Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein bisschen Hoffnung in Arabien

ANALYSE Im Jemen tobt ein brutaler Krieg, der Hunger und Tod über Millionen gebracht hat. Die neue Politik der USA schafft zumindest die Chance einer politische­n Lösung. Aber der Weg ist lang, denn im Jemen kämpfen viele Akteure.

- VON THOMAS SEIBERT

Nach sechs Jahren Krieg gibt es einen Hoffnungss­chimmer für den Jemen. Die Ankündigun­g von US-PRÄsident Joe Biden, die amerikanis­che Unterstütz­ung für die saudische Offensive im Jemen einzustell­en, reicht zwar alleine nicht aus, um das Leid der Zivilbevöl­kerung zu beenden. Doch Bidens Kursänderu­ng ermöglicht mehr Hilfe für das kriegszers­törte Land und den Beginn eines politische­n Prozesses. Zudem haben alle Beteiligte­n inzwischen eingesehen, dass sie den Krieg nicht gewinnen können. Der Weg zum Frieden bleibt trotzdem steinig.

Saudi-arabien führt im Jemen eine internatio­nale Koalition, die gegen die Huthi-rebellen kämpft. Die schiitisch­en Huthis haben große Gebiete im Norden und Westen des Jemen einschließ­lich der Hauptstadt Sanaa unter Kontrolle und greifen Saudi-arabien immer wieder mit Raketen und Drohnen an. Unterstütz­ung erhalten die Rebellen vom Iran – dadurch wird der Jemen-konflikt zu einem Stellvertr­eterkrieg zwischen Teheran und der sunnitisch­en Führungsma­cht Saudi-arabien. Mehr als 100.000 Menschen sind in dem Krieg bisher umgekommen, vier von fünf der rund 30 Millionen Menschen im Land sind auf Hilfe von außen angewiesen. Die Corona-pandemie verschlimm­ert die Lage zusätzlich.

Biden will den Saudis keine Waffen für den Krieg mehr liefern. Die USA helfen Saudi-arabien aber weiter bei der Abwehr von Huthi-luftangrif­fen und setzen auch den Kampf gegen den Ableger des Terrornetz­werks Al-kaida fort. In diesem Konflikt machen sie Fortschrit­te: Der regionale Al-kaida-chef Chalid Batarfi sitzt seit einem halben Jahr in Haft, wie aus jetzt veröffentl­ichten Un-dokumenten hervorgeht.

Mit seiner Kursänderu­ng löst Biden nicht nur ein Wahlkampfv­ersprechen ein. Die neue Jemen-position ist eine Abkehr von einer Politik, die sein früherer Chef Barack Obama begonnen und Donald Trump fortgesetz­t hatte.

Die Hilfe für die Saudis im Jemen ist in den USA seit Jahren umstritten, weil amerikanis­che Rüstungsgü­ter – insbesonde­re moderne Munition – gegen Zivilisten eingesetzt wurden. Zudem nutzten die Saudis bei Luftangrif­fen die Daten amerikanis­cher Aufklärung­sflugzeuge. US-UNterstütz­ung erhielt Saudi-arabien auch bei der Blockade jemenitisc­her Häfen. Trump beendete 2018 den Einsatz von Tankflugze­ugen für saudische Kampfjets, hielt am Rest der militärisc­hen Unterstütz­ung aber fest.

Ob die USA jetzt neben den Munitions- und Waffenlief­erungen auch ihre Beteiligun­g an der Hafenblock­ade aufgeben, ist noch nicht bekannt. Biden sagte, Amerika entziehe „offensiven Operatione­n im Jemen“die Unterstütz­ung. „Dieser Krieg muss aufhören.“Mit dem Einsatz des Jemen-beauftragt­en Timothy Lenderking und Unterstütz­ung der Uno will der Präsident erreichen, dass im Jemen ein Waffenstil­lstand ausgerufen wird und dass politische Gespräche zwischen den Huthis und der von Saudi-arabien unterstütz­ten jemenitisc­hen Regierung beginnen.

In einer weiteren Geste an die Huthis und den Iran kündigte Bidens Regierung an, die in den letzten Wochen der Trump-präsidents­chaft vollzogene Einstufung der Huthis als Terrorgrup­pe rückgängig zu machen. Trumps Entscheidu­ng hatte es Hilfsorgan­isationen erschwert, Versorgung­sgüter in die Huthi-gebiete zu bringen, weil sie sich durch Vereinbaru­ngen mit einer Terrororga­nisation strafbar machen könnten.

Der Iran begrüßte Bidens Initiative. Die Uno schickte ihren Jemen-beauftragt­en Martin Griffith zu seinem ersten

Besuch in den Iran, um Möglichkei­ten für weitere Friedenssc­hritte auszuloten. Auch die Huthis zeigten sich optimistis­ch. Die positiven Ansätze könnten jedoch leicht durch neue Gewalt zunichte gemacht werden. Experten weisen darauf hin, dass nach dem Stopp der Us-waffenlief­erungen die eigentlich­en Bemühungen um ein Ende des Krieges erst beginnen. Eine Einigung nur zwischen den Huthis und der jemenitisc­hen Regierung wäre nicht ausreichen­d, schrieb die Jemen-expertin Nadwa Dawsari auf Twitter: Viele andere Milizen im Land müssten ebenfalls eingebunde­n werden.

Dawsari sieht zudem das Risiko, dass die Huthis einen Waffenstil­lstand wie bereits früher nutzen könnten, um sich neu zu formieren und ihren Einfluss auszuweite­n. Tatsächlic­h schickten die Huthis trotz der Gesten der USA erneut vier bewaffnete Drohnen in den saudischen Luftraum, wo sie abgefangen wurden. Washington forderte die Rebellen auf, die Angriffe einzustell­en. Kritiker von Bidens Jemen-politik werfen der Regierung einen Versuch zur Besänftigu­ng des Iran vor, mit dem die Regierung in Teheran nur noch weiter zur Aggression ermuntert werde.

Nicht nur der Iran könnte den USA Probleme bereiten. Eine wichtige Aufgabe wird darin bestehen, einen gesichtswa­hrenden Ausweg für den saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman zu finden, der den Jemen-krieg im März 2015 in der Hoffnung auf einen raschen Sieg begonnen hatte. Salmans Bruder, der saudische Vize-verteidigu­ngsministe­r Chalid bin Salman, zeigte sich bereits erfreut über Bidens Ankündigun­g, sich mit „Angriffen des Iran und seiner Stellvertr­eter“zu befassen.

Auch die Vereinigte­n Arabischen Emirate, die Saudi-arabien bis 2019 zur Seite standen, spielen bei der Suche nach Frieden eine Rolle. Die Emirate bewaffnen Separatist­en im Süden Jemens und sind damit zu einem Konkurrent­en der Saudis geworden. Biden und die Uno stehen vor einer komplizier­ten Aufgabe.

„Dieser Krieg muss aufhören“Joe Biden Us-präsident

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