Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Alles Wissenswerte zum Zusatzbeitrag
Viele gesetzliche Krankenkassen haben den Zuschlag zum Jahreswechsel erhöht, andere werden das noch tun. Das gibt Versicherten ein Sonderkündigungsrecht. Aber wohin wechseln? Wir sagen Ihnen, was Sie dabei wissen müssen.
DÜSSELDORF Die Krankenkasse wird für viele teurer. Der eigentliche Beitragssatz ist bei jeder gesetzlichen Kasse gleich: Ein Versicherter muss 14,6 Prozent seines Bruttolohns abgeben. Die eine Hälfte wird vom Arbeitgeber übernommen, die andere selbst bezahlt. Bei Versicherten, die Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung erhalten, werden die Kosten vom Träger übernommen. Darüber hinaus nehmen die Krankenkassen aber Zusatzbeiträge. Und wegen der teuren Gesetze der Vergangenheit und der Pandemie ist hier der Druck hoch: Viele Kassen haben den Zusatzbeitrag zum Jahresbeginn bereits erhöht, andere prüfen den Schritt.
Wie finanzieren sich Krankenkassen? Sie speisen sich aus den Beiträgen der Versicherten, der Arbeitgeber und der Rentenversicherung. Dazu kommt ein Bundeszuschuss aus Steuern, der insbesondere Kosten für Schwangerschaft und Mutterschaft oder für beitragsfreie Kinder und Ehegatten übernimmt. Alles fließt zunächst in den Gesundheitsfonds, aus dem das Geld dann zurück an die Versicherungen verteilt wird. Dabei werden Risikostrukturen beachtet: Kassen mit vielen alten oder kranken Mitgliedern bekommen mehr Geld als Kassen mit jungen und gesunden Mitgliedern.
Was ist der Zusatzbeitrag? Reichen die Mittel aus dem Gesundheitsfonds nicht, kann die Kasse einen zusätzlichen Beitrag erheben. Das Bundesgesundheitsministerium setzt dazu in jedem Jahr den durchschnittlichen Zusatzbeitrag fest. Für 2021 liegt er bei 1,3 Prozent. Dabei handelt es sich um einen Schätzwert und keine exakte Berechnung. Der kassenindividuelle Zusatzbeitrag wurde auch eingeführt, um den Wettbewerb zu erhöhen. Mit ihm werden auch Leistungen finanziert, die über die gesetzlich vorgeschriebenen hinausgehen: Vorsorgeuntersuchungen, Zahnreinigungen, alternative Behandlungsformen oder Sportkurse. Auch deswegen kann sich die Höhe des Zusatzbeitrags unterscheiden.
Steigt der Zusatzbeitrag bei allen Kassen? Nein. Einige Kassen halten ihn stabil, bei anderen steigt er vergleichsweise stark. Es gilt aber auch zu beachten, wie hoch der Zusatzbeitrag ursprünglich war. Die AOK Plus beispielsweise verdoppelt ihn (von 0,6 auf 1,2 Prozent), bleibt dabei aber immer noch unter dem Wert der DAK, die bei 1,5 Prozent stabil bleibt. Die HKK hält den Zusatzbeitrag bei 0,39 Prozent. Gründe dafür seien geringe Verwaltungskosten, eine große Finanzstärke und gesundheitsbewusste Mitglieder, heißt es. Der Zusatzbeitrag kann auch im Laufe des Jahres angepasst werden. Auch andere Krankenkassen könnten ihn also noch erhöhen.
Warum steigt der Zusatzbeitrag? Das hat laut Kassen verschiedene Gründe. „Die Auswirkungen der Corona-pandemie machen natürlich auch vor dem Gesundheitssystem nicht halt“, erklärt die Viactiv, die von 1,2 auf 1,6 Prozent erhöhte. Zudem gab es politische Entscheidungen, etwa das Gesetz zur Stärkung der Pflege und Maßnahmen zur digitalen Versorgung, die zu einer höheren finanziellen Belastung führten. „Die neuen Gesetze ebnen den Weg für wichtige Gesundheitsleistungen, bedeuten zugleich aber deutliche Mehrausgaben“, erklärt Viactiv. Auch die Barmer erhöhte den Beitrag um 0,4 Prozent und nennt als Gründe unter anderem „steigende Behandlungskosten durch demografischen Wandel und medizinischen Fortschritt“.
Wie kann man wechseln? Über die Erhöhung müssen die Krankenkassen rechtzeitig informieren. Dann gibt es ein Sonderkündigungsrecht. Man kann dabei auch kündigen, wenn man weniger als zwölfmonate bei der aktuellen Kasse war. Wenn der Zusatzbeitrag höher als die durchschnittlichen 1,3 Prozent liegt, muss die Kasse zusätzlich informieren, dass der Wechsel zu einem günstigeren Wettbewerber möglich ist. Allerdings gibt es beim Sonderkündigungsrecht ein enges Zeitfenster: „Spätestens bis zum Ablauf des Monats, in dem die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag zum ersten Mal erhebt oder ihn erhöht, müssen Sie die Kündigung einreichen“, warnt das Vergleichsportal krankenkassen.de. Dann gilt eine Frist von zwei Monaten. Beispiel: Die Kasse erhöht zum 1. April – dann können sich Mitglieder bis 30. April eine neue Kasse suchen, sind dann aber erst ab 1. Juli dort versichert. Eine Neuerung in diesem Jahr: Versicherte müssen nicht mehr selber kündigen. Das übernimmt bei einem Wechsel die neue Krankenkasse.
Wann lohnt eine neue Kasse? Der Wechsel kann finanziell oft sinnvoll sein, insbesondere wenn man gesund ist und keine Zusatzleistungen in Anspruch nehmen möchte. Der Großteil der Leistungen ist ohnehin bei allen Kassen gleich. „Viele sind aber sehr krankenkassentreu“, sagt Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW. Besondere Leistungen können aber den Ausschlag geben: „Vor einigen Jahren war die Osteopathie ein Wechselgrund“, so Wolter. Mittlerweile würden aber immer mehr Krankenkassen osteopathische Therapien anbieten, so dass dieser Wechselgrund entfalle. Auch Erreichbarkeit und Kundenservice vor Ort seien vielen Menschen wichtig.
Was gilt für private Krankenversicherungen? Hier richten sich die Beiträge nach Alter und Vorerkrankung. Das Einkommen wird nicht berücksichtigt, was im Ruhestand ein Problem werden kann. Auch hier werden immer wieder Beiträge erhöht. Betroffene können bei ihrem Versicherer meist in einen leistungsschwächeren und günstigeren Tarif wechseln.