde ich in den Bereich 4c gebracht. Hier sieht es ein wenig aus wie bei C&A im Bereich der Umkleideka­binen.

Meine Impflotsin bittet mich, in der Kabine auf einem Stuhl Platz zu nehmen und hilft mir, meinen linken Oberarm frei zu machen. Das ist nicht so leicht, da ich zwei Pullis übereinand­er trage. Dann betritt Ärztin Katrin Marschner die Kammer. Sie ist sehr nett und fragt: „Sie möchten also gerne gegen Corona geimpft werden. Haben Sie noch Fragen?“Die habe ich.

Zum Beispiel, was alles passieren könnte. Sie setzt sich. Jetzt sind wir auf Augenhöhe. Sie fragt mich nach möglichen Vorerkrank­ungen, ob ich Allergien habe oder blutverdün­nende Medikament­e einnehme. Nein. Dann sagt sie: „Es passiert nichts. Außer vielleicht ein Bluterguss oder eine Rötung an der Einstichst­elle.“Sie rät dazu, den geimpften Arm möglichst zwei Tage nicht übermäßig zu belasten und das Angebot anzunehmen, im Parkettsaa­l der Halle sich 30 Minuten lang auszuruhen und etwas zu trinken. „Falls es zu Problemen kommen sollte, gibt es dort Kollegen, die Ihnen helfen.“

Dann desinfizie­rt sie meinen Oberarm und tut so, als würde sie mich impfen – und ich tue so, als würde ich mich vor dem Einstich fürchten. „Sehen Sie, das hat gar nicht weh getan“, sagt sie und betont, dass es wichtig sei, den zweiten Impftermin in drei Wochen wahrzunehm­en. „Nach insgesamt vier Wochen hat man dann eine 95- bis 98-prozentige Sicherheit, nicht mehr an Corona zu erkranken. Trotzdem sollte man auch danach Masken tragen und Abstand halten – schon wegen der anderen.“Wir verabschie­den uns, meine Impflotsin hilft mir beim Ankleiden und dann geht es in Richtung Parkettsaa­l. Der Weg dorthin ist mit Pfeilen auf dem Boden nicht zu verfehlen.

Nochmal werden meine Unterlagen gescannt. Dann heißt es Abschied nehmen von Diana Schröder, die bewiesen hat, dass sie mit alten Leuten umgehen kann. Wir wünschen einander alles Gute und schon nimmt mich ein junger Mann vom Roten Kreuz in Emfpang. „Wie geht es Ihnen? Möchten Sie etwas zu trinken?“Gerne, einen Kaffee. Ich nehme Platz in einer Art Fernsehses­sel. Wenn ich wirklich geimpft worden wäre, könnte ich jetzt hier 30 Minuten lang ausruhen.

Stattdesse­n verwandele ich mich wieder in den Reporter und bekomme von Frank Brändel vom Kreis die Informatio­n, dass die Betriebsze­iten des Impfzentru­ms ab dem 8. Februar montags, mittwochs, freitags, samstags und sonntags von 14 bis 20 Uhr sind. Alle vier Minuten werden vier Senioren von ihren Impflotsen willkommen geheißen – 350 am Tag. Jedenfalls in den ersten 14 Tagen. Brändel ist überzeugt, dass durch die Probeläufe „alle Kinderkran­kheiten ausgemerzt sind“. Nach den ersten Tagen müsse eine Bilanz gezogen und im Zweifel nachjustie­rt werden.

Nach gut 45 Minuten werde ich zum Ausgang geleitet. Noch einmal werden meine Unterlagen gescannt. Dann geht’s ab zum Caddy. Rüdiger Duddek wartet schon und fährt mich Richtung Parkplatz. Ich bin froh, dass alles reibungslo­s gelaufen ist. In drei Wochen sehen wir uns wieder. Ach, nein, ich bin ja jetzt wieder knapp 55. Wahrschein­lich bin ich erst im Herbst wieder im Impfzentru­m, wenn genügend Impfstoff vorhanden ist, und die Babyboomer-jahrgänge an der Reihe sind. Ich freu’ mich drauf.

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FOTO: KW Bei Rp-redakteur Klaus Nikolei wird am Eingang des Impfzentru­ms von Julia Heßling Fieber gemessen.

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