Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Von Beuys lernen, was Freiheit bedeutet
Das Künstlerehepaar Barbara und Alfred Grimm aus Hünxe erinnert sich an seinen ehemaligen Prof. Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf. Der Mann mit dem Hut wäre am 12. Mai 100 Jahre alt geworden.
HÜNXE (bes) Fettecken und politische Debattenorte, Bäume für die Documenta und ein Hut, der zur Marke wurde: Vor 100 Jahren, am 12. Mai 1921, wurde Joseph Beuys in Krefeld geboren. Furore machte er auf der Rheinseite gegenüber als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Hier scharte er seine Anhänger um sich – längst nicht nur eingeschriebene Studierende, die die harten Aufnahmekriterien erfüllten, hier diskutierte er. Und hier hatte er seinen „Auftritt als Lehrer“, wie es Johannes Stüttgen in seinem Buch „Der ganze Riemen“im Untertitel umschrieb.
„Ich war jung, und ich hatte keine Scheu vor ihm wie andere“Barbara Grimm Künstlerin und Beuys-schülerin Hünxe
Ein Auftritt, eine Show. „Als Mensch war er schon charismatisch“, erinnert sich Alfred Grimm an jene Jahre in der Kunstakademie, mit wehendem Mantel und seiner ‚Prätorianergarde’ – das war schon was“. Alfred Grimm studierte ein Semester bei Beuys, wechselte dann fürs Examen zu Prof. Gert Weber. Dessen Name taucht heute höchstens noch in den Vitae der Künstler auf, die bei ihm studieren. Aber er unterrichtete. Anders als Beuys.
Barbara Grimm, die ihren späteren Mann Alfred im Studium kennenlernte, machte bei Joseph Beuys ihr erstes Staatsexamen. Auf die Frage, was sie von ihm als Lehrer gelernt hat, kann sie allerdings nur eine indirekte Antwort geben: „Freiheit.“„Aufgabenstellungen, die es zu erfüllen galt, gab es bei Beuys nicht“, erklärt sie. „Es gab Gespräche über Kunst, oder man bewertete die selbstständig geschaffenen Arbeiten selbst. Diese Freiheit musste man ertragen.“Was längst nicht alle Studierenden konnten.
Auch Alfred Grimm fühlte sich durch diese Methoden nicht bestärkt, produktiv zu werden, der Grund, warum er fürs Examen den
Professor wechselte und erst dann zu Beuys zurückkehrte, „um die Atmosphäre aufzusaugen“, wie er sagt. Lernen Sie, Sie lernen nichts.
Auf der anderen Seite konnte Joseph Beuys drastisch werden, wenn es um seine Beurteilung von Studentenarbeiten ging, Dies musste Barbara Grimm erfahren: Beuys, der ihr Bild eigenhändig schwarz übermalte und erklärte, nun solle sie etwas daraus machen – Beuys, der zwei noch frische Ölbilder gegeneinander klatschte und damit beide Werke ruinierte. Pädagogik mit dem Holzhammer, aber ohne jegliche Hilfestellungen. „Aber ich war jung und ich hatte keine Scheu vor ihm wie andere“, so Barbara Grimm.
Denn wenn man etwas bei Beuys lernte, war es ja das, seinen eigenen Weg zu gehen, allein zu arbeiten und Kritik wegzustecken, da diese ja weder erklärt wurde, noch auf der Nichterfüllung eines vorgegeben Lerninhalts beruhte.
Beuys eigener Weg endete 1986. Was bleibt heute von ihm, 100 Jahre nach seiner Geburt und 35 Jahre nach seinem Tod? Spontan nennt Barbara Grimm die „7000 Eichen“für die Documenta und die „Honigpumpe“: „Das sind Themen, die sind heute noch so aktuell wie damals. Ich halte ihn immer noch für einen bedeutenden Künstler“, meint Barbara Grimm. Oft würde sie noch in Büchern über ihn blättern.
Und gerne seien die Grimms auch mit Bekannten von Auswärts nach Schloss Moyland gefahren.
Doch mit der neuen, reduzierten Präsentation der Werke kann Barbara Grimm nichts anfangen, bei Beuys-ausstellungen gilt: Die Masse macht‘s. In der Fülle liege die Schamanen“(2. Mai bis 29. August) ein einstündiges Video mit Musik, Reden und kurzen Schwenks durch die Ausstellung auf Youtube: https://www.moyland.de/ausstellungen/joseph-beuys-und-die-schamanen/
der Schlüssel zum Verständnis von Beuys und seinem Werk. Eine Einschätzung, der sich Alfred Grimm anschließt, in der er noch weiter geht: „Beuys wirkt in der Masse.“Einzelobjekte, zum Beispiel Zeichnungen, blieben auf einem Flohmarkt unbeachtet.