Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Schausteller kommen Städten entgegen
Trotz der Öffnungsperspektive bleibt die Sorge, Kommunen könnten aus Vorsicht Volksfeste im Spätsommer absagen. Die Kirmesbeschicker wollen kulant sein. An diesem Freitag öffnet die Gastronomie in weiteren Kommunen.
DÜSSELDORF Die Landesregierung hat sich bereit erklärt, im Spätsommer oder Herbst erste Feste unter freiem Himmel stattfinden zu lassen. Voraussetzung seien Hygienekonzepte, erklärten Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) und Gesundheitsminister Karl-josef Laumann (CDU). Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes, zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion erleichtert: „Uns geht es nicht um ein Grundrecht aufs Feiern, sondern um das Grundrecht auf freie Berufsausübung.“
Die Kirmestradition in Deutschland sei 1200 Jahre alt, sagte Ritter. An ihr hingen zahlreiche andere Branchen: „Ich kann deshalb nur an die Städte appellieren, nicht voreilig die Planung für Volksfeste über den Haufen zu werfen.“Düsseldorf, Herne-crange und Neuss hätten schon abgesagt. „Dabei wären wir als Schausteller dazu bereit, Auflösungsklauseln zu akzeptieren, die bei hohen Infektionszahlen greifen“, sagte Ritter. „Wir sind in der Lage, kurzfristig umzudisponieren. Das ist unser tägliches Geschäft.“
Rainer Schmeltzer, Beauftragter für das Schaustellerwesen der Spd-fraktion, warf der Landesregierung vor, sie habe die Branche zu lange nicht auf dem Radar gehabt. „Und dann hat sie auch handwerklich schlecht gearbeitet. Sie hat ihre Unkenntnis von der praktischen Arbeit der Branche offenbart.“Wenn etwa November-umsätze maßgeblich für die Hilfen sein sollten, im November aber allenfalls der Aufbau der Weihnachtsmärkte, jedoch kein nennenswerter Umsatz stattfinde, dann offenbare das schon eine gewisse Naivität.
Schmeltzer warb dafür, Volksfeste wieder zu gestatten: „Alles, was draußen machbar ist, soll nach Ansicht von Aerosolforschern auch stattfinden dürfen.“Auch er appellierte an die Städte, nicht vorschnell Volksfeste und Kirmessen abzusagen. „Die Schausteller werden da sehr viel Entgegenkommen zeigen und kulant bei eventuellen Verschärfungen der Lage sein.“
Am heutigen Freitag öffnet in 13 weiteren Kommunen im Land die Außengastronomie. Darunter sind die Städte Bottrop, Düsseldorf, Mönchengladbach und Oberhausen sowie die Kreise Düren, Heinsberg und der Rheinisch-bergische Kreis. Der Branchenverband Dehoga rechnet damit, dass wie am vergangenen Wochenende 30 bis 40 Prozent der Betriebe mit außengastronomischem Angebot ihre Terrassen öffnen. Innengastronomie ist derzeit nur in Münster sowie den Kreisen Coesfeld und Soest erlaubt. Münster hat das bereits angekündigt, in Coesfeld und Soest deutet sich nach der Verfügung des Landes vom Donnerstag Ähnliches an.
Hin- und hergerissen zeigte sich der Dehoga-regionalpräsident Haakon Herbst: „Einerseits freuen wir uns, durch Öffnungen wieder einen ersten Schritt in Richtung Normalität tun zu können und unseren Gästen ein Angebot zu machen.“Andererseits lohne es sich häufig nicht. Außengastronomie reiche rein betriebswirtschaftlich selbst bei gutem Wetter nur selten. „Bei Temperaturen um 13 Grad und sehr hoher Regenwahrscheinlichkeit werden Aufwand und Ertrag noch weiter auseinanderklaffen“, sagte Herbst.
Für den Mönchengladbacher Sven Tusch ist der Freitag beinahe ein Feiertag. Dann kann er am Burgplatz in Düsseldorf wieder Würstchen verkaufen. „Eineinhalb Jahre Geschäft haben wir komplett verloren“, sagte Tusch. Der letzte Umsatz stamme aus der Silvesternacht 2019/20. Tusch baut nun darauf, dass etwa das Stadtschützenfest in Mönchengladbach, die Spätkirmes in Rheydt und weitere regionale Schützenveranstaltungen stattfinden.
Vorsichtig äußerte sich Riesenrad-betreiber Oskar Bruch. Auch er hat noch regionale Volksfeste im Blick, aber: „Die Erwartungen sind gedämpft.“Vielen Schaustellern seien die Möglichkeiten, die sich jetzt bieten könnten, noch zu vage. „Wir müssen improvisieren.“Bruch meint damit etwa temporäre Freizeitparks, wie es sie mit entsprechenden Hygienekonzepten im vergangenen Jahr gab – unter anderem das „Düsselland“in Düsseldorf. Und er hofft darauf, dass 2021 Weihnachtsmärkte stattfinden können. Bis Mitte Juni steht eines seiner Riesenräder noch in Düsseldorf, danach soll es für zwei Monate nach Dresden gehen.
Leitartikel, Nordrhein-westfalen