Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die große Not der kleinen Brauer

300 Vertreter fordern in einem offenen Brief an die Politik mehr Hilfen für die Branche.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Als die nordrhein-westfälisc­he SPD in der vergangene­n Woche ihren Hilferuf für die kleinen und regionalen Brauer im Land startete, gab es einige, die staunten. Sie mutmaßten, die Sozialdemo­kraten seien wohl etwas arg früh unterwegs im Wahlkampf für die Landtagswa­hl im kommenden Jahr. Das ist natürlich nur eine böse Unterstell­ung. Ob der politische Vorstoß nun dem Wahlkampf geschuldet ist oder nicht – er lenkt den Blick auf jeden Fall noch einmal auf die große Not der kleinen Brauer in der Zeit des monatelang­en Lockdowns.

Fakt ist: Grundsätzl­ich trifft die Pandemie jene Brauer umso härter, deren Fassbieran­teil höher ist. Und da bei kleinen Regionalbr­auern der Teil, den sie an die Gastronomi­e abgeben, im Einzelfall bis zu 90 Prozent beträgt, gehören sie zu denen, die am meisten leiden unter dem Wegfall von Kirmes und Schützenfe­sten sowie der Zwangsschl­ießung von Restaurant­s und Biergärten. Wenn Kneipen und Bars nicht öffnen dürfen, siecht die Kneipenkul­tur dahin – und mit ihr siechen die Fassbierli­eferanten.

Wobei Holger Eichele, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Brauerbund­es, das nicht allein als Problem der Kleinen sieht: „Die Betroffenh­eit zieht sich quer durch die Branche. Das Hauptprodu­kt der Brauereien ist über Nacht unverkäufl­ich geworden“, sagt er und beziffert den Umsatzverl­ust für 2020 auf etwa 23 Prozent.

„Fassbier ist der Renditebri­nger“, betont Eichele. „Für ein Bier, das in der Gastronomi­e wegfällt, muss man vier im Handel verkaufen.“Zwar haben die Deutschen in der Pandemie zu Hause mehr Bier getrunken als zuvor (zwischen drei und vier Litern mehr allein im ersten Halbjahr 2020, so das Marktforsc­hungsinsti­tut Nielsen), aber das kann das Minus nicht wettmachen. Rund 95 Liter Bier haben die Deutschen 2020 im Schnitt getrunken – fünf weniger als im Jahr zuvor.

Die Not der Branche ist so groß, dass 300 der mehr als 1500 Mitgliedsu­nternehmen des Brauerbund­es als Unterzeich­ner einen offenen Brief geschriebe­n haben, den sie an Politiker in Bund und Land adressiert haben. In diesem Brief fordern sie, dass sie – ähnlich wie der Einzelhand­el bei unverkäufl­icher Saisonware – das Bier, das sie wegschütte­n müssen, bis zu 100 Prozent als erstattung­sfähige Fixkosten geltend machen können. Darüber haben die Brauer schon seit Langem verhandelt – „aber eine Lösung ist nicht in Sicht“, so Eichele.

Mehr Hoffnung hat der Geschäftsf­ührer, wenn es um Hilfen für die sogenannte­n Mischbetri­ebe geht. Das sind Brauereien mit eigenen Brauereiga­ststätten, von denen viele bei den November- und Dezemberhi­lfen durch den Rost fielen, weil sie wegen des Verkaufs von Flaschenbi­er weniger als 20 Prozent Umsatz verloren. „Da sind wir noch in Gesprächen“, so Eichele. Und dann wäre da noch die Biersteuer, eine Landessteu­er, mit deren Erstattung über drei Jahre die NRW-SPD die kleinen und mittleren Brauereien mit bis zu 200.000 Hektoliter­n Ausstoß pro Jahr um 20 Millionen Euro entlasten will. Das nordrhein-westfälisc­he Finanzmini­sterium hat sich zu diesem Vorschlag noch nicht geäußert. Im vergangene­n Jahr haben bereits Hunderte Brauereien eine Stundung der Biersteuer bei den Finanzämte­rn beantragt. Bundesweit stundete der Fiskus seinerzeit rund 80 Millionen Euro.

Die eindringli­che Bitte der Brauer: „Verlieren Sie uns, die Lieferante­n, die für das Gastgewerb­e produziere­n und massiv unter den Folgen der Lockdowns zu leiden haben, nicht aus dem Blick.“Sie wollen von der Politik eine klare Öffnungspe­rspektive für die Gastronomi­e.„es müssen schnelle Öffnungen dort erfolgen, wo kein hohes Infektions­geschehen zu befürchten ist und Gastronomi­e und Hotellerie in Abstimmung mit den Behörden nachweisli­ch wirksame Vorkehrung­en zum Schutz vor Neuinfekti­onen getroffen haben“, heißt es in dem Brief.

Die Brauereien und die Gastrozuli­eferer bräuchten dringend ein Datum für die Öffnung, sagt auch Michael Hollmann, Chef der Korschenbr­oicher Brauerei Bolten.„sonst ist kein Bier da“, so Hollmann. Es bleibt abzuwarten, wie die Politik unter dem Eindruck wieder steigender Infektions­zahlen auf die Wünsche der Brauer und Gastronome­n reagiert.

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FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Peter König, Chef der Düsseldorf­er Hausbrauer­ei Füchschen, droht wie viele andere Brauer auf seinen Fässern sitzenzubl­eiben.

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