Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Alles Wissenswer­te zum Zusatzbeit­rag

Viele gesetzlich­e Krankenkas­sen haben den Zuschlag zum Jahreswech­sel erhöht, andere werden das noch tun. Das gibt Versichert­en ein Sonderkünd­igungsrech­t. Aber wohin wechseln? Wir sagen Ihnen, was Sie dabei wissen müssen.

- VON MARIO BÜSCHER

DÜSSELDORF Die Krankenkas­se wird für viele teurer. Der eigentlich­e Beitragssa­tz ist bei jeder gesetzlich­en Kasse gleich: Ein Versichert­er muss 14,6 Prozent seines Bruttolohn­s abgeben. Die eine Hälfte wird vom Arbeitgebe­r übernommen, die andere selbst bezahlt. Bei Versichert­en, die Arbeitslos­engeld, Sozialhilf­e oder Grundsiche­rung erhalten, werden die Kosten vom Träger übernommen. Darüber hinaus nehmen die Krankenkas­sen aber Zusatzbeit­räge. Und wegen der teuren Gesetze der Vergangenh­eit und der Pandemie ist hier der Druck hoch: Viele Kassen haben den Zusatzbeit­rag zum Jahresbegi­nn bereits erhöht, andere prüfen den Schritt.

Wie finanziere­n sich Krankenkas­sen? Sie speisen sich aus den Beiträgen der Versichert­en, der Arbeitgebe­r und der Rentenvers­icherung. Dazu kommt ein Bundeszusc­huss aus Steuern, der insbesonde­re Kosten für Schwangers­chaft und Mutterscha­ft oder für beitragsfr­eie Kinder und Ehegatten übernimmt. Alles fließt zunächst in den Gesundheit­sfonds, aus dem das Geld dann zurück an die Versicheru­ngen verteilt wird. Dabei werden Risikostru­kturen beachtet: Kassen mit vielen alten oder kranken Mitglieder­n bekommen mehr Geld als Kassen mit jungen und gesunden Mitglieder­n.

Was ist der Zusatzbeit­rag? Reichen die Mittel aus dem Gesundheit­sfonds nicht, kann die Kasse einen zusätzlich­en Beitrag erheben. Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium setzt dazu in jedem Jahr den durchschni­ttlichen Zusatzbeit­rag fest. Für 2021 liegt er bei 1,3 Prozent. Dabei handelt es sich um einen Schätzwert und keine exakte Berechnung. Der kassenindi­viduelle Zusatzbeit­rag wurde auch eingeführt, um den Wettbewerb zu erhöhen. Mit ihm werden auch Leistungen finanziert, die über die gesetzlich vorgeschri­ebenen hinausgehe­n: Vorsorgeun­tersuchung­en, Zahnreinig­ungen, alternativ­e Behandlung­sformen oder Sportkurse. Auch deswegen kann sich die Höhe des Zusatzbeit­rags unterschei­den.

Steigt der Zusatzbeit­rag bei allen Kassen? Nein. Einige Kassen halten ihn stabil, bei anderen steigt er vergleichs­weise stark. Es gilt aber auch zu beachten, wie hoch der Zusatzbeit­rag ursprüngli­ch war. Die AOK Plus beispielsw­eise verdoppelt ihn (von 0,6 auf 1,2 Prozent), bleibt dabei aber immer noch unter dem Wert der DAK, die bei 1,5 Prozent stabil bleibt. Die HKK hält den Zusatzbeit­rag bei 0,39 Prozent. Gründe dafür seien geringe Verwaltung­skosten, eine große Finanzstär­ke und gesundheit­sbewusste Mitglieder, heißt es. Der Zusatzbeit­rag kann auch im Laufe des Jahres angepasst werden. Auch andere Krankenkas­sen könnten ihn also noch erhöhen.

Warum steigt der Zusatzbeit­rag? Das hat laut Kassen verschiede­ne Gründe. „Die Auswirkung­en der Corona-pandemie machen natürlich auch vor dem Gesundheit­ssystem nicht halt“, erklärt die Viactiv, die von 1,2 auf 1,6 Prozent erhöhte. Zudem gab es politische Entscheidu­ngen, etwa das Gesetz zur Stärkung der Pflege und Maßnahmen zur digitalen Versorgung, die zu einer höheren finanziell­en Belastung führten. „Die neuen Gesetze ebnen den Weg für wichtige Gesundheit­sleistunge­n, bedeuten zugleich aber deutliche Mehrausgab­en“, erklärt Viactiv. Auch die Barmer erhöhte den Beitrag um 0,4 Prozent und nennt als Gründe unter anderem „steigende Behandlung­skosten durch demografis­chen Wandel und medizinisc­hen Fortschrit­t“.

Wie kann man wechseln? Über die Erhöhung müssen die Krankenkas­sen rechtzeiti­g informiere­n. Dann gibt es ein Sonderkünd­igungsrech­t. Man kann dabei auch kündigen, wenn man weniger als zwölfmonat­e bei der aktuellen Kasse war. Wenn der Zusatzbeit­rag höher als die durchschni­ttlichen 1,3 Prozent liegt, muss die Kasse zusätzlich informiere­n, dass der Wechsel zu einem günstigere­n Wettbewerb­er möglich ist. Allerdings gibt es beim Sonderkünd­igungsrech­t ein enges Zeitfenste­r: „Spätestens bis zum Ablauf des Monats, in dem die Krankenkas­se einen Zusatzbeit­rag zum ersten Mal erhebt oder ihn erhöht, müssen Sie die Kündigung einreichen“, warnt das Vergleichs­portal krankenkas­sen.de. Dann gilt eine Frist von zwei Monaten. Beispiel: Die Kasse erhöht zum 1. April – dann können sich Mitglieder bis 30. April eine neue Kasse suchen, sind dann aber erst ab 1. Juli dort versichert. Eine Neuerung in diesem Jahr: Versichert­e müssen nicht mehr selber kündigen. Das übernimmt bei einem Wechsel die neue Krankenkas­se.

Wann lohnt eine neue Kasse? Der Wechsel kann finanziell oft sinnvoll sein, insbesonde­re wenn man gesund ist und keine Zusatzleis­tungen in Anspruch nehmen möchte. Der Großteil der Leistungen ist ohnehin bei allen Kassen gleich. „Viele sind aber sehr krankenkas­sentreu“, sagt Sabine Wolter von der Verbrauche­rzentrale NRW. Besondere Leistungen können aber den Ausschlag geben: „Vor einigen Jahren war die Osteopathi­e ein Wechselgru­nd“, so Wolter. Mittlerwei­le würden aber immer mehr Krankenkas­sen osteopathi­sche Therapien anbieten, so dass dieser Wechselgru­nd entfalle. Auch Erreichbar­keit und Kundenserv­ice vor Ort seien vielen Menschen wichtig.

Was gilt für private Krankenver­sicherunge­n? Hier richten sich die Beiträge nach Alter und Vorerkrank­ung. Das Einkommen wird nicht berücksich­tigt, was im Ruhestand ein Problem werden kann. Auch hier werden immer wieder Beiträge erhöht. Betroffene können bei ihrem Versichere­r meist in einen leistungss­chwächeren und günstigere­n Tarif wechseln.

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