Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Tagesmütter fordern Gefahrenzulage
Sie sind die vergessenen Helden der Corona-pandemie. In Duisburg haben sich 53 Kindertagespflegepersonen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Sie wollen mehr Aufmerksamkeit und wünschen sich Lösungen von der Politik.
Sie haben Angst und fühlen sich damit von der Politik alleinegelassen. 53 Kindertagespflegepersonen haben sich in Duisburg zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Sie wollen Aufmerksamkeit für ihre schwierige Lage in der Corona-pandemie und Lösungen, um ihre Situation zu verbessern.
„Die Stimmung ist nicht so gut bei den Tagesmüttern“, sagt Carla Schulthoff. Sie ist eine der Sprecherinnen des Netzwerks Duisburger Kindertagespflegepersonen (NDK). „Da herrschen ganz viele Ängste.“Denn während Schulen Distanzunterricht anbieten und Kitas in die Notbetreuung gewechselt sind, sieht es in vielen Kindertagespflegen so aus, als hätte es die Corona-pandemie nie gegeben. „Wir arbeiten als einzige Berufsgruppe in dieser Pandemie noch ungeschützt mit anderen Menschen“, heißt es in einem aktuellen Ndk-aufruf. Dabei gebe es unter ihnen selbst Risikopatienten. Die Pflegepersonen fordern daher eine „Gefahrenzulage“.
Bei einer Umfrage des vom NDK unabhängigen Netzwerk Kindertagespflege NRW gaben rund 35 Prozent der 3442 teilnehmenden Pflegepersonen an, zur Risikogruppe für einen schweren Covid-19-verlauf zu gehören. Knapp die Hälfte lebt mit Risikopatienten zusammen, vier Fünftel der Befragten fühlen sich während der Arbeit nicht ausreichend vor einer Infektion geschützt. 77 Prozent der Kinder, so das Umfragergebnis, würden weiterhin in die Betreuung geschickt.
Wer sich bei Tagesmüttern in Duisburg umhört, der erhält recht unterschiedliche Antworten. Eine Reaktion fällt jedoch beinahe überall gleich aus: Freude über das Interesse an der Situation. Viele fühlen sich, so sagen sie, auch ein wenig vergessen von Medien und Politik.
Melanie Hermes leitet die Kindertagespflege „Kleine Entdecker Duisburg“in Friemersheim. Fünf Kinder darf Hermes gleichzeitig betreuen, in Corona-zeiten sind es in der Regel vier. Hermes hat sich in einer Whatsapp-gruppe mit 90 Kindertagespflegern in der Stadt vernetzt. „Von denen sind die meisten ziemlich ausgebucht“, sagt sie. Sie sei unsicher, ob das so gut ist.
„Die Kinder bei mir sind maximal drei Jahre alt“, sagt Hermes. Da könne sie verstehen, dass sich das mit Homeoffice nicht vertrage. Zuletzt war die Familie eines der bei ihr betreuten Kinder Corona-positiv. Das Kind zeigte keine Symptome und wurde somit nicht getestet. Hermes würde sich wünschen, dass in solchen Fällen anders entschieden würde. „Das würde für mich die Sicherheit erhöhen.“
Es gibt aber auch diejenigen, die zufrieden sind. Bettina Brysch beispielsweise. Sie leitet die Großtagespflege „Das Familienpuzzle“, kann eigentlich neun Kinder betreuen. Aktuell seien es meist vier oder fünf. „Ich glaube, dass Kinder auch die Gruppe brauchen“, sagt sie. „Ich kann sehr gut mit den aktuellen Regeln leben.“Auch mit der „Betreuungsgarantie“, die NRW-FAmilienminister Joachim Stamp ausgesprochen habe. Sie sei allerdings auch, wie Stamp, Fdp-mitglied. „Ich würde mir eher wünschen, dass die Pflegeheime besser geschützt werden“, sagt Brysch.
Einer Ndk-forderung kann sich jedoch auch Brysch anschließen: Die Anpassung der 20-Tage-regel. An so vielen Schließtagen erhalten die Betreiber der Kindertagespflegen weiterhin Geld vom Jugendamt. Darunter fallen Urlaub, Krankheit oder auch eine angeordnete Quarantäne. „Das ist keine gute Lösung“, sagt Brysch. Es verleite dazu, die Kinder auch mit leichten Erkältungssymptomen zu betreuen, um keine Einbußen zu erleiden. „Gemeinsam wollen wir bei der Stadt Duisburg bewegen, dass sich etwas verändert“, sagt Schulthoff.
Sie dürften damit wohl keinen Erfolg haben. Zwar lobt die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion die Kindertagespflegepersonen für ihr Engagement und ihren „liebevollen Einsatz“. Jedoch sei eine Ausweitung der 20-Tage-regel nicht vorgesehen, wie eine Sprecherin mitteilt. Es gebe jedoch Alternativlösungen. Als Selbstständige hätten Tagespflegepersonen bei behördlich angeordneter Quarantäne einen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung. Zudem gebe es ein besonderes Programm zur „Betreuungsentschädigung“, für das ab Februar Anträge bei der Bezirksregierung gestellt werden könnten.
Bei aller Unzufriedenheit, die Tagesmütter wollen in einem nicht Missverstanden werden. „Wir alle lieben unsere Tätigkeit“, heißt es im Ndk-aufruf. Auch zeigten viele Eltern großes Verständnis. Mehr Anerkennung würde jedoch nicht schaden.