Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Eine Nanny sorgt für Albträume
Die zweite Staffel von „The Servant“liefert Psychothriller-faktor, enttäuscht aber.
Der kleine Jericho hat seine 13. Woche auf Erden nicht überlebt. Wie es dazu kam, erzählt die erste Staffel der Psychothriller-serie „The Servant“in Rückblenden. Mutter Dorothy (Lauren Ambrose) hat den Tod des Kindes nie verarbeitet. Um das Trauma zu überwinden, soll sich die erfolgreiche Tv-reporterin nun um eine täuschend echt aussehende Babypuppe kümmern. Als sie eine Nanny engagiert, ist das Baby auf einmal lebendig. Doch das ist nicht das einzige, was an diesem Haushalt und an dieser Serie überaus gruselig ist.
Schon das kammerspielartige Setting, ein prachtvolles Stadthaus in Philadelphia, in dem es ewig dunkel ist, fasziniert von Anfang an. Die Kamera schleicht durch die Räume oder geht nah ran an die Figuren, beides Mittel, die verstören. M. Night Shyamalan ist als Produzent verantwortlich für die Serie, bei zwei Folgen der ersten Staffel führte er sogar Regie. Der „Sixth Sense“-kultregisseur ist ein Meister des Psychothrillers. Er hat aber auch allerhand Drittklassiges gedreht, was ihm fünfmal die Goldene Himbeere für den schlechtesten Film einbrachte, etwa für „After Earth“(2013) mit Will Smith. Seine Kunst ist immer eine Gratwanderung.
Die erste Staffel von „The Servant“handelt von Dorothy, ihrem Mann Sean ( Toby Kebbell), Dorothys Bruder Julian (herrlich hedonistisch verkörpert von „Harry Potter“-star Rupert Grint), der mysteriösen Nanny Leanne (Nell Tiger Free aus „Game of Thrones“) und dem Baby, von dem keiner weiß, wo es eigentlich herkommt.
Sean und Julian engagieren einen Privatdetektiv und finden heraus, dass Leanne offensichtlich einer Sekte angehört. Die unheimlichen Holzkreuze, die Leanne über dem Bett von Baby Jericho aufhängt, vernichtet Sean. Ein merkwürdiger, aus der Zeit gefallener Onkel von Leanne stattet seinen Besuch ab und will, dass die Nanny mit ihm geht – was sie am Ende der ersten Staffel tut. Und, wen wundert’s, das Baby ist wieder nur eine leblose Puppe.
Die etwa 30-minütigen Folgen bieten Hochspannung bis zum Schluss, atmosphärisch dicht und visuell beeindruckend, psychologisch ausgefeilt und schauspielerisch bravourös gemeistert – inklusive aller menschlichen Abgründe, die sich auftun.
Die zweite Staffel knüpft genau dort an. Dorothy scheint den Verstand zu verlieren und will mit allen Mitteln ihr Baby zurück, von dem Sean und Julian verzweifelt behaupten, es sei entführt worden. Dorothy kidnappt die Nanny und will aus ihr herauspressen, was mit Jericho passiert ist. Derweil tut die Erde sich auf und lässt Wasser im Keller des Hauses emporsickern – Unheil kündigt sich an. Doch schon nach den ersten vier Folgen verliert die Serie ihre Kraft, tritt etwas auf der Stelle. Auch ästhetisch gelingt ihr (bisher) nicht der Anschluss an die erste Staffel.
M. Night Shyalaman hat angekündigt, dass er die Geschichte des „Servants“in fünf bis sechs Staffeln erzählen möchte. Mal sehen, was von den Plänen übrig bleibt.
Info „The Servant“läuft auf Apple TV+. Jeden Freitag gibt es eine neue Folge.