Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Impfpannen gefährden Lockerungen
Ärzte erwarten vom Gipfel eine langfristige Strategie. Davon hänge die Länge des weiteren Lockdowns ab. WeltärztePräsident und Bundesgesundheitsminister fordern Nordrhein-westfalen auf, die Terminvergabe zu verbessern.
DÜSSELDORF/BERLIN Der Mangel an Impfstoff und der Ärger bei der Terminvergabe kommen an diesem Montag beim Impfgipfel auf den Tisch. Ärzte und Politiker dringen auf konkrete Ergebnisse. „Bund und Länder müssen sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Es ist eine überfällige Möglichkeit, Vertrauen zurückzugewinnen und über den Mangel an Impfstoffen aufzuklären“, sagte Weltärzte-präsident Frank Ulrich Montgomery. An dem Videogipfel nehmen Kanzlerin Angela Merkel, die Ministerpräsidenten, Bundesminister und Vertreter der Hersteller teil.
„Vom Impfgipfel erwarte ich Transparenz über die Liefermengen – und zwar nicht nur bis Februar, sondern bis Juni. Denn davon leitet sich maßgeblich die weitere Lockdown-strategie ab“, sagte der Spd-gesundheitsexperte Karl Lauterbach unserer Redaktion. „Wenn wir bis Sommer nicht genug Impfstoff haben, müssen wir die Vorsichtsmaßnahmen hochhalten. Vor allem, weil wir nicht wissen, ob wir die Mutation aus Südafrika aufhalten können.“Auch Merkel warnte vor übereilten Schritten: Zwar gingen die Infektionszahlen zurück, es gebe aber eine sehr reale Gefahr durch die hochansteckenden Virusmutationen. „Noch sind wir nicht so weit, Kitas und Schulen wieder öffnen zu können“, so die Kanzlerin.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte Verständnis für den Zorn in der Bevölkerung, warb aber um Geduld: „Es kommen jede Woche Impfstoffe, und es werden auch mehr.“Zugleich forderte er die Länder auf, die Vergabe der Impftermine zu erleichtern. „Das muss besser werden.“In NRW können sich über 80-Jährige seit einer Woche anmelden. Doch der Ärger über überlastete Systeme, fehlende Termine und Pannen beim Download von Unterlagen ist groß. „Alle Länder sind gefordert, ihre Terminvergabe zu prüfen und sich auf das beste System zu einigen. Das Durcheinander und offensichtliche Probleme zerstören Vertrauen“, warnte Montgomery. Lauterbach forderte NRW auf, sich an anderen Ländern zu orientieren. „Die Länder sollten bei der Terminvergabe voneinander lernen. In Mecklenburg-vorpommern und Schleswig-holstein läuft es gut, in NRW eher schlechter“, sagte der Spd-politiker. „Das habe ich selbst erlebt, als meine Schwester und ich für meine fast 86-jährige Mutter einen Termin gemacht haben. NRW muss sein System überarbeiten und vereinfachen.“
Beim Gipfel muss vor allem Astrazeneca seine Lieferausfälle erklären. Auch der Us-hersteller Moderna will nun verzögert liefern. Zugleich kündigte Spahn eine Überarbeitung der Impfverordnung an. Die EU hat das Mittel von Astrazeneca zwar für alle Erwachsenen zugelassen, doch die Ständige Impfkommission empfiehlt es nur für Personen bis 64 Jahre, da es nur an wenigen Älteren erprobt wurde. Man werde zwar generell an einer Priorisierung festhalten, aber die „Alterskomponente“für den Astrazeneca-impfstoff aufgreifen, kündigte Spahn an. Die Priorisierung sieht vor, dass zuerst die über 80-Jährigen geimpft werden, dann die über 70- und über 60-Jährigen. Krankenhausgesellschaft und Kassenärzte fordern nun, prioritär medizinisches Personal zu impfen.
Immerhin haben Großbritannien und die Eu-kommission im Streit um Astrazeneca eine Eskalation abgewendet. Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte am Sonntagabend an, dass Astrazeneca im ersten Quartal nun doch mehr Impfstoff an die EU liefern werde als angekündigt. Es kämen neun Millionen Dosen hinzu, also insgesamt 40 Millionen Dosen. Das ist die Hälfte der ursprünglich anvisierten Menge von 80 Millionen Dosen.
Am Montag gehen in NRW die vor einer Woche gestoppten Impfungen in Altenheimen und Krankenhäusern weiter. Mangels Impfstoff kann aber zunächst nur medizinisches Personal in Bereichen wie Notaufnahmen und Intensivstationen geimpft werden. Verärgert ist das Nrw-gesundheitsministerium darüber, dass einige Kliniken trotzdem für 100 Prozent der Belegschaft Impfstoff geordert haben: „Dies ist nicht plausibel und unsolidarisch“, erklärte eine Sprecherin. Daher habe man entschieden, die Lieferung an Kliniken auf 50 Prozent des Personals zu begrenzen.