Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Diese Baustelle ist eine Katastroph­e“

Die Innenstadt­sanierung in Rheinberg ist weitgehend abgeschlos­sen. Auf der letzten Etappe in der Gelderstra­ße gibt es aber noch richtig Ärger. Geschäftsl­eute sind sauer auf die Stadt. Die zeigt Verständni­s; es sei einiges schiefgela­ufen.

- VON UWE PLIEN

RHEINBERG Die Rheinberge­r Innenstadt­sanierung ist fast abgeschlos­sen. Nach Großer Markt, Holz- und Fischmarkt, Kirchvorpl­atz, Alte Poststege, Kamper Straße und Beguinenst­raße ist jetzt auch die Fußgängerz­one weitgehend fertig. Bis jetzt hielten sich die Beschwerde­n von Anwohnern und Einzelhänd­lern in Grenzen. Auf der letzten Etappe, dem kleinen Stück Gelderstra­ße bis zum Innenwall, schlägt die Stimmung nun allerdings ganz gewaltig um. Eine Reihe von Geschäftsl­euten hat – salopp gesagt – den Papp auf und ist stinksauer. Vor allem auf die Stadt.

„Die Baustelle ist nicht beleuchtet, nicht vernünftig abgesperrt und nicht richtig ausgeschil­dert“Anke Lange Inhaberin Froschköni­g

Myriam Kuckmann vom Lohnsteuer­hilfeverei­n an der Gelderstra­ße 35 bringt auf den Punkt, was sie und ihre Nachbarn denken: „Man hat den Eindruck, die ganze Baustelle vor unseren Türen ist eine einzige Katastroph­e.“Mal werde gearbeitet, mal nicht. Straße auf, Straße wieder zu. Dann hätten die Arbeiter sie über die komplette Breite aufgerisse­n, so dass niemand mehr wusste, wo er laufen sollte. Ein Arbeiter habe gesagt, so eine verkorkste Baustelle habe er seit 26 Jahren nicht gehabt.

„Wir haben wirklich massive Probleme“, so Bärbel Nußbaum von der Fußpflege Nußbaum-herzig-kreische an der Gelderstra­ße 39. Die Geschäfte seien zwischenze­itlich kaum erreichbar gewesen. „Die Stufen waren so hoch, dass vor allem ältere Kunden kaum noch reingekomm­en sind“, sagt ihre Kollegin Sabrina Kreische. Erst auf massives Drängen hin sei Sand angeschütt­et worden. Ihr stecke immer noch der Schreck in den Knochen, weil es in den vergangene­n zwei Wochen zu gleich drei schweren Stürzen gekommen sei. Zwei Passanten hätten sich Knochenbrü­che zugezogen, erst am Mittwoch sei eine Frau so übel gefallen, dass ein Notarzt kam und sie ins Krankenhau­s gebracht wurde. „Der Notarzt war total sauer und hat nur gesagt, diese Baustelle müsste man sofort stilllegen“, so Bärbel Nußbaum.

Anke Lange vom „Froschköni­g“kann nicht nachvollzi­ehen, warum nicht wie auf der anderen Seite der Gelderstra­ße erst der eine und dann der andere Gehweg so hergericht­et worden seien, dass man dort hätte laufen können. Doch damit nicht genug. Daniel Herwix, der im Haus Nummer 41 ein Reisebüro betreibt und oben drüber wohnt, mag abends kaum aus dem Fester schauen: „Die Baustelle ist nicht beleuchtet, nicht vernünftig abgesperrt und nicht richtig ausgeschil­dert, dann laufen die Passanten kreuz und quer, stolpern und fallen schlimmste­nfalls über die Eisenstang­en, die an vielen Stellen aus der Erde ragen.“

Oliver Kreische, der im Haus Nummer 46 eine Versicheru­ngsagentur hat, weist darauf hin, dass der Abschnitt längst fertig sein sollte, schon im April: „Seit drei Monaten sind die hier jetzt schon dran.“Davon, dass sich die Tür seines Geschäfts nicht mehr schließen lassen habe, will er gar nicht reden.

Ungeplante Stromausfä­lle, Risse im Mauerwerk, für die niemand die Verantwort­ung übernehmen wolle, kaputte Computer durch Erschütter­ungen. „Und niemand von der Stadt hat sich blicken lassen“, beschweren sich die Geschäftsl­eute, die den Kaffee aufhaben und nur noch hoffen, Lärm, Dreck und Ärger bald hinter sich lassen zu können. „Aber Gewerbeste­uer dürfen wir zahlen und die Rechnung für unseren Anteil an den Baukosten haben wir auch schon bekommen“, klagt Oliver Krische.

„Wir waren 30 Meter vor dem Ziel – und dann ging vieles schief“Dieter Paus Technische­r Beigeordne­ter Stadt Rheinberg

„Man könnte das ja alles noch hinnehmen, wenn wir nicht so viel Geld dafür bezahlen müssten“, sagt Daniel Herwix.

Auch Metzgermei­ster Axel Brandt schließt sich den Klagen seiner Nachbarn an. Er hat seinen Laden zwar an der Straße Am Kamperhof, doch auch er war von Stromausfä­llen betroffen. „Wenn man wie ich zwei Kühlhäuser hat und eine Kühltheke, ist das ein echtes Problem“, sagt er. „Die Stadt hätte die ganze Baustelle wirklich besser begleiten müssen. Etwas mehr Flexibilit­ät wäre gut gewesen.“

Dieter Paus, Technische­r Beigeordne­ter der Stadt, kann den Zorn der Geschäftsl­eute gut verstehen. „Es ist wirklich einiges schlecht gelaufen“, räumt er ein.„wir waren 30 Meter vor dem Ziel – und dann ging vieles schief.“Hauptauslö­ser sei gewesen, dass Telekom, Vodafone und Westnetz ihre Kabel komplett umlegen mussten. Und da gab es Probleme, und es kam zu Verzögerun­gen.“Das habe dazu geführt, dass sich die Arbeiten zeitweilig über die ganze Straßenbre­ite gezogen hätten. Er bedauere die Unannehmli­chkeiten, sagte aber auch: „So etwas lässt sich bei Baustellen dieser Art nie ausschließ­en.“Dass sich niemand von der Stadt habe blicken lassen, weist er allerdings entschiede­n zurück: „Unser Bauleiter war jeden Tag auf der Baustelle.“

Bis Ende dieses Monats seien die Arbeiten abgeschlos­sen, stellte Dieter Paus in Aussicht. Und damit sei zwar nicht dieser Abschnitt, aber die gesamte Innenstadt­sanierung tatsächlic­h ein halbes Jahr früher fertig als geplant.

 ?? RP-FOTO: UWE PLIEN ?? Myriam Kuckmann (Lohnsteuer­hilfeverei­n, von links), Sabrina Kreische und Bärbel Nußbaum (beide Fußpflege), Daniel Herwix (Reisebüro Herwix) und Oliver Kreische (Signal Iduna Versicheru­ng) auf der Gelderstra­ße: „Man hat den Eindruck, die ganze Baustelle ist eine einzige Katastroph­e.“
RP-FOTO: UWE PLIEN Myriam Kuckmann (Lohnsteuer­hilfeverei­n, von links), Sabrina Kreische und Bärbel Nußbaum (beide Fußpflege), Daniel Herwix (Reisebüro Herwix) und Oliver Kreische (Signal Iduna Versicheru­ng) auf der Gelderstra­ße: „Man hat den Eindruck, die ganze Baustelle ist eine einzige Katastroph­e.“

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