Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Auf dem Scheitelpunkt
Die Friseure dürfen nach mehr als zwei Monaten Zwangspause am 1. März wieder öffnen. Noch ist das wichtigste Utensil der Salons nicht die Schere, sondern das Telefon. Denn die Kunden können es kaum erwarten.
WESEL/HAMMINKELN Die Nachricht war nur wenige Stunden alt, da klemmte sich Stephanie Hopf bereits hinter das Telefon. Die Inhaberin des Friseursalons „Steffies Haare“in Ringenberg reagierte sofort auf die am Mittwoch beschlossenen, neuen Corona-maßnahmen. Die sehen vor, dass Friseure ab dem 1. März ihre Geschäfte wieder öffnen dürfen. Und so rief Stephanie Hopf genau die Kunden an, die Ende 2020 bereits einen Termin vereinbart hatten, dann aber vom Lockdown ausgebremst wurden.
„Ich habe ungefähr 50 Telefonate geführt“, sagt sie. Es sollten nicht die letzten Gespräche sein, die sie zwecks neuer Termine führen musste. Allerdings müssen die nun folgenden Kunden Wartezeit in Kauf nehmen. „Bis jetzt habe ich aber nur gute Erfahrungen gemacht. Alle sind geduldig und nett“, so Hopf.
Die Friseurin gibt zu, dass die ganz große Euphorie bei ihr nicht aufkommt. Zu sehr saßen ihr die finanziellen Sorgen im Nacken. „Dass wir jetzt wieder öffnen dürfen, ist schön. Aber es lenkt auch davon ab, dass vieles nicht gut laufen ist.
Die angekündigte Überbrückungshilfe kommt reichlich spät und der Bürokratieaufwand ist enorm“, sagt Hopf, die ihren Salon gemeinsam mit Nicole Thünte betreibt.
Auch Marco Homp-michelbrink, Inhaber des Friseursalons in Hamminkeln, hat von den Finanzhilfen bisher wenig gespürt. „Ich habe fünf Prozent des Umsatzausfalls bekommen. Das ist weniger als ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn man bedenkt, dass ich vier Monate lang keinen Umsatz hatte, meine Kosten jedoch weitergelaufen sind“, sagt der Friseurmeister. Der 53-Jährige gibt sich aber kämpferisch: „Ich bin Friseur aus Leidenschaft. Das ist meine Existenz. Das Jammern nützt nichts. Es ist besser, die Ärmel hochzukrempeln.“
In den letzten Tagen hat er 150 Termine vergeben. Viele Kunden kommen seit Jahren zu Marco Komp-michelbrink, der dankbar ist, dass er so viel Unterstützung aus seinem Kundenstamm bekommt. „Das ist der Vorteil gegenüber Großstädten, wo alles etwas anonymer zugeht. Einige Kunden haben sogar angekündigt, mir den doppelten Preis für einen Haarschnitt zahlen zu wollen“, sagt er. Die leicht verschärften Auflagen wirken sich bei ihm nur wenig aus. Aufgrund der Tatsache, dass im Salon nun nur noch eine Person pro zehn Quadratmesser zugelassen ist, kann er bei drei arbeitenden Friseuren lediglich drei Kunden gleichzeitig in seinen Laden lassen.
Friseur aus Leidenschaft, das trifft auch auf Willi Hess zu. Der 61-Jährige betreibt seinen Salon Struwwelpeter in Flüren bereits seit 37 Jahren. Und er kann es kaum erwarten, wieder loslegen zu dürfen. „Ich bin voller Vorfreude. Ich kam mir vor wie ein Rentner. So schön ein wenig mehr Freizeit ist, war es auch recht langweilig“, sagt Hess, der ebenso wie seine Berufskollegen in den letzten Tagen viel Zeit am Telefon verbrachte, um Termine zu vergeben.
Er stellt sich darauf ein, dass die Arbeitstage länger werden, wenn in Kürze der Struwwelpeter seine Pforten öffnet. „Wir fangen morgens früher an und hören abends später auf. Man darf ja nicht vergessen, dass es mit Beischneiden nicht getan ist, sondern es sich oftmals um Neuhaar-schnitte handelt. Das nimmt mehr Zeit in Anspruch“, so Hess. Die Zeit nimmt er sich allerdings gerne, denn „ich bin Handwerker, Seelsorger und Entertainer“. Mit seinen Kunden, 99 Prozent von ihnen sind laut Hess Stammkunden, zeigte er sich in der Zeit des Lockdowns übrigens solidarisch. Von seiner Frau, die mit ihm den Salon betreibt, ließ er sich seit der vorübergehenden Schließung des Geschäfts nicht mehr die Haare schneiden.
Auf „keine festen Arbeitszeiten“stellt sich auch Silvia Slickers ein. Die Friseurmeisterin, deren Salon sich in Lackhausen befindet und die sich mit ihrer Tochter um das Haarwohl der Menschen kümmert, geht davon aus, dass „es auch schon mal 22 Uhr werden kann“, bis der letzte Kunde den Salon verlässt.
Dass das Telefon bei ihr nicht still steht, freut sie, weil es ein Indiz dafür ist, dass es losgeht. Sie ärgert sich aber darüber, dass die vollmundig angekündigten Finanzhilfen bis dato ausgeblieben sind. „Das zieht einem schon den Boden unter den Füßen weg. Und ich weiß von einigen Kollegen, dass sie wohl nicht mehr öffnen werden“, sagt Slickers. Hinsichtlich der Auflagen macht sie sich keine Sorgen. „Da waren wir schon beim ersten Lockdown bestens aufgestellt. Die Zehn-quadratmeter-regel können wir leicht erfüllen und medizinische Masken haben wir schon vorher getragen.“