Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
NRW will im Juni Universitäten öffnen
Die Wissenschaftsministerin plädiert für zügige Lockerungen. Die Rektoren halten zuvor aber eine rasche Impfung der Studierenden für nötig. Aus der Professorenschaft kommt die Warnung, Online-lehre dürfe kein Dauerzustand werden.
DÜSSELDORF Die Landesregierung setzt sich für eine Öffnung der Universitäten noch in diesem Semester ein und drückt aufs Tempo. „Wenn sich die Inzidenzzahlen weiter so positiv entwickeln, sind Anfang Juni weitere Öffnungsschritte an den Hochschulen hin zu mehr Präsenz möglich – nicht nur bei Prüfungen, sondern auch bei Lehrveranstaltungen“, sagte die parteilose Wissenschaftsministerin Isabel PfeifferPoensgen unserer Redaktion. Das Ministerium stehe „im kontinuierlichen engen Austausch mit den Landesrektorenkonferenzen“.
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte vor zwei Wochen im Landtag auf schnellere Öffnungen der Universitäten gedrungen. Nur ein Bruchteil der Lehre findet zurzeit vor Ort statt, etwa Laborkurse. Die konkrete Ausgestaltung möglicher Öffnungsschritte liegt aber bei den Hochschulen selbst.
Deren Vertreter, der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Universitäten in NRW, Lambert T. Koch, dämpfte die Erwartungen: Zwar werde den Hochschulen im Zuge der sich verbessernden Corona-lage mehr Handlungsspielraum eingeräumt. „In den letzten Wochen des laufenden Semesters wird sich dies noch vergleichsweise wenig auswirken“, schränkte er aber gegenüber unserer Redaktion ein. Immerhin werde sich der Prüfungszeitraum im Sommer flexibler organisieren lassen.
Koch nannte mehrere Gründe für das Zögern der Universitäten: Die Impfquote der Studierenden sei niedrig; zudem dürfe man „diejenigen nicht im Regen stehen lassen, die aufgrund finanzieller Engpässe ihre Wohnungen am Studienort aufgegeben haben und auch in diesem Semester vom Wohnort ihrer Eltern aus studieren“. Auch gebe es viele ausländische Studierende aus Risikogebieten.
Eine deutliche Steigerung des Präsenzanteils an den Unis erwartet Koch erst später: „Für das kommende Wintersemester rechnen wir mit einem großen Schritt in Richtung Normalisierung. Der Anteil an Präsenzlehre wird erheblich steigen.“Allerdings bauten die Rektoren dabei auf die Zusage des Ministerpräsidenten, „dass unsere jungen Menschen im Laufe des Sommers verlässlich beziehungsweise planbar ein Impfangebot erhalten“. Ein viertes Online-semester dürfe der ohnehin geplagten Generation künftiger Leistungsträger nicht zugemutet werden. Deren psychische Belastung sei bereits massiv: „Wenn diese bis zum Beginn des Wintersemesters nicht geimpft sind, droht ein bildungspolitisches Desaster.“
Die Studierendenvertretung, das Landes-asten-treffen, forderte eine schnelle Rückkehr zu Präsenzangeboten: „Die letzten Monate haben gezeigt, dass Online-angebote die Interaktion auf dem Campus nicht ersetzen können.“Bestrebungen, auch nach der Pandemie vielfach bei Online-vorlesungen zu bleiben, erteilen die Studierenden eine klare Absage: „Wir werden Bewegungen in diese Richtung, zum Beispiel aus vermeintlichen Kostengründen, entschieden entgegentreten.“Für eine kleine Gruppe könnten diese aber sinnvoll bleiben, etwa für Studierende mit Kind.
Die Rechtsprofessorin Barbara Dauner-lieb, die neugewählte höchste Richterin Nordrhein-westfalens, warnte vor einer dauerhaften, zu weitreichenden Digitalisierung der Lehre: „Es ist eine reale Gefahr, dass Präsenzvorlesungen auch nach der Pandemie durch digitale ersetzt werden. Denn das Grundproblem ist in Deutschland, dass die Lehre in der Wissenschaft nicht so geschätzt wird wie die Forschung.“Für Professoren liege in digitalen Vorlesungen eine Versuchung – eine gute Aufzeichnung könnten sie ohne Aufwand immer wieder hochladen. Dies bedeute aber zugleich ein hohes Risiko: „Für die Studierenden, weil sie auch in Zukunft um die für sie so wichtigen Präsenzveranstaltungen gebracht werden könnten. Und für die Professoren, weil sie sich damit in der Lehre auf Dauer überflüssig machen und an ihrem eigenen Ast sägen.“Die Studierenden müssten spätestens im nächsten Semester an die Unis zurückkehren: „Ich erwarte, dass für das kommende Wintersemester genau geplant wird, wie viel Präsenzveranstaltungen möglich sind. Bisher wird darüber noch nicht genug nachgedacht.“Leitartikel