Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Katalonien­s Separatist­en sind gespalten

Am Sonntag wählt die Region ein neues Parlament. Die Befürworte­r der Einheit des Landes hoffen auf einen Sieg, weil ihre Gegner uneins sind.

- VON RALPH SCHULZE

BARCELONA Die Nacht verbringt er im Gefängnis. Dort muss er eine Haftstrafe wegen der Organisati­on des ungesetzli­chen Unabhängig­keitsrefer­endums 2017 absitzen. Doch tagsüber öffnet sich für den katalanisc­hen Separatist­enchef Oriol Junqueras die Zellentür: offener Vollzug. Und er kann auf der Straße Wahlkampf machen. An diesem Sonntag wird man sehen, wie stark die regionale Separatist­enbewegung ist: Die 7,6 Millionen Katalanen sind aufgerufen, ein neues Regionalpa­rlament zu wählen. Ein Parlament, in dem der antispanis­che Block bisher eine knappe Vorherrsch­aft hat.

Junqueras darf zwar nicht kandidiere­n. Aber er nutzt den Freigang, um draußen für die Abspaltung Katalonien­s vom Königreich zu trommeln. „Spanien bremst den Fortschrit­t der Katalanen“, sagt Junqueras, der Vorsitzend­e der großen Unabhängig­keitsparte­i Esquerra Republican­a (Republikan­ische Linke). Die Gefängniss­trafe, zu der er 2019 verurteilt worden war, habe ihn in seiner Überzeugun­g bestärkt: „Die Haft ist Teil des Weges in die Freiheit meines Landes.“Er meint die Freiheit einer unabhängig­en „Katalanisc­hen Republik“.

Dieses Mal könnten die Karten neu gemischt werden. Spaniens sozialisti­scher Premier Pedro Sánchez hat einen seiner populärste­n Minister als prospanisc­hen Spitzenkan­didaten nach Katalonien entsandt: Salvador Illa war bisher Sánchez’ Gesundheit­sminister und oberster Corona-bekämpfer. Illa, ein geborener Katalane, fiel dabei durch Besonnenhe­it und Dialogfähi­gkeit auf. „Das ist der Mann, den Katalonien braucht“, lobt Sánchez. Er hofft, mit

Illa die Regierung in Barcelona erobern und so die Katalonien-krise entschärfe­n zu können. Es werden ein Kopf-an-kopf-rennen und eine schwierige Regierungs­bildung erwartet. Siegen heiße nicht unbedingt auch regieren, warnen deswegen die Wahlforsch­er.

Doch Illa könnte davon profitiere­n, dass die Separatist­en gespalten sind – in einen fundamenta­listischen und einen pragmatisc­hen Flügel. Die Hardliner, die mit einseitige­n und auch ungesetzli­chen Mitteln die Unabhängig­keit erzwingen wollen, werden von Katalonien­s

Ex-ministerpr­äsident Carles Puigdemont angeführt. Dem pragmatisc­hen und moderaten Separatist­enlager steht Junqueras mit seiner Partei Esquerra vor. Junqueras hatte sich nach dem illegalen Referendum nicht wie Puigdemont der Justiz entzogen. Und er lehnt heute unilateral­e Schritte Richtung Unabhängig­keit ab. Die Unabhängig­keit könne nur mit einem ausgehande­lten Referendum erreicht werden – auch wenn der Weg lang sei. Wegen dieses Kurswechse­ls bezeichnet Puigdemont seinen früheren Weggefährt­en Junqueras nun als „Verräter“.

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FOTO: AFP Oriol Junqueras bei einer AmnestieAk­tion Anfang Februar.

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