Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kritik an weiteren Reisebeschränkungen
Die Wirtschaft hält nichts von den Vorschlägen des Innenministers. Einzelne Länder sind dafür.
BERLIN Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erwägt trotz breiter Kritik weiterhin, weitere Reisebeschränkungen einzuführen. Konkrete Pläne der Bundesregierung gebe es dafür zwar bislang noch nicht – Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat aber nach Angaben einer Sprecherin seines Hauses bereits Vorschläge für eine mögliche „Einschränkung von Reisemöglichkeiten“gemacht.
Das Thema sei am Mittwoch auch im Kabinett besprochen worden, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Die Bundesregierung wolle jedoch diese Woche erst einmal die Ergebnisse der Abstimmung in Brüssel zu Reisen und Eindämmungsmaßnahmen auf europäischer Ebene abwarten. „Das schließt natürlich nationales Vorgehen nicht aus“, fügte Demmer hinzu.
Seehofer hatte am Dienstag der „Bild“gesagt: „Die Gefährdung, die von den zahlreichen Virus-mutationen ausgeht, verlangt von uns, dass wir auch drastische Maßnahmen prüfen und in der Bundesregierung diskutieren.“Dazu gehörten „deutlich schärfere Grenzkontrollen“, besonders an den Grenzen zu
Hochrisikogebieten, „aber auch die Reduzierung des Flugverkehrs nach Deutschland auf nahezu null“, führte er aus.
Kritik kam vor allem aus der Wirtschaft. Ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall sagte: „In Deutschland wecken Reiseverbote immer ungute Erinnerungen.“Deshalb müsse sehr sorgfältig geprüft werden, ob es wirklich keine milderen Mittel gebe. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) unterstützte Seehofers Pläne hingegen. „Es kommt jetzt darauf an, dass die kürzlich beschlossenen, verschärften Regelungen wirken. Allerdings sollten wir auch weitergehende Maßnahmen wie eine Einschränkung des Reiseverkehrs nicht ausschließen“, sagte
Hans.
Er begründete dies mit der Ausbreitung der Virus-mutationen aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien, die „große Sorgen“bereite. „Die Bekämpfung der Pandemie ist durch diese Varianten noch ein
Stück herausfordernder geworden. Um die Infektionszahlen zu senken, braucht es eine erhebliche gemeinsame Kraftanstrengung. Da darf es aus meiner Sicht auch keine Denkoder Diskussionsverbote geben“, so Hans.
Skeptisch zeigte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Wenn man Regeln aufstellt, muss man ihre Einhaltung auch kontrollieren.“Wenn man klar sage, nur diejenigen, die einen negativen Corona-test haben, dürften in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, wenn sie aus einem Hochinzidenzgebiet kommen, dann müsse auch jemand da sein, der das kontrolliert. „Kontrollieren kann das nur die Bundespolizei. Dazu braucht man mehr Personal an den Grenzen“, so Kretschmer.
Unterstützung der Wirtschaft bekam unterdessen ein Vorschlag aus Schleswig-holstein, mögliche Öffnungen nach dem Lockdown an konkrete Inzidenzwerte zu knüpfen. Der deutsche Einzelhandel begrüßte das Konzept grundsätzlich. „Der schleswig-holsteinische Vorschlag nennt endlich konkrete Rahmenbedingungen und Zahlen, auch für eine mögliche Wiedereröffnung des Einzelhandels“, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE). „Das ist der richtige Ansatz und könnte zumindest für mehr Transparenz und ein wenig mehr Planungssicherheit für die Handelsunternehmen sorgen“, sagte Genth.
Auch die FDP hat die Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes um einen Stufenplan für schrittweise und regional differenzierte Lockerungen der Corona-schutzmaßnahmen gefordert. „Das Infektionsschutzgesetz muss dringend um einen Stufenplan ergänzt werden, der Dauer und Umfang der Eindämmungsmaßnahmen vorgibt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann. „Ein Stufenplan mit klaren Kriterien ermöglicht eine regional differenzierte Herangehensweise, bringt Verlässlichkeit und schafft zugleich Perspektive. Wenn jeder weiß, was passiert, wenn welcher Inzidenzwert erreicht ist, steigen Legitimation und Motivation, das Ziel zu erreichen. Diese Festlegung gehört in die Hände des Parlamentes“, sagte Buschmann.
„Wenn man Regeln aufstellt, muss man ihre Einhaltung auch kontrollieren“Michael Kretschmer Ministerpräsident Sachsens