Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Szenarien für Olympia in Tokio
Die japanische Regierung und das IOC halten trotz der anhaltenden Corona-pandemie an den Sommerspielen fest. Aber mit welchen Einschränkungen für die Athleten und Fans könnten sie überhaupt stattfinden?
TOKIO (dpa) Für Thomas Bach gibt es keinen Zweifel. „Die Athleten werden am 23. Juli voller Stolz ins Olympiastadion von Tokio einlaufen und in die Welt eine Botschaft von Widerstandsfähigkeit, Leidenschaft und olympischen Werten senden“, sagt der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Doch bevor sich die Ioc-exekutive am Mittwoch erneut zu Beratungen um die bedrohliche Lage in Japan traf, waren die Sorgen um eine Komplett-absage der schon einmal verschobenen Sommerspiele größer denn je. Die wichtigsten Fragen:
Was spricht gegen die Austragung der Tokio-spiele? In Japan und vielen Ländern ist die Zahl der Corona-infektionen bedrohlich hoch. Die Verbreitung noch ansteckenderer Virus-mutationen schürt die Furcht vor einer weiteren Verschärfung der Krise. Für den Großraum Tokio ist der Notstand ausgerufen, Ausländern ist vorerst die Einreise untersagt. Die als Olympia-testlauf für Anfang März im Aquatics Center geplante Qualifikation der Synchronschwimmer wird wohl verschoben. In Umfragen hat sich eine klare Mehrheit der Japaner gegen Olympia in diesem Sommer ausgesprochen. Niemand kann derzeit garantieren, dass sich in den nächsten sechs Monaten die Lage weltweit so entspannt hat, dass Sommerspiele mit 11.000 Sportlern und tausenden Gästen nicht zum Superspreader-ereignis werden.
Worauf müssen sich die Olympioniken einstellen? In der kommenden
Woche wird die Veröffentlichung eines detaillierten Handbuchs der Organisatoren erwartet, in dem Corona-regeln und Zugangsbestimmungen für Athleten, Funktionäre, Helfer und Medienvertreter festgehalten sind. So könnte eine Selbstisolation vor der Anreise erwünscht sein, für die Einreise dürfte ein negativer Corona-test nötig sein. Die Sportlerinnen und Sportler sollen erst fünf Tage vor ihrem Wettkampf ins olympische Dorf einziehen und spätestens zwei Tage nach ihrem letzten Auftritt wieder abreisen. Häufige Corona-tests sollen ebenso Sicherheit bringen wie die Einrichtung einer ambulanten Versorgungseinrichtung für Corona-fälle im Athletendorf und gestaffelte Essenszeiten.
Wie gehen die Athleten mit der Unsicherheit um? Weil viele Wettkämpfe ausgefallen sind und teils auch das Training im Lockdown nicht so einfach ist, sorgen sich viele Olympioniken um ihre Form. Für nicht wenige stehen sogar Qualifikationswettkämpfe aus, die auch unter erschwerten und womöglich nicht ganz fairen Bedingungen stattfinden. Und doch ist das große Ziel Olympia noch immer für viele Motivation. „Das ist ein starker Energiespender“, sagt Johannes Herber, Geschäftsführer der Vereinigung Athleten Deutschland.
Wird es eine Impfpflicht geben? Das haben die Gastgeber und IOC-CHEF Bach ausgeschlossen. Sie drängen aber darauf, dass sich so viele Beteiligte wie möglich freiwillig impfen lassen.
Werden Zuschauer zugelassen? „Es ist schön, Zuschauer zu haben. Aber es ist kein Muss“, sagt das dienstälteste Ioc-mitglied, Richard Pound. Noch im Dezember hatte indes das Organisationskomitee bekräftigt, sogar möglichst viele ausländische Besucher ins Land lassen zu wollen. Für sie solle eine generelle Maskenpflicht und das Gebot zur Nutzung einer Corona-warn-app gelten. Eine Entscheidung über die Zuschauerfrage ist für das Frühjahr angekündigt. Der Veranstalter Dertour als offizieller deutscher Ticketvermarkter bietet weiter Olympia-reisepakete an, deren Kosten im Fall einer Absage erstattet werden sollen.
Welche Folgen hätte eine Absage der Sommerspiele? Viele Athleten wären durch einen Ausfall der Spiele einer einmaligen sportlichen Chance und der Früchte jahrelanger Trainingsarbeit beraubt. Noch schlimmer aber seien „finanzielle Auswirkungen auf allen Ebenen quer durch den Weltsport, die sich die meisten gar nicht vorstellen können“, sagt Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Ein Großteil der Ioc-einnahmen stammt aus dem Verkauf der Tv-rechte für Olympia, für Tokio sind es zwischen zwei und drei Milliarden Euro. Dazu würden Sponsoren-einnahmen wegbrechen. Geld, das weitgehend unter den Nationalen Olympischen Komitees und Weltverbänden verteilt wird. Der DOSB erhält im Vierjahreszeitraum zwischen Sommerspielen rund 30 Millionen Euro vom IOC. Bleibt ein erheblicher Teil davon aus, könnten schmerzhafte Einschnitte in die Sportlandschaft folgen.