Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Viel Ärger um verlängerte Fitness-verträge
Laut Verbraucherschützern dürfen Studios Lockdown-zeiten nicht einfach anhängen. Gerichte sehen das teilweise anders.
DÜSSELDORF Der Lockdown macht auch vor der Fitnessbranche nicht halt: Hanteln, Geräte und Laufbänder stehen seit November vergangenen Jahres still. Die Fitnessstudios im Land bleiben auch nach der neuesten Corona-verordnung auf unbestimmte Zeit geschlossen. Viele Mitglieder zahlen ihre Beiträge trotzdem, um die Studios in der Corona-krise zu unterstützen. Eine Pflicht dazu gibt es – rechtlich gesehen – nicht. Jetzt gibt es Ärger um Verträge, die trotz erfolgter ordentlicher Kündigung einseitig vom Studiobetreiber verlängert worden sind.
Viele Verbraucher sind verunsichert. Sie fragen sich: Müssen Beiträge weiter gezahlt werden? Juristisch betrachtet müssen Mitglieder von Fitnessstudios derzeit keine Beiträge bezahlen, weil sie seitens ihres Anbieters die vertraglich vereinbarte Leistung nicht erhalten. Um die Situation zu entschärfen, gibt es in der Praxis eine Vielzahl von Regelungen und Lockdown-angeboten, die sich je nach Studio unterscheiden. Einige Studios haben komplett auf Onlineprogramme umgestellt. Sie ziehen derzeit keine Mitgliedsbeiträge ein, sondern finanzieren sich über die Internetkurse. Andere Studios ziehen die Mitgliedsbeiträge in Absprache mit ihren Kundinnen und Kunden weiterhin ein, um sich überhaupt über Wasser halten zu können. Später soll es dann eine Rückerstattung oder kostenlose Trainingsmonate geben, die nach Ende des Vertrages gratis an dessen Laufzeit angehängt werden.
Außerdem hat die Bundesregierung in der Pandemie eine Sonderregelung eingeführt: „Wurde der Vertrag vor dem 8. März 2020 abgeschlossen, und das Studio hat den Beitrag schon erhalten, müssen die Fitnessstudios den Beitrag nicht sofort zurückerstatten. Kunden müssen dann alternativ auch einen Gutschein im Wert der Beiträge akzeptieren, die während der Schließzeit angefallen sind“, erklärt Claudia Semmler von der Verbraucherzentrale NRW. Allerdings müssen die Studios den Gutscheinwert ihrerseits auszahlen, sofern er von den Mitgliedern nicht bis 31. Dezember 2021 eingelöst wurde.
Viele Fitnessfreunde, die jetzt nicht auf ihre Kosten kommen, fragen sich allerdings: Müssen vom Studio verlängerte Verträge akzeptiert werden? In jüngster Zeit ist es laut Verbraucherzentralen vermehrt vorgekommen, dass Fitnessstudios Verträge von Mitgliedern einseitig verlängert haben. Das bedeutet: Obwohl es vonseiten der Kunden eine fristgerechte Kündigung gab, wurde diese vom Studio erst für einen späteren Zeitpunkt bestätigt. Der Vertrag wurde um die Zeit der Schließung verlängert. Die Verbraucherschützer halten das für „nicht in Ordnung“. Ihrer Ansicht nach bedarf eine außerordentliche Anpassung der Zustimmung beider Parteien, auch wenn Studios wegen der Pandemie schließen mussten. Gerichte haben mittlerweile jedoch teilweise entschieden, dass eine Verlängerung rechtens sein kann. So urteilte das Landgericht Würzburg unlängst in einem Fall, dass „keine wettbewerbswidrige Täuschung bei Vertragsänderungen wegen behördlicher Covid-19 Anordnungen“vorliege. Das Gericht verhandelte eine Klage gegen eine Fitnessstudiobesitzerin, die Verträge mit ihren Mitgliedern ohne Rücksprache anpasste. Die Klage wurde abgewiesen.
Auch der der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-anlagen spricht sich für eine Änderung des Vertrags aus: „Unter Vornahme einer Interessenabwägung und bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung ist die Vertragsanpassung – nicht Verlängerung – das mildeste Mittel, das beiden Interessen gerecht wird“, teilte der Verband unserer Redaktion mit. Das Mitglied zahle in Summe keinen Euro mehr, die Regelung sei unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen angemessen.
Genau das sei aber nicht immer gegeben, argumentieren die Verbraucherzentralen. „Es kann Gründe geben, dass ein Verbraucher nicht länger bei einem Anbieter bleiben möchte“, sagt Michael Herte von der Verbraucherzentrale Schleswig-holstein. Gründe dafür könnten ein Umzug sein, aber eben auch der individuelle Wunsch nach einem Studiowechsel. „Vor allem geht es den Verbrauchern darum, dass nicht übergriffig über ihren Kopf hinweg entschieden wird“, so Herte.
Was also ist bei einer ordentlichen Kündigung zu beachten, wenn man sich aufgrund der ungewissen Zukunft doch für einen Ausstieg entscheidet? Soll ein Vertrag in Corona-zeiten gekündigt werden, ist das grundsätzlich weiterhin möglich. Dabei müssen die Kündigungsfristen eingehalten werden. Unbedingt zu beachten – auch wenn die Kündigung online vorgenommen wird – ist, dass der Eingang bestätigt wird. Am besten eignet sich hierfür auch im Internet-zeitalter ein Einschreiben oder ein Fax. Zudem raten die Verbraucherzentralen, die Zahlungen zu stoppen oder die Einzugsermächtigung zu widerrufen. „Die Verbraucher, die wir beraten, und auch uns stört insbesondere, dass es offenbar in vielen Fällen keine Gespräche zwischen Fitnessstudio und Kunden gibt“, erklärt Herte. Die Fitnessstudios gingen zu stark davon aus, dass alle Mitglieder auch länger im Studio sein wollen. Das sei aber mitnichten in jedem Fall so. Besonders für diese Kunden dürfte der Vertrag nicht einfach verlängert werden. Die Verbraucherzentrale NRW weist aber auch darauf hin, dass eine Klage gegen die einseitige Anpassung mit Risiken verbunden sein kann. Die Gerichte würden mangels eines höherinstanzlichen Urteils bisher individuell entscheiden.