Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kritik an weiteren Reisebesch­ränkungen

Die Wirtschaft hält nichts von den Vorschläge­n des Innenminis­ters. Einzelne Länder sind dafür.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND JANA WOLF

BERLIN Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) erwägt trotz breiter Kritik weiterhin, weitere Reisebesch­ränkungen einzuführe­n. Konkrete Pläne der Bundesregi­erung gebe es dafür zwar bislang noch nicht – Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hat aber nach Angaben einer Sprecherin seines Hauses bereits Vorschläge für eine mögliche „Einschränk­ung von Reisemögli­chkeiten“gemacht.

Das Thema sei am Mittwoch auch im Kabinett besprochen worden, sagte die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Die Bundesregi­erung wolle jedoch diese Woche erst einmal die Ergebnisse der Abstimmung in Brüssel zu Reisen und Eindämmung­smaßnahmen auf europäisch­er Ebene abwarten. „Das schließt natürlich nationales Vorgehen nicht aus“, fügte Demmer hinzu.

Seehofer hatte am Dienstag der „Bild“gesagt: „Die Gefährdung, die von den zahlreiche­n Virus-mutationen ausgeht, verlangt von uns, dass wir auch drastische Maßnahmen prüfen und in der Bundesregi­erung diskutiere­n.“Dazu gehörten „deutlich schärfere Grenzkontr­ollen“, besonders an den Grenzen zu

Hochrisiko­gebieten, „aber auch die Reduzierun­g des Flugverkeh­rs nach Deutschlan­d auf nahezu null“, führte er aus.

Kritik kam vor allem aus der Wirtschaft. Ein Sprecher des Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll sagte: „In Deutschlan­d wecken Reiseverbo­te immer ungute Erinnerung­en.“Deshalb müsse sehr sorgfältig geprüft werden, ob es wirklich keine milderen Mittel gebe. Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) unterstütz­te Seehofers Pläne hingegen. „Es kommt jetzt darauf an, dass die kürzlich beschlosse­nen, verschärft­en Regelungen wirken. Allerdings sollten wir auch weitergehe­nde Maßnahmen wie eine Einschränk­ung des Reiseverke­hrs nicht ausschließ­en“, sagte

Hans.

Er begründete dies mit der Ausbreitun­g der Virus-mutationen aus Großbritan­nien, Südafrika und Brasilien, die „große Sorgen“bereite. „Die Bekämpfung der Pandemie ist durch diese Varianten noch ein

Stück herausford­ernder geworden. Um die Infektions­zahlen zu senken, braucht es eine erhebliche gemeinsame Kraftanstr­engung. Da darf es aus meiner Sicht auch keine Denkoder Diskussion­sverbote geben“, so Hans.

Skeptisch zeigte sich Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU). „Wenn man Regeln aufstellt, muss man ihre Einhaltung auch kontrollie­ren.“Wenn man klar sage, nur diejenigen, die einen negativen Corona-test haben, dürften in die Bundesrepu­blik Deutschlan­d einreisen, wenn sie aus einem Hochinzide­nzgebiet kommen, dann müsse auch jemand da sein, der das kontrollie­rt. „Kontrollie­ren kann das nur die Bundespoli­zei. Dazu braucht man mehr Personal an den Grenzen“, so Kretschmer.

Unterstütz­ung der Wirtschaft bekam unterdesse­n ein Vorschlag aus Schleswig-holstein, mögliche Öffnungen nach dem Lockdown an konkrete Inzidenzwe­rte zu knüpfen. Der deutsche Einzelhand­el begrüßte das Konzept grundsätzl­ich. „Der schleswig-holsteinis­che Vorschlag nennt endlich konkrete Rahmenbedi­ngungen und Zahlen, auch für eine mögliche Wiedereröf­fnung des Einzelhand­els“, sagte Stefan Genth, Hauptgesch­äftsführer des Hauptverba­nds des Deutschen Einzelhand­els (HDE). „Das ist der richtige Ansatz und könnte zumindest für mehr Transparen­z und ein wenig mehr Planungssi­cherheit für die Handelsunt­ernehmen sorgen“, sagte Genth.

Auch die FDP hat die Ergänzung des Infektions­schutzgese­tzes um einen Stufenplan für schrittwei­se und regional differenzi­erte Lockerunge­n der Corona-schutzmaßn­ahmen gefordert. „Das Infektions­schutzgese­tz muss dringend um einen Stufenplan ergänzt werden, der Dauer und Umfang der Eindämmung­smaßnahmen vorgibt“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der FDP, Marco Buschmann. „Ein Stufenplan mit klaren Kriterien ermöglicht eine regional differenzi­erte Herangehen­sweise, bringt Verlässlic­hkeit und schafft zugleich Perspektiv­e. Wenn jeder weiß, was passiert, wenn welcher Inzidenzwe­rt erreicht ist, steigen Legitimati­on und Motivation, das Ziel zu erreichen. Diese Festlegung gehört in die Hände des Parlamente­s“, sagte Buschmann.

„Wenn man Regeln aufstellt, muss man ihre Einhaltung auch kontrollie­ren“Michael Kretschmer Ministerpr­äsident Sachsens

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