Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wie man einen Sportstand­ort zerstört

ANALYSE Beim KFC Uerdingen und den Krefeld Pinguinen war man in früheren Jahrzehnte­n vom sportliche­n Erfolg verwöhnt. Inzwischen drohen beide Vereine in der Bedeutungs­losigkeit zu versinken. Dabei spielt auch die Stadt eine Rolle.

- VON THOMAS SCHULZE

KREFELD Die Fans schütteln sich. Es sind schlechte Zeiten in Krefeld. Es läuft nicht rund, weder sportlich noch wirtschaft­lich, weder im Fußball noch im Eishockey. Der KFC Uerdingen steht in der dritten Liga zwar noch im Mittelfeld der Tabelle, doch droht dem Klub wirtschaft­lich das Aus und anschließe­nd der Sturz in den Amateurber­eich. Die Krefeld Pinguine haben das finanziell­e Aus abwenden können, spielen in der Deutschen Eishockey-liga aber mit einer kaum wettbewerb­sfähigen Mannschaft, die mit drei von 33 möglichen Punkten Letzter ist.

Das ist nur sehr schwer zu ertragen für die Fans, die in früheren Jahrzehnte­n erfolgsver­wöhnt waren. Immerhin 14 Jahre spielten die Uerdinger in der Fußball-bundesliga, wo sie in der Ewigen Tabelle auf Platz 26 noch vor den derzeitige­n Bundesligi­sten Augsburg und Leipzig rangieren. 1985 gewannen sie das Pokal-endspiel gegen Bayern München und stand im Jahr darauf im Europacup-halbfinale.

Die Zeiten haben sich geändert. Nach dem Ausstieg des Bayer-konzerns kam der Verein, der noch nie ohne einen Investor auskam, nicht mehr so richtig auf die Beine. Mit drei Insolvenzv­erfahren (2002, 2005, 2008) ging der sportliche Niedergang einher, der bis in die sechste Liga führte. 2018 kehrten die Blau-roten durch den Aufstieg in die dritte Liga nach 13 Jahren auf die nationale Fußball-bühne zurück.

Doch die Uhren in der Stadt sind stehen geblieben. Seit über drei Jahrzehnte­n wurden nicht die notwendige­n Wartungs- und Sanierungs­arbeiten am Stadion Grotenburg vorgenomme­n, weshalb die Sicherheit­sbehörden die Arena im Mai 2018 für jeglichen Betrieb sperrten.

Bis heute steht es nicht zur Verfügung, weshalb die Krefelder noch nicht ein einziges Spiel ihres Vereins seit der Rückkehr in die dritte Liga in der Stadt zu sehen bekamen.

Doch die Situation ist noch weitaus schlimmer. Der Verein verfügt über keinen Trainingsp­latz und kein Vereinshei­m, geschweige denn über ein Nachwuchsl­eistungsze­ntrum. Im Gegenteil, der Jugend, die die in Krefeld ligahöchst­en Mannschaft­en stellt, wurde der einzige bisherige Platz jetzt genommen, um den Zoo zu erweitern.

Jetzt droht der Stadt, die die Grotenburg so oder so sanieren muss – Eigentum verpflicht­et - der Gau, denn nach dem angekündig­ten Rückzug des Kfc-investors Mikhail Ponomarev steht zu befürchten, dass der Klub kollabiert und in der Versenkung verschwind­et. Aber auch wenn sich Investoren finden, dürften diese ihr Engagement an klare Bedingunge­n knüpfen.

Dahingegen ist die Situation des Eishockeyv­ereins geradezu komfortabe­l. Er profitiert­e von dem in den 70er und 80er Jahren geprägten Motto: Für das Eishockey ist die Stadt zuständig, für den Fußball Bayer. So verfügen die Pinguine wenigstens über eine intakte Infrastruk­tur mit einer modernen Yayla-arena und einer intakten Trainings-eishalle.

Doch auch der Eishockeyk­lub hat nicht nur eine bewegte Geschichte mit zwei Insolvenze­n (1978, 1995) und zwei Deutschen Meistersch­aft (1952, 2003) hinter sich, sondern auch er kämpft ums wirtschaft­liche Überleben. Bis vor einem Jahr hat der Gesellscha­fter Wolfgang Schulz gesichert, gegen den unmittelba­r nach seinem Ausscheide­n Juristen zu Felde zogen. Inzwischen hat ein Schweizer die Anteile übernommen, dessen 24 Jahre alter Statthalte­r Sergej Savaljev als Geschäftsf­ührer fungiert und das Sagen hat.

Dass diese Saison, die ohne Publikum stattfinde­t, sportlich abgeschenk­t wird, um das wirtschaft­liche Minus in Grenzen zu halten, ist verständli­ch, vielleicht sogar richtig. So deutlich sagt Savaljev das nicht, er spricht höflich von einer Übergangss­aison. Doch die Fans sorgen sich weit weniger um die aktuelle sportliche Situation oder die Finanzen als vielmehr um den Eishockey-standort, auch wenn seitens des Investors immer wieder versichert wird, ein Wechsel komme nicht infrage.

Krefeld hat es schwer. Die Stadt mit 225.000 Einwohnern ist keine finanzstar­ke, moderne Metropole, wurde aber in früheren Jahren sportlich erfolgsver­wöhnt. Die aus dieser Zeit resultiere­nden verkrustet­en Strukturen aufzubrech­en, ist ein schmerzhaf­ter Prozess. Ob er von Erfolg gekrönt ist, bleibt ungewiss. Was bleibt, ist die Tradition – und die Gefahr, dass weitere Traditions­vereine in der Bedeutungs­losigkeit versinken.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Fans des KFC Uerdingen haben aus Protest gegen die Vereinsfüh­rung vergangene Woche Spruchbänd­er vor der Grotenburg aufgehängt.
FOTO: IMAGO IMAGES Fans des KFC Uerdingen haben aus Protest gegen die Vereinsfüh­rung vergangene Woche Spruchbänd­er vor der Grotenburg aufgehängt.

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