Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Monsantos Rache
Bayer schreibt einen Verlust von zehn Milliarden Euro. Die Glyphosat-klagen belasten den Konzern ebenso wie das einbrechende Agrargeschäft. Die Dividende sinkt. Details zum Jobabbau stehen noch aus.
LEVERKUSEN Die Übernahme des Us-konzerns Monsanto zieht Bayer tief in die roten Zahlen. Im vergangenen Jahr machte der Konzern unterm Strich einen Verlust von 10,5 Milliarden Euro, wie Bayer mitteilte. Vor einem Jahr gab es noch einen Gewinn von vier Milliarden. Der unendliche Streit um Glyphosat verursacht hohe Kosten, und auch beim operativen Geschäft läuft es in der Agrarsparte schlecht.
Problemfall Agrarsparte Zwar hat sich Bayer unlängst mit den Klägeranwälten in den USA darauf geeinigt, wie künftige Klagen beigelegt werden sollen. Vor allem soll den Klägern der Gang vor das Gericht weiter möglich bleiben, so wie es der Bundesrichter Vince Chhabria gefordert hatte. Nun hängt das Schicksal von Bayer wieder einmal an Chhabria, der entscheiden muss, ob er dem Deal zustimmt. 125.000 Klagen gab es; 90.000 davon hat Bayer mit einem Vergleich beendet, oder sie entsprachen nicht den Kriterien für einen Vergleich. 35.000 Klagen sind weiter offen. Doch auch operativ läuft es schlecht in der Agrarsparte: Alleine im vierten Quartal brach der Gewinn um 30 Prozent ein – auch wegen gesunkener Nachfrage im wichtigen Markt Nordamerika. Die Belastungen führten zu milliardenschweren Abschreibungen. Die Rechtsstreitigkeiten um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, aber auch um Essure ( Verhütung), Dicamba (Pflanzenschutz) und die Monsanto-altlast PCB kosteten Bayer viel Geld: Der Konzern zahlte hierfür in der Summe fast vier Milliarden Euro, in diesem Jahr werden es acht Milliarden sein.
Rettung durch Pharma Wegen der Corona-krise fielen viele planbare Operationen aus. Das belastete den Gewinn der Sparte mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln wie dem Augenmittel Eylea. Das Schlaganfallmittel Xarelto ließ dagegen weiter die Kassen klingeln, sodass sich die Pharmasparte (Pharmaceuticals) insgesamt gut geschlagen hat. Sie steuert mehr als 60 Prozent des operativen Gewinns bei und rettete die Bayer-bilanz. Im Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln (Consumer Health) ging der Gewinn zurück, nachdem Bayer wenig rentable Bereiche verkauft hat.
Bittere Pille für Aktionäre Den Absturz bekommen nun auch die Aktionäre zu spüren. Statt 2,80 Euro wie im Vorjahr soll es jetzt nur noch zwei Euro je Aktie geben. Dass Bayer überhaupt eine Dividende zahlt, liegt daran, dass jenseits der Sonderbelastungen und Abschreibungen der operative Gewinn (Ebitda) 2020 unverändert bei 11,5 Milliarden Euro lag. „Unsere operative Stärke in diesen unruhigen Zeiten zeigt, dass sich unsere Geschäfte auch in der Pandemie als widerstandsfähig erweisen“, sagte Bayer-chef Werner Baumann. Der eher trübe Ausblick – Bayer erwartet nur einen Gewinn auf Vorjahresniveau – ließ die Aktie aber auch am Donnerstag um über vier Prozent ins Minus fallen, Bayer rutschte damit ans Ende des Dax. Keine Momentaufnahme: Allein im vergangenen Jahr ist die Bayer-aktie um 31 Prozent gefallen. „Unbefriedigend“nennt der Konzern das. Das Papier des Unternehmens steht aktuell bei 53 Euro. Vor der Monsanto-übernahme war der Aktienwert doppelt so hoch, der Rekord von über 140 Euro aus dem Frühjahr 2015 liegt momentan in weiter Ferne.
Folgen für die Mitarbeiter Bis zum Jahr 2022 will Bayer, wie 2018 angekündigt, 12.000 Arbeitsplätze abbauen und die jährlichen Kosten um 2,6 Milliarden Euro drücken. Davon sind laut Finanzchef Wolfgang Nickl rund 9000 Stellen bereits abgebaut. Nun hat Bayer 100.000 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr erklärte Bayer, die Kosten ab 2024 um weitere 1,5 Milliarden Euro senken zu wollen. Seit Monaten warten die Mitarbeiter auf konkrete Informationen. Die Aussicht ist trübe: Sollte das neue Kostenziel der Maßstab sein, würde rein rechnerisch der Abbau weiterer 7000 Stellen drohen. Baumann wies einen Abbau in dieser Größenordnung zurück: „Der Fokus liegt auf den Sachkosten.“Zugleich betonte der Bayer-chef: „Betriebsbedingte Kündigungen sind bis Ende 2025 ausgeschlossen. Wir werden den Abbau weiterhin fair und Bayer-like gestalten.“
Der Milliardenverlust ist enttäuschend, findet Markus Manns, Manager der Fondsgesellschaft Union Investment. Zwar hätten sich die Perspektiven für Bayer durch steigende Agrarpreise und Pharma-zukäufe im Bereich Zell- und Gentherapien kontinuierlich verbessert. „Aber Bayer ist noch nicht über dem Berg. Erst mit einer Genehmigung des Glyphosat-vergleichs könnte ein vorläufiger Schlussstrich unter die Rechtsstreitigkeiten gezogen werden“, sagte Manns.