Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Neue Angst vorm gläsernen Bürger
Das jetzt verabschiedete Gesetz zum neuen Registersystem teilt jedem Deutschen eine Personenidentifikationsnummer zu. Datenschützer sind entsetzt darüber.
BERLIN Ausgerechnet das Gesetz, das die Bürokratie in Deutschland entschlacken und in die Zukunft führen soll, könnte bürokratischer nicht klingen: Registermodernisierungsgesetz. Die Bundesregierung will damit den Austausch von Daten zwischen verschiedenen Behörden erleichtern. Dafür soll die Steueridentifikationsnummer (Steuer-id) zu einer bundesweit einheitlichen Personenkennzahl ausgeweitet werden.
Das soll es Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung erleichtern, auf Daten zu einer Person bei einer anderen Behörde zuzugreifen – und damit bestenfalls Behördengänge beschleunigen. An diesen Donnerstagabend soll das Gesetz im Bundestag abschließend beraten und beschlossen werden.
Die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), sieht darin einen „ganz wichtigen Meilenstein für digitale Verwaltungsleistungen in Deutschland“. Datenschützer hingegen wollen das Gesetz in seiner jetzigen Form unbedingt auf den letzten Metern verhindern. Denn aus Sicht der Kritiker birgt das Gesetz, das im Bundesinnenministerium entworfen wurde, die Gefahr des gläsernen Bürgers. Ohne viel Aufwand könne sich der Staat ein detailliertes, aufschlussreiches Bild einer Person verschaffen, so ein zentrales Argument der Gesetzesgegner. Besonders die Verwendung der Steuer-id stößt dabei auf scharfe Kritik. Nach Auffassung des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber wäre diese sogar verfassungswidrig. „Es ist kein ausreichender Schutz vor Missbrauch des Systems geplant. Dadurch wird der besonders geschützte geistige Innenraum der Bürgerinnen und Bürger gefährdet“, sagte Kelber unserer Redaktion.
Konkret sieht das Gesetz in seiner jetzigen Form vor, Informationen aus 56 staatlichen Datenbanken und Registern miteinander zu verbinden. Dazu zählen etwa das Melderegister, das Ausländerzentralregister, bestimmte Dateien der Rentenversicherung, das nationale Waffenregister, das Insolvenzregister sowie das Versichertenverzeichnis der Krankenkassen. In all diesen Registern soll laut dem Gesetzesvorhaben künftig die Steuer-id gespeichert werden. Damit der vereinfachte Zugriff jedoch möglich wird, müsste die betroffene Person noch zustimmen. Jeder Bürger soll zudem einsehen können, welche Behörde welche Daten austauscht.
Den Kritikern reicht dies jedoch nicht aus. Kelber spricht sich dafür auch, anstelle der Nutzung der Steuer-id als bundesweiter Kennung bereichsspezifische Kennziffern zu nutzen. Der Alternativvorschlag sieht vor, dass verschiedene Datenregister jeweils eigene Personenkennziffern erhalten würden. „Ich hoffe, dass der Gesetzgeber noch einmal Änderungen am Registermodernisierungsgesetz vornimmt“, betonte Kelber. „Ansonsten bin ich sehr sicher, dass dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht landet“, sagte er.
Die Innenausschuss-vorsitzende Andrea Lindholz (CSU) beruft sich auf den Nationalen Normenkontrollrat. Dieser bewertete das Gesetzesvorhaben in einer Stellungnahme von Mitte Dezember 2020 nicht nur als verfassungskonform, sondern sehe dessen Umsetzung sogar als verfassungsrechtlich geboten an: „Ein Personenkennzeichen ist zwingende erforderlich, um E-government überhaupt zu ermöglichen“, sagte Lindholz unserer Redaktion. „Eine Datenzusammenführung auf Knopfdruck wird es mit diesem Gesetz nicht geben“, betonte sie.