Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Nebel über Bayreuth
Die Wagner-festspiele haben einen neuen Geschäftsführer. Wichtige musikalische Fragen sind dagegen noch zu beantworten.
DÜSSELDORF „Weißt du, wie das wird?“, fragen die Nornen traditionell in der „Götterdämmerung“, doch niemand bekäme in diesen Tagen eine Antwort auf Fragen, die die Zukunft betreffen. „Der Spielplan der Festspielsaison 2021 wird im Laufe des Monats Januar bekannt gegeben“, hieß es seit Wochen auf der Homepage der Richard-wagner-festspiele in Bayreuth. Ende vergangener Woche wurde er annonciert. Es ist alles wie gehabt, allerdings unter Vorbehalt. Die einzige Premiere wird der „Holländer“sein.
Andererseits schaut die Welt momentan nicht gerade nach Bayreuth, sondern eher nach London,
Kapstadt und Rio de Janeiro. Die öffentliche Wahrnehmung wird durch alle Aspekte, die mit Corona zu tun haben, mehr als absorbiert. Die Frage ist ja auch: Würde sich überhaupt jemand in ein Festspielhaus setzen, auch wenn alle geloben, die Lüftung sei 1a, es werde viel Abstand eingeplant, und in Kulturhäusern habe sich noch nie jemand angesteckt? Vielleicht nein, vielleicht ja.
Trotzdem passiert etwas in Bayreuth. Wie jetzt bekannt wurde, wird Ulrich Jagels am 1. April neuer geschäftsführender Direktor der Bayreuther Festspiele. Er folge auf Holger von Berg und werde mit Katharina Wagner die Geschäftsführung übernehmen und den wirtschaftlichen Bereich verantworten, hieß es. Auf Jagels warteten herkulische Aufgaben, etwa die umfassende Sanierung des Festspielhauses. Jagels wechselt von der Oper Leipzig, von wo er Katharina Wagner kennt, auf den Grünen Hügel.
Trotzdem warten die Musikfreunde mehr noch auf die Klärung einer anderen Personalie: Wie geht es mit dem Dirigenten Christian Thielemann weiter? Dessen Vertrag als Musikdirektor der Festspiele – ein Posten, den es früher nicht gab – ging mit Ablauf des Jahres 2020 zu Ende. Aus Bayreuth hieß es lapidar, man wolle den berühmten Dirigenten weiter binden. Kann sein, dass die langfristige Erkrankung von Katharina Wagner alles verzögert hat; zum Glück ist sie genesen.
Zweifellos hat uns Thielemann bereits viele herrliche musikalische Abende beschert, aber niemand muss sich sorgen, dass ohne die Wacht des preußischen Generals Thielemann die Festspiele einbrächen. Der Markt ist gesättigt mit Künstlern, die vom „Holländer“bis „Parsifal“schon die Speere geschwungen und das Gold geschmiedet haben.
In diesem Sommer zum Beispiel soll erstmals eine Frau dirigieren, die Ukrainerin Oksana Lyniv; mit ihr plant man den„fliegenden Holländer“. Lyniv ist eine mehr als nur routinierte Fachkraft, sie hat im vergangenen Jahr eine furiose Bartók-premiere an der Bayerischen Staatsoper dirigiert. Und dann soll in diesem Jahr auch Andris Nelsons nach Bayreuth zurückkehren, vorerst für zwei Konzerte.
Also: Um Bayreuth muss einem musikalisch nicht bange werden, ob mit oder ohne Thielemann.