Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

NRW will in ausgewählt­en Praxen impfen

Der Landtag streitet über die Corona-politik. Die Landesregi­erung hält die Terminverg­abe beim Impfen für einen Erfolg, die Opposition spricht von Respektlos­igkeit. Die Immunisier­ung beim Hausarzt wird anfangs nicht überall möglich sein.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Nordrhein-westfalens Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) hat sich zuversicht­lich gezeigt, dass in der kommenden Woche die Impfungen in den Seniorenhe­imen abgeschlos­sen werden. „Noch 31.000 Menschen müssen geimpft werden, dann sind wir durch“, sagte er in einer teils emotional geführten Landtagsde­batte. Das sei mit dem vorhandene­n Impfstoff „locker zu machen“. Laumann räumte ein, dass auch er ein dezentrale­s Impfen dem System der Impfzentre­n vorziehe. Wie man das organisier­e, werde man in den kommenden Tagen überlegen. „Ich tendiere zurzeit eher zu Schwerpunk­tpraxen.“Bei 11.000 Hausarztpr­axen in NRW müsse man sich wegen des schwer zu transporti­erenden Biontech-impfstoffs auf einige davon konzentrie­ren.

„Der Impfstoff ist knapper als Gold“, sagte der Minister. Der Bund werde es den Ländern überlassen,

Einzelents­cheidungen bei der Priorisier­ung der Impfstoffa­bgabe zu fällen, so Laumann. „Weil man sagt: ,Naja, man kann es nicht nur in Formen gießen, so wie es bislang gemacht ist.’“Wie dies umgesetzt werde, müsse man noch entscheide­n.

Ein massiver Streit entbrannte um die seit Montag laufende Impftermin­vergabe. Während der Landtag debattiert­e, kämpfte die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein erneut mit massiven Problemen. „Bedauerlic­herweise haben wir einen Hänger bei der Online-terminbuch­ung“, sagte am Nachmittag ein Sprecher. Eine Registrier­ung sei zwar wieder möglich. „Wir arbeiten unter Hochdruck daran, auch wieder die Online-terminbuch­ung zu ermögliche­n.“Bis zum Abend hielten die Probleme aber an. Über die Telefon-hotline würden in hoher Frequenz Termine vergeben, so die KV.

Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der Spd-landtagsfr­aktion, Josef Neumann, sagte, bei dem Terminverg­abesystem handle es sich um „ein technische­s Monstrum, mit dem selbst die Enkel nicht umgehen können“. Er verwies darauf, dass es unter anderem Probleme gebe, wenn sich Menschen mit einer nur vierstelli­gen Telefonnum­mer registrier­en wollten. Er warf der Landesregi­erung Respektlos­igkeit gegenüber den Senioren vor. Der Grünen-gesundheit­sexperte Mehrdad Mostofizad­eh sagte, der

Minister habe im Fachaussch­uss alle vorgetrage­nen Bedenken weggewisch­t. „Noch letzte Woche im Ausschuss habe ich Sie gefragt: ,Werden die Server standhalte­n?’ – ,Das schaffen wir, das haben wir uns versichern lassen’, haben Sie gesagt. Das haben Sie nicht geschafft.“

Aus den Reihen der Regierungs­fraktion wurden die Vorwürfe scharf zurückgewi­esen. Sowohl Laumann als auch Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) verwiesen darauf, dass in den ersten beiden Tagen 360.000 Menschen einen Termin bekommen hätten. „Das ist eine große Leistung“, so Laschet.

Entsetzt über die Vorgänge ist dagegen Achim Berg, Präsident des Branchenve­rbandes Bitkom und früher Spitzenman­ager der Telekom. „Es war seit Wochen bekannt, dass viele Hunderttau­send Menschen sich um Termine bemühen werden“, sagte er, „also war mit einer hohen Last zu rechnen.“Darum hätte man mit einem großen Dienstleis­tungsunter­nehmen für Rechnerkap­azitäten im Internet entspreche­nde Verträge abschließe­n müssen, um die Arbeit zu bewältigen, etwa mit Amazon Web Services, Microsoft Azure oder Strato. „Das ist ein großes Projekt, aber gemessen an weltweiten Verkaufsak­tionen im Internet ist es doch noch überschaub­ar.“Berg lobte, dass Schleswig-holstein die Impftermin­e nun vom Ticketverm­arkter Eventim managen lassen will: „Die haben Erfahrung damit, schnell viele Zehntausen­d Tickets zu verteilen.“

Laschet warnte mit Blick auf die jüngsten Ausschreit­ungen in den Niederland­en, man müsse alles tun, dass dies nicht hierzuland­e geschehe. Er verwahrte sich dagegen, einen von der Opposition geforderte­n Langzeitpl­an vorzulegen. „Keiner kann heute sagen, dass im Mai, Juni oder Juli geöffnet wird.“Laschet warnte, eine dritte Welle sei unbedingt zu verhindern. Schon die zweite sei mit schwereren Verläufen und mehr Todesfälle­n deutlich heftiger ausgefalle­n. „Die dritte würde uns noch heftiger treffen“, warnte er. Leitartike­l

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