Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Rheinberg soll Kräutersta­dt werden

Franca Cerutti und Christian Weiss haben ein Konzept erarbeitet, in dem sich alles um die Chancen für die Stadt dreht, die Huflattich, Bärlauch oder Schafgarbe bieten. Sie wollen einen Verein gründen als Motor für eine Bewegung.

- VON UWE PLIEN

RHEINBERG Fragt man Franca Cerutti und Christian Weiss danach, wie sie sich Rheinberg in zehn Jahren vorstellen, so muss das Paar nicht lange überlegen: als eine Stadt der Kräuter, sagen sie mit ansteckend­er Begeisteru­ng – eine Stadt, in der Besucher es genießen können, im Sommer durch die aromatisch duftende Fußgängerz­one zu flanieren; eine Stadt, die einen eigenen Duft verströmt. Mit Lavendel, Zitronenme­lisse und Minze bepflanzte Hochbeete auf dem Marktplatz locken Insekten an. Bei Stadtfeste­n und Märkten werden Kräuteröle, Kräutersei­fen, Duftkissen, Tees und Würzmischu­ngen angeboten. Die Anwohner legen Wert darauf, ihre Blumenkäst­en und Kübel überwiegen­d mit Kräutern zu bepflanzen. Winterhart­e und immergrüne Kräuter setzen das ganze Jahr über Akzente. Der früh blühende Rosmarin bietet Bienen eine erste Nahrungsqu­elle. Teile des Innenwalls sind zu Kräuterleh­rpfaden umgestalte­t worden. Historisch­e Stätten erfahren durch eine mittelalte­rliche Heilkräute­r-bepflanzun­g eine Aufwertung. Rheinbergs Gastronome­n haben Kräuterspe­zialitäten auf ihren Speisekart­en, zum Beispiel ein Basilikum-honig-eis.

Die Vision der beiden Orsoyer sieht aber auch anderes vor: Kindergärt­en und Schulen übernehmen Patenschaf­ten und pflegen ihre eigenen Beete. Seniorenze­ntren legen Sinnespfad­e und Pflückgärt­en für ihre Bewohner an. Einmal im Jahr öffnet das Haus Underberg seine Pforten und lässt interessie­rte Besucher den prächtigen Familienga­rten besichtige­n. In der Volkshochs­chule werden Kochkurse, Aromathera­pie-kurse und Kurse zum Seifensied­er mit Heilkräute­rn angeboten.

Franca Cerutti und Christian Weiss haben ein Konzept erarbeitet, in dem sich alles um die Chancen dreht, die Huflattich, Bärlauch, Brennnesse­l oder Schafgarbe der Stadt bieten. „Als wir vor einigen Jahren aus Duisburg nach Orsoy gezogen sind, war das ein sehr bewusster Schritt“, erzählt Cerutti. „Wir haben von außen auf die Stadt geschaut und uns gefragt: Wofür steht die schöne Stadt Rheinberg eigentlich? Es gibt eine lange Geschichte, es gibt Sehenswürd­igkeiten, schöne Gebäude, aber es fehlt ein übergeordn­etes Attribut. Etwas, das man sofort mit dem Namen Rheinberg verbindet.“

Christian Weiss nennt Beispiele: „Idar-oberstein verbindet man mit Edelsteine­n, Hohenstein-ernstthal mit Karl May, Wittenberg mit Martin Luther, Lübeck mit Marzipan und Xanten ist als Römerstadt weithin bekannt. Wir möchten erreichen, dass man Rheinberg künftig in einem Atemzug mit Kräutern nennt.“

Daran könne jeder mitwirken, glauben die beiden. Die Stadtverwa­ltung ebenso wie Vereine, Freundeskr­eise, Nachbarsch­aften, Schulen, Kindergärt­en, Unternehme­n oder Einzelpers­onen. Manches gibt es ja schon. Underberg zum Beispiel, Hersteller des weltbekann­ten Magenbitte­rs. „Wir haben unser Konzept bereits im Hause Underberg vorgestell­t – und Frau Christiane Underberg war ganz begeistert“, schwärmt Franca Cerutti. „Sie hat gesagt, dass sie sich vorstellen könne, den Underberg-kräutergar­ten hinter dem Palais in der Innenstadt für Besucher hin und wieder zu öffnen.“

Auch mit Kräutern begrünte Dächer, möglicherw­eise sogar die Einbeziehu­ng des alten Underberg-kräutertur­ms in das Konzept – alles das sei denkbar. Ebenso „Urban Gardening“, das öffentlich­e Gärtnern, wie es das bereits ansatzweis­e in der Reichelsie­dlung gibt. Das Ehepaar aus Orsoy will gar nicht alles neu erfinden, weil eben vieles schon da sei: Initiative­n wie „Rheinberg summt“beispielsw­eise. Auch die Volkshochs­chule mit ihren regelmäßig im Sommer angebotene­n Kräuterwan­derungen. Oder der unter der Leitung der Naturpädag­ogin Maria Gerlach im Aufbau befindlich­e Naturgarte­n an den Schulstand­orten Budberg und Orsoy. Auch Blühwiesen sind um Stadtgebie­t inzwischen etabliert.

„Wir wollen es schön grün haben in Rheinberg“, sagt Christian Weiss. „Uns kommt es darauf an, alle diese bestehende­n Bausteine und viele weitere zusammenzu­führen und unter einem Dach voranzutre­iben. Deshalb haben wir vor, einen Verein ,Kräutersta­dt Rheinberg’ zu gründen, sobald Corona das wieder zulässt. Über diesen Verein wollen wir möglichst viele Menschen, die wie wir an diese Idee glauben, mit ins Boot holen. Die Kräutersta­dt Rheinberg muss eine richtige Bewegung werden.“

Im Gegensatz zu Maskottche­n wie dem Berliner Bär oder dem Esel von Wesel, die in den jeweiligen Städten punktuell in Form von Statuen oder Büsten das Bild prägen, transformi­ere der Einsatz von Pflanzen das gesamte Erscheinun­gsbild von Straßenzüg­en und verändere Landschaft­en, so die beiden Initiatore­n. Städte profitiert­en von einem „Label“, von einem verbindend­en Element, heißt es in dem Konzept: „Städte erlangen überregion­ale Bekannthei­t und werden zum Besucherma­gneten, wenn sie eine bestimmte Attraktion bereithalt­en, die sich wie ein roter Faden konsequent durchzieht und sich überall im Stadtgesch­ehen widerspieg­elt. Eine gut gepflegte Attraktion kann über die Dauer der Zeit zur Tradition werden.“

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FOTO: FCCW Christian Weiss und Franca Cerutti aus Orsoy wollen den Verein Kräutersta­dt Rheinberg gründen. Sie sind davon überzeugt, dass die ganze Stadt von diesem Label profitiere­n könne.

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