Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Draghi kommt voran
Fast alle Parteien bieten dem designierten Premier Italiens mittlerweile die Zusammenarbeit an.
ROM Es soll nun schnell gehen bei der Regierungsbildung in Rom. Am kommenden Montag laufen einige Dekrete zur Eindämmung der Pandemie ab. Bis dahin könnte der designierte italienische Ministerpräsident Mario Draghi mit seinem Kabinett vereidigt sein und die Vertrauensabstimmungen in Abgeordnetenhaus und Senat erfolgreich hinter sich gebracht haben. Nur unvorhergesehene Zwischenfälle können nach Meinung der Beobachter in Rom den so mit Staatspräsident Sergio Mattarella abgestimmten Weg verzögern. An diesem Dienstag endet die zweite Beratungsrunde mit den künftigen Koalitionspartnern. Am Wochenende hatten auch die linkspopulistische Fünf-sterne-bewegung sowie die rechtsnationale Lega überraschend ihr Mitwirken an der Regierung Draghi in Aussicht gestellt.
Damit hat sich in weniger als einer Woche das politische Spektrum in Italien radikal verändert. Die Fähigkeit zur Metamorphose der Politik in Italien ist bekannt, so schnell ging es allerdings selten. Gerade noch standen sich die bisherige, von Fünf-sterne-bewegung, Sozialdemokraten und anderen getragene Links-regierung unter Giuseppe Conte und die rechte Opposition konträr gegenüber. In ein paar Tagen wird allem Anschein nach der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Draghi eine große Koalition leiten, auf die am Samstag überraschend auch die rechte Lega mit ihrem Chef Matteo Salvini aufgesprungen war. Zuvor hatten schon Sozialdemokraten, Silvio Berlusconis Forza Italia, die Linkspartei Leu sowie mehrere Kleinparteien ihre Unterstützung angekündigt.
Mit den Stimmen von Fünf Sternen und Lega, die bis 2019 als Populisten-allianz regierten, steht nun der Großteil der Parteien hinter Draghi. Nur die postfaschistische Partei Fratelli d‘italia um Giorgia Meloni kündigte den Verbleib in der Opposition an. Besonders auffällig ist der Positionswechsel von
Lega-chef Matteo Salvini. Er ziehe es vor, mit im Boot zu sitzen und Kontrolle auszuüben, sagte der ehemalige Innenminister, der in diesem Amt bis zum Sommer 2019 als überzeugter Anti-europäer, Blockierer von Flüchtlingsschiffen und Hetzer gegen Migranten aufgetreten war.
In der Lega hatte sich nach der Beauftragung Draghis mit der Regierungsbildung am 3. Februar eine Debatte über einen Eintritt in die Koalition entsponnen. Am Ende überwogen die Argumente für eine Teilnahme. Die Lega hat ihren Wählerstamm im wirtschaftsstarken Norden des Landes, der dem 73-jährigen Ex-banker Draghi wohlgesonnen ist und ein besonderes Interesse an den Plänen zur Ausgabe der mehr als 200 Milliarden Euro Hilfsgelder der EU hat. Die pro-europäische Wende Salvinis ist offenbar auch taktischen Überlegungen geschuldet. Der Eintritt in die Regierung könne den Ex-innenminister, der insgeheim auf die Nachfolge Draghis spekuliert, italien- und europaweit salonfähiger machen.
Am Wochenende hatte auch die zunächst skeptische Fünf-sterne-bewegung ihren Eintritt in die Koalition signalisiert. „Wenn eine neue Regierung kommt, werden wir loyal sein“, sagte Interims-parteichef Vito Crimi am Samstag. Auch Partei-gründer Beppe Grillo, der seinen großen Einfluss bei den Fünf Sternen geltend machte und für eine Koalition unter Draghi warb, hatte an dem Gespräch mit dem EX-EZBChef teilgenommen.