Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Polizeigewerkschaft will Raser stoppen
Gefordert wird eine innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometern pro Stunde. Auch müssten die Beamten endlich Zugriff auf die Bordcomputer der Autos erhalten.
DÜSSELDORF Im Kampf gegen die illegale Raserszene und für mehr Verkehrssicherheit auf den Straßen möchte die Polizei Zugriff auf die Bordcomputer von Autos und Lastwagen erhalten. „Die Fahrzeuge werden immer digitaler; es sind fahrende Computer, die so ziemlich alles festhalten. Bei Unfällen und mutmaßlichen Autorennen brauchen wir daher endlich Zugang zu diesen Daten, damit wir die Fälle schnell und besser aufklären können“, sagt Heiko Müller, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GDP). Bislang ist es für die Polizei oft schwierig, illegale Autorennen nachzuweisen. „Wenn wir den Computer der Autos auswerten dürften, wäre das anders. Dann ließe sich schnell und sicher feststellen, ob es ein Autorennen war oder nicht“, sagt Müller.
Im Jahr 2019 kamen in NRW 458 Menschen durch Unfälle im Straßenverkehr ums Leben – in keinem anderen Polizeibereich sterben jährlich mehr Menschen. Langfristiges Ziel der Landesregierung ist es, die Zahl der Verkehrstoten bis zum Jahr 2050 nahezu auf null zu bringen. Dafür hat die Gewerkschaft der Polizei ein 35-seitiges verkehrspolitisches Programm erarbeitet, das unserer Redaktion vorliegt. Eine zentrale Rolle für das Unfallgeschehen spielt demnach die Geschwindigkeit. In dem Eckpunktpapier heißt es, dass die innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht mehr zeitgemäß seien. „50 Kilometer pro Stunde als Regelgeschwindigkeit wird den Anforderungen an den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer nicht gerecht. Der Rückgang von tödlichen und schwersten Verletzungen hängt deshalb sehr stark davon ab, ob es gelingt, auch den innerstädtischen Verkehr weiter zu entschleunigen“, heißt es in dem Papier. Die GDP fordert daher die generelle Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften auf 30 Kilometer pro Stunde sowie die Ausweisung von Straßen mit besonderer Bedeutung wie Durchgangsstraßen mit höheren Geschwindigkeitsgrenzen.
Auch im Bereich der Digitalisierung im Verkehr hinkt die Polizei massiv hinterher – auf vieles sei man nicht vorbereitet. „Was passiert, wenn die Technik in den Autos, wie etwa die Assistenzsysteme, versagen und es deswegen zu einem Unfall kommt? Wer haftet, wer ist schuld? Wie soll die Polizei einen Unfallhergang aufklären, wenn die wichtigsten Daten nur noch digital erfasst sind?“, fragt Gdp-vize Müller. Um das zu ermöglichen, seien unter anderem einfachere Genehmigungsverfahren für den Einsatz moderner Verkehrsüberwachungstechnik nötig; außerdem benötige die Polizei mehr und umfassend spezialisiertes Personal für die Verkehrsdirektionen. „Der Bereich Verkehr wurde viele Jahre stiefmütterlich behandelt“, so Müller. Die Verkehrspolizei dürfe nicht ständig als Steinbruch für andere Bereiche der Polizei missbraucht werden. „Wir brauchen eine gegenüber den anderen Direktionen gleichwertige Struktur.“Große Gefahren im Straßenverkehr gingen auch zunehmend von der Elektromobilität aus. „Wir haben zum Beispiel immer häufiger Unfälle mit E-bikes“, so Müller. Zwischen 2016 und 2019 ist sich die Zahl der verunglückten Pedelec-fahrer um 154 Prozent auf insgesamt 2683 gestiegen. Das schlägt sich bereits in der Verkehrsunfallstatistik nieder: 2016 standen in NRW 225 getötete Pkw-insassen 162 getöteten Fußgängern und Fahrradfahrern gegenüber. 2019 starben 170 Personen im Pkw – gegenüber 163 getöteten Fußgängern und Fahrradfahrern. „Wir brauchen daher eine stärkere Fokussierung der Verkehrssicherheitsarbeit auf Radfahrer und Fußgänger und eine striktere Regulierung von Elektro-kleinstfahrzeugen“, so Müller.