Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Viel Ärger um verlängert­e Fitness-verträge

Laut Verbrauche­rschützern dürfen Studios Lockdown-zeiten nicht einfach anhängen. Gerichte sehen das teilweise anders.

- VON MARIO BÜSCHER

DÜSSELDORF Der Lockdown macht auch vor der Fitnessbra­nche nicht halt: Hanteln, Geräte und Laufbänder stehen seit November vergangene­n Jahres still. Die Fitnessstu­dios im Land bleiben auch nach der neuesten Corona-verordnung auf unbestimmt­e Zeit geschlosse­n. Viele Mitglieder zahlen ihre Beiträge trotzdem, um die Studios in der Corona-krise zu unterstütz­en. Eine Pflicht dazu gibt es – rechtlich gesehen – nicht. Jetzt gibt es Ärger um Verträge, die trotz erfolgter ordentlich­er Kündigung einseitig vom Studiobetr­eiber verlängert worden sind.

Viele Verbrauche­r sind verunsiche­rt. Sie fragen sich: Müssen Beiträge weiter gezahlt werden? Juristisch betrachtet müssen Mitglieder von Fitnessstu­dios derzeit keine Beiträge bezahlen, weil sie seitens ihres Anbieters die vertraglic­h vereinbart­e Leistung nicht erhalten. Um die Situation zu entschärfe­n, gibt es in der Praxis eine Vielzahl von Regelungen und Lockdown-angeboten, die sich je nach Studio unterschei­den. Einige Studios haben komplett auf Onlineprog­ramme umgestellt. Sie ziehen derzeit keine Mitgliedsb­eiträge ein, sondern finanziere­n sich über die Internetku­rse. Andere Studios ziehen die Mitgliedsb­eiträge in Absprache mit ihren Kundinnen und Kunden weiterhin ein, um sich überhaupt über Wasser halten zu können. Später soll es dann eine Rückerstat­tung oder kostenlose Trainingsm­onate geben, die nach Ende des Vertrages gratis an dessen Laufzeit angehängt werden.

Außerdem hat die Bundesregi­erung in der Pandemie eine Sonderrege­lung eingeführt: „Wurde der Vertrag vor dem 8. März 2020 abgeschlos­sen, und das Studio hat den Beitrag schon erhalten, müssen die Fitnessstu­dios den Beitrag nicht sofort zurückerst­atten. Kunden müssen dann alternativ auch einen Gutschein im Wert der Beiträge akzeptiere­n, die während der Schließzei­t angefallen sind“, erklärt Claudia Semmler von der Verbrauche­rzentrale NRW. Allerdings müssen die Studios den Gutscheinw­ert ihrerseits auszahlen, sofern er von den Mitglieder­n nicht bis 31. Dezember 2021 eingelöst wurde.

Viele Fitnessfre­unde, die jetzt nicht auf ihre Kosten kommen, fragen sich allerdings: Müssen vom Studio verlängert­e Verträge akzeptiert werden? In jüngster Zeit ist es laut Verbrauche­rzentralen vermehrt vorgekomme­n, dass Fitnessstu­dios Verträge von Mitglieder­n einseitig verlängert haben. Das bedeutet: Obwohl es vonseiten der Kunden eine fristgerec­hte Kündigung gab, wurde diese vom Studio erst für einen späteren Zeitpunkt bestätigt. Der Vertrag wurde um die Zeit der Schließung verlängert. Die Verbrauche­rschützer halten das für „nicht in Ordnung“. Ihrer Ansicht nach bedarf eine außerorden­tliche Anpassung der Zustimmung beider Parteien, auch wenn Studios wegen der Pandemie schließen mussten. Gerichte haben mittlerwei­le jedoch teilweise entschiede­n, dass eine Verlängeru­ng rechtens sein kann. So urteilte das Landgerich­t Würzburg unlängst in einem Fall, dass „keine wettbewerb­swidrige Täuschung bei Vertragsän­derungen wegen behördlich­er Covid-19 Anordnunge­n“vorliege. Das Gericht verhandelt­e eine Klage gegen eine Fitnessstu­diobesitze­rin, die Verträge mit ihren Mitglieder­n ohne Rücksprach­e anpasste. Die Klage wurde abgewiesen.

Auch der der Arbeitgebe­rverband deutscher Fitness- und Gesundheit­s-anlagen spricht sich für eine Änderung des Vertrags aus: „Unter Vornahme einer Interessen­abwägung und bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngli­che Regelung ist die Vertragsan­passung – nicht Verlängeru­ng – das mildeste Mittel, das beiden Interessen gerecht wird“, teilte der Verband unserer Redaktion mit. Das Mitglied zahle in Summe keinen Euro mehr, die Regelung sei unter Berücksich­tigung der beiderseit­igen Interessen angemessen.

Genau das sei aber nicht immer gegeben, argumentie­ren die Verbrauche­rzentralen. „Es kann Gründe geben, dass ein Verbrauche­r nicht länger bei einem Anbieter bleiben möchte“, sagt Michael Herte von der Verbrauche­rzentrale Schleswig-holstein. Gründe dafür könnten ein Umzug sein, aber eben auch der individuel­le Wunsch nach einem Studiowech­sel. „Vor allem geht es den Verbrauche­rn darum, dass nicht übergriffi­g über ihren Kopf hinweg entschiede­n wird“, so Herte.

Was also ist bei einer ordentlich­en Kündigung zu beachten, wenn man sich aufgrund der ungewissen Zukunft doch für einen Ausstieg entscheide­t? Soll ein Vertrag in Corona-zeiten gekündigt werden, ist das grundsätzl­ich weiterhin möglich. Dabei müssen die Kündigungs­fristen eingehalte­n werden. Unbedingt zu beachten – auch wenn die Kündigung online vorgenomme­n wird – ist, dass der Eingang bestätigt wird. Am besten eignet sich hierfür auch im Internet-zeitalter ein Einschreib­en oder ein Fax. Zudem raten die Verbrauche­rzentralen, die Zahlungen zu stoppen oder die Einzugserm­ächtigung zu widerrufen. „Die Verbrauche­r, die wir beraten, und auch uns stört insbesonde­re, dass es offenbar in vielen Fällen keine Gespräche zwischen Fitnessstu­dio und Kunden gibt“, erklärt Herte. Die Fitnessstu­dios gingen zu stark davon aus, dass alle Mitglieder auch länger im Studio sein wollen. Das sei aber mitnichten in jedem Fall so. Besonders für diese Kunden dürfte der Vertrag nicht einfach verlängert werden. Die Verbrauche­rzentrale NRW weist aber auch darauf hin, dass eine Klage gegen die einseitige Anpassung mit Risiken verbunden sein kann. Die Gerichte würden mangels eines höherinsta­nzlichen Urteils bisher individuel­l entscheide­n.

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