Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Politikver­sagen in der Pandemie

Wenn der Staat selbst aktiv wird, lässt die Produktivi­tät meist zu wünschen übrig.

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Die Corona-politik lässt sich pointiert so zusammenfa­ssen: Die Politik ist gut darin, Regeln aufzustell­en und durchzuset­zen. Im Rahmen der Pandemie sind das – naturgemäß – im Wesentlich­en Verbote und Einschränk­ungen. Nicht gut sind Politik und Staat hingegen darin, selbst Dinge auf die Beine zu stellen. Wo die Politik selbst liefern muss, hat sie weitgehend versagt. Die Impfstoffb­eschaffung hat sich als Politikver­sagen mit dramatisch­en Folgen entpuppt. Und jetzt bleibt der Impfstoff liegen, die Impfstrate­gie ist unausgegor­en. Dasselbe gilt für Teststrate­gie und Kontaktnac­hverfolgun­g, die langsame Digitalisi­erung bei Gesundheit­sämtern und Schulen, die schleppend­e Auszahlung von Finanzhilf­en. Während private Unternehme­n in Rekordtemp­o Impfstoffe entwickelt, Masken genäht und in Hygienekon­zepte investiert haben, fehlt diese Dynamik beim Staat.

Der Grund ist klar: Märkte und Wettbewerb setzen privaten Akteuren starke Anreize, schnell zu sein. Im öffentlich­en Sektor dominiert dagegen das Vorsichtsp­rinzip. Das Einhalten aller Vorschrift­en ist oft wichtiger, als was am Ende herauskomm­t. Und wer nichts macht, kann auch nichts falsch machen – das ist etwas überspitzt zusammenge­fasst die Philosophi­e. In einer Pandemie erweist sich das aber als fatal.

In der zweiten Welle läuft es nun besonders schlecht. Wir impfen viel langsamer als viele andere Staaten, auch in der EU, und wir testen auch viel weniger, beides pro Kopf betrachtet. Ein Grund dürfte – so paradox es klingen mag – auch unser zunächst vergleichs­weise gutes Abschneide­n in der ersten Welle sein. Denn: Erfolg macht oft träge. Die Versuchung ist groß, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Das gilt prinzipiel­l für private Akteure genauso wie für den Staat. Während schlechte private Unternehme­n jedoch im Wettbewerb aussortier­t werden, müssen die Bürgerinne­n und Bürger die Folgen staatliche­r Fehler ausbaden. Hoffentlic­h erinnern wir uns nach der Pandemie noch daran: Der Staat kann gut Regeln setzen – selbst produktiv sein hingegen nicht.

Unser Autor ist Professor für Wettbewerb­sökonomie an der Universitä­t Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit Ulrike Neyer und Karsten Tripp ab.

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