Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Den blauen Hunden auf der Spur
Nahe einer russischen Glasfabrik sind streunende Hunde mit buntem Fell entdeckt worden. Die Ursache ist ein Rätsel.
MOSKAU Bunte Hunde gehören in Dserschinsk in letzter Zeit zum Straßenbild. Blaue und gletscherblaue Vierbeiner streunen seit Tagen durch die Stadt, auch ein rosafarbenes Exemplar wurde bereits gesichtet. Die ungewöhnliche Fellfarbe rief lokale Tierärzte und die städtische Verwaltung auf den Plan. Die meisten Tiere konnten eingefangen werden. Untersuchungen, so meldet die Behörde, sollen weder Krankheiten noch andere Abweichungen ergeben haben. Kurzum: Kerngesund, lautete die Entwarnung. Angeblich hätten sich auch schon neue Herrchen gefunden, die sich mit den ungewöhnlichen Fellen schmücken wollten, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Ria.
Dserschinsk ist nach dem Gründer des sowjetischen Geheimdienstes, Felix Dserschinski, benannt worden. Die Stadt liegt 40 Kilometer vor den Toren der Stadt Nischni Nowgorod und 360 Kilometer östlich der Hauptstadt Moskau. Früher war die Stadt mit 240.000 Einwohnern für Ausländer nicht zugänglich. Dserschinsk war eine geschlossene Stadt, in der vor allem Munition und chemische Kampfstoffe produziert wurden. 2019 machte die Stadt auf sich aufmerksam, als bei einer Explosion in einer Munitionsfabrik 79 Menschen verletzt und 180 Häuser zerstört wurden.
Doch was mag mit den streunenden Hunden passiert sein? Könnten sie in eine Wanne mit Kupfersulfat gefallen sein, wie der ehemalige Inhaber einer Acrylglasfabrik vermutete? Oder sollten sie durch das „Weiße Meer“geschwommen sein, einen Schlammsee mit weißschaumigen chemischen Rückständen auf dem Territorium der Giftfabriken?
Zwischen 1930 und 1998 wurden vermutlich 300.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe auf dem Gebiet unsachgemäß entsorgt. Oder sollten die Tiere etwa genbehandelt worden sein? Die „Blue Line“ist bei französischen Bulldoggen oder Staffordshire-terriern besonders beliebt. Sie sehen edel und extravagant wegen ihrer Fellfarbe aus. Ihnen wird das Verdünnungsgen Dilute bewusst implantiert.
Der Vorsitzende des Umweltausschusses des russischen Parlaments, Waldimir Burmatow, sagte dem Radiosender Goworit Moskwa, die Staatsanwaltschaft sei bereits verständigt worden. Schließlich könnten die Veränderungen auf ernste Umweltprobleme hinweisen: „Wir müssen genau ermitteln, wo diese armen Kerle herumgeklettert sind.“Auch in der Nähe von Moskau, bei Podolsk, sei inzwischen ein pinkfarbener Hund aufgetaucht, sagte er.
Die Umweltorganisation Blacksmith Institute führte Dserschinsk unter den drei verseuchtesten Städten der Welt, nach einer Elektroschrottdeponie in Accra in Ghana und dem Mündungsdelta des Flusses Citarum in Indonesien. Um 2007 rangierte die Lebenserwartung von Männern bei 42 Jahren, Frauen wurden durchschnittlich 47 Jahre alt. Laut Greenpeace ist dies auch durch die hohe Dauerbelastung mit Dioxin und Phenol zurückzuführen, deren Werte millionenfach über dem Grenzwert liegen. Die Schließung vieler Unternehmen hat die Umweltbelastung in den vergangenen Jahren gesenkt.
Ob die tatsächlichen Ursachen für die Verfärbungen gefunden werden? Angeblich hatte die Stadtverwaltung zunächst Schwierigkeiten, vom Inhaber der Immobilie eine Erlaubnis zu erhalten, die Tiere einzufangen. 2015 war der Acrylglashersteller Orgsteklo bereits pleitegegangen.