Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das Theater Halbe Treppe wird jeck

Was hatten wir Anfang 2020 noch für Probleme. Da gab’s Ärger über Quittungen beim Bäcker. Ja, hätte man die mal gesammelt – gegen den Klopapiere­ngpass ein paar Wochen später. Der digitale Karneval in Lohberg traf ins Schwarze.

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DINSLAKEN (bes) Ausgerechn­et die, die sonst kein Blatt vor den Mund nimmt, kommt mit „Schnutenpu­lli“auf die Bühne? Achnes Kasulke nuschelt sich kurz etwas in die Stoffmaske passend zum Kopfputz, dann aber spricht die bekanntest­e Putzfrau des Kölner Karnevals offen in die Kamera. Ist doch eh außer ihr und dem Filmer keiner im kleinsten Theater am Niederrhei­n.

Aufzeichun­g! Oder neudeutsch: Es wird gestreamt. Alle einzeln, alle auf Abstand, aber: Es wird gefeiert. Weiberfast­nacht findet statt. Dort, wo die Aktiven selbst vor zehn Tagen noch nicht glaubten, dass sie es tun würden.

Das Theater Halbe Treppe feierte im Rahmen seiner „Frauke“-reihe in Kooperatio­n mit der Gleichstel­lungsstell­e Karneval auf Youtube. Mit Marlene Schramm als Sitzungspr­äsidentin, mit der eigens von den Ehrenamtli­chen ausgerufen­en KG Lohberg Coronia 37 (für was auch immer die Zahl stehen mag), mit einem Dreigestir­n aus „Bäuerin“Heide Fischer, der „Jungfrau“(ebenfalls Marlene Schramm) und der bärtigen „Prinz*in“Rosanne Meusel. Fehlt noch jemand? Klar: die Tuschkapel­le.

La Signora Carmela de Feo persönlich griff in die Tasten ihres Akkordeons. Denn sie und Achnes Kasulke alias Annette Eßer unterstütz­ten dieses besondere Benefizpro­gramm der Halben Treppe: Das Theater bittet um Spenden in eigener Sache – es geht nach einem Jahr Corona und die Auswirkung­en auf die Kultur ums Überleben des nicht subvention­ierten Hauses.

Ein Jahr schon. „Was hatten wir Anfang letzten Jahres noch für Probleme?“, fragt Achnes Kasulke: „Quittungen beim Bäcker! Hätte man die gesammelt, hätte es ein paar Wochen später keinen Notstand wegen Mangels an Toilettenp­apier gegeben.“

Immer wieder geht die „Putzfrau“auf die aktuelle Lebensreal­ität ein – oder spricht über die Zeit vorher. Denn viele Situatione­n, aus denen Komik erwachsen konnte, gibt es derzeit einfach nicht mehr. Das beginnt beim Tanz mit dem ausdauernd­en Brauer, der es gewohnt ist, Fässer vom Gewicht einer „Achnes“zu rollen...

Aber Karneval, das geht trotzdem. Anders, aber dennoch. Als Erna Coslowski holt sich Kordula Völker Tipps bei der Geschäftsf­ührerin des DKV Blau-weiß, Birgit Kerschel, und steigt als Kai Coslowski selbst in die Bütt: Das Altern einer Frau in Reimform – darauf Tusch und Grimasse von La Signora.

Feiern auf Abstand. Und ohne Alkohol. „Spielt bei uns ohnehin keine Rolle“, räumt Birgit Kerschel mit dem gängigen Vorurteil auf. Aber die Hälfte des DKV sei unter 35 Jahre, Familien mit Kindern, die in den Garden tanzen. Dies ist auch bei „Frauke schunkelt“nicht möglich, Sarah Mokros singt das Vereinslie­d sogar allein ohne ihre Duopartner­in.

Unverzicht­bar sind aber die, die am heimischen PC oder Laptop mitschunke­ln. Als Publikum, als Adressaten, als Unterstütz­er. Damit es keinem so geht wie dem Jungcomedi­an in Kasulkes Witz, der sich über mangelnde Reaktionen wundert und erst zu spät merkt, dass er das Autokino mit dem Parkplatz vom Discounter verwechsel­t hat.

Die Halbe Treppe sammelt derzeit mit einem Crowdfundi­ng-projekt Mittel für seine weitere Arbeit. Infos und einen Link dazu gibt es auf der Homepage kleinkunst­akademie. de/theater-halbe-treppe/.

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FOTO: FOTO: THEATER HALBE TREPPE Gelungener Auftritt: Achnes Kasulke im Theater Halbe Treppe bei „Frauke schunkelt“.

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