Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ab Mai soll in Praxen geimpft werden
Kassenärzte und Apotheker haben ein Konzept entwickelt, um niedergelassene Mediziner in NRW mit Biontech-impfstoff zu beliefern. Patienten können sich das Vakzin aber nicht aussuchen. Die Apotheker fordern, die Priorisierung zu lockern.
DÜSSELDORF Noch ist der Impfstoff knapp, doch schon in einigen Wochen können die Impfzentren ausgelastet sein. Nun rüsten sich die niedergelassenen Ärzte für das Spritzen in den Praxen. Das Impfen könne Mitte April bis Mitte Mai losgehen, heißt es aus Berliner Kreisen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erwartet „einen Impfstart für die Praxen in den nächsten sechs bis acht Wochen“, wie ein Sprecher erklärte. Voraussetzung sei, dass genug Impfstoff da und die Impfverordnung geändert sei.
Die Praxen können dann nicht nur das Vakzin von Astrazeneca, sondern auch das von Biontech verwenden. Zur Belieferung hat nun die KBV mit Vertretern der Apotheken und des Pharma-großhandels ein Konzept entwickelt, das auf den empfindlichen Biontech-stoff ausgerichtet ist. „Die 4000 Apotheken in NRW stehen bereit, die niedergelassenen Ärzte ab Mai mit Impfstoff auch von Biontech zu versorgen“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, auf Anfrage. Er erläuterte, wie das gehen kann: „Die Ärzte ordern bei uns den Bedarf für eine Woche. Jeweils am Montag würde der Großhandel den Impfstoff den Apotheken anliefern, die Apotheken würden ihn dann in Kühlboxen an die Praxen ausliefern. Bei zwei bis acht Grad ist der Impfstoff 120 Stunden, also eine Arbeitswoche, haltbar.“
Zugleich mahnte der Verbandschef, Fehler nicht zu wiederholen: „Nach dem Terminvergabe-chaos bei den über 80-Jährigen warne ich davor, einen zentralen Startschuss für die Impfung in den Praxen zu geben. Sonst wird es dort zu Staus kommen“, sagte Preis. „Stattdessen sollten die Praxen nach und nach umgestellt werden.“
Das Nrw-gesundheitsministerium erklärte, man sei „zuversichtlich, zeitnah ein Konzept zur Verimpfung in den Hausarztpraxen vorlegen zu können“. Minister Karl-josef Laumann (CDU) hat bereits versichert, dass der Biontech-impfstoff auch in Nrw-hausarztpraxen zum Einsatz kommen soll. Doch dazu müsse erst ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen. In Hamburg werden Krebspatienten bereits in onkologischen Praxen geimpft.
Klar ist: Patienten sollen sich den Impfstoff nicht aussuchen können. Das sprenge alle Ansätze, schnell und sicher zu impfen, sagte der Vizechef der KBV, Stephan Hofmeister. „Wer das nicht möchte, der muss warten, bis er das bekommt, was er sich wünscht.“Astrazeneca sei auch kein Impfstoff zweiter Klasse. Mit der Ausweitung auf Praxen kann die Impfkampagne endlich durchstarten: 50.000 der bundesweit rund 75.000 Arztpraxen könnten täglich jeweils 20 Dosen verabreichen und dadurch bis zu fünf Millionen Impfungen in der Woche vornehmen, rechnete die KBV unlängst vor.
Für die Ausweitung auf die Praxen gibt es neben der Logistik noch einen Knackpunkt: die Reihenfolge der Patienten. Die Priorisierung ist bislang streng durch die Impfverordnung vorgeschrieben. Sie werde aber nachrangig, sobald genug Impfstoff vorhanden ist, meint die KBV. „Es sollte in der Verantwortung jedes Arztes gestellt werden, wen von seinen Patienten er impft. Die Impfverordnung sollte flexibel genutzt werden, Ärzte können nicht im Wartezimmer priorisieren“, warnt auch Apothekerverbandschef Preis.
Der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, ist skeptisch gegenüber Änderungen. „Ich warne davor, eine Priorisierung nach evidenzbasierten Kriterien ganz aufzugeben, weil dies zu einem Chaos und einer Vergabe von Impfungen nach Gutsherrenart führen würde“, sagte Mertens im RBB-RAdio mit Blick auf das Vorziehen von Grundschullehrern und Erziehern. Für Menschen mit Vorerkrankungen sei es schwer verständlich, wenn sie nun durch eine geänderte Priorisierung noch länger auf eine Impfung warten müssten.
In NRW gibt es eine weitere Aufweichung der Impfverordnung: Nach Grundschullehrern und Erziehern können nun auch kranke Menschen mit einem besonders hohen Gesundheitsrisiko vorrangig geimpft werden. Das geht laut WDR aus einem Härtefallerlass von Laumann hervor und betrifft Einzelfälle. Betroffene müssen ein aktuelles Attest vorlegen. Der Antrag auf vorrangige Impfung muss bei Stadt oder Kreis gestellt werden.