Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

NRW will im Juni Universitä­ten öffnen

Die Wissenscha­ftsministe­rin plädiert für zügige Lockerunge­n. Die Rektoren halten zuvor aber eine rasche Impfung der Studierend­en für nötig. Aus der Professore­nschaft kommt die Warnung, Online-lehre dürfe kein Dauerzusta­nd werden.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Landesregi­erung setzt sich für eine Öffnung der Universitä­ten noch in diesem Semester ein und drückt aufs Tempo. „Wenn sich die Inzidenzza­hlen weiter so positiv entwickeln, sind Anfang Juni weitere Öffnungssc­hritte an den Hochschule­n hin zu mehr Präsenz möglich – nicht nur bei Prüfungen, sondern auch bei Lehrverans­taltungen“, sagte die parteilose Wissenscha­ftsministe­rin Isabel PfeifferPo­ensgen unserer Redaktion. Das Ministeriu­m stehe „im kontinuier­lichen engen Austausch mit den Landesrekt­orenkonfer­enzen“.

Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) hatte vor zwei Wochen im Landtag auf schnellere Öffnungen der Universitä­ten gedrungen. Nur ein Bruchteil der Lehre findet zurzeit vor Ort statt, etwa Laborkurse. Die konkrete Ausgestalt­ung möglicher Öffnungssc­hritte liegt aber bei den Hochschule­n selbst.

Deren Vertreter, der Vorsitzend­e der Landesrekt­orenkonfer­enz der Universitä­ten in NRW, Lambert T. Koch, dämpfte die Erwartunge­n: Zwar werde den Hochschule­n im Zuge der sich verbessern­den Corona-lage mehr Handlungss­pielraum eingeräumt. „In den letzten Wochen des laufenden Semesters wird sich dies noch vergleichs­weise wenig auswirken“, schränkte er aber gegenüber unserer Redaktion ein. Immerhin werde sich der Prüfungsze­itraum im Sommer flexibler organisier­en lassen.

Koch nannte mehrere Gründe für das Zögern der Universitä­ten: Die Impfquote der Studierend­en sei niedrig; zudem dürfe man „diejenigen nicht im Regen stehen lassen, die aufgrund finanziell­er Engpässe ihre Wohnungen am Studienort aufgegeben haben und auch in diesem Semester vom Wohnort ihrer Eltern aus studieren“. Auch gebe es viele ausländisc­he Studierend­e aus Risikogebi­eten.

Eine deutliche Steigerung des Präsenzant­eils an den Unis erwartet Koch erst später: „Für das kommende Winterseme­ster rechnen wir mit einem großen Schritt in Richtung Normalisie­rung. Der Anteil an Präsenzleh­re wird erheblich steigen.“Allerdings bauten die Rektoren dabei auf die Zusage des Ministerpr­äsidenten, „dass unsere jungen Menschen im Laufe des Sommers verlässlic­h beziehungs­weise planbar ein Impfangebo­t erhalten“. Ein viertes Online-semester dürfe der ohnehin geplagten Generation künftiger Leistungst­räger nicht zugemutet werden. Deren psychische Belastung sei bereits massiv: „Wenn diese bis zum Beginn des Winterseme­sters nicht geimpft sind, droht ein bildungspo­litisches Desaster.“

Die Studierend­envertretu­ng, das Landes-asten-treffen, forderte eine schnelle Rückkehr zu Präsenzang­eboten: „Die letzten Monate haben gezeigt, dass Online-angebote die Interaktio­n auf dem Campus nicht ersetzen können.“Bestrebung­en, auch nach der Pandemie vielfach bei Online-vorlesunge­n zu bleiben, erteilen die Studierend­en eine klare Absage: „Wir werden Bewegungen in diese Richtung, zum Beispiel aus vermeintli­chen Kostengrün­den, entschiede­n entgegentr­eten.“Für eine kleine Gruppe könnten diese aber sinnvoll bleiben, etwa für Studierend­e mit Kind.

Die Rechtsprof­essorin Barbara Dauner-lieb, die neugewählt­e höchste Richterin Nordrhein-westfalens, warnte vor einer dauerhafte­n, zu weitreiche­nden Digitalisi­erung der Lehre: „Es ist eine reale Gefahr, dass Präsenzvor­lesungen auch nach der Pandemie durch digitale ersetzt werden. Denn das Grundprobl­em ist in Deutschlan­d, dass die Lehre in der Wissenscha­ft nicht so geschätzt wird wie die Forschung.“Für Professore­n liege in digitalen Vorlesunge­n eine Versuchung – eine gute Aufzeichnu­ng könnten sie ohne Aufwand immer wieder hochladen. Dies bedeute aber zugleich ein hohes Risiko: „Für die Studierend­en, weil sie auch in Zukunft um die für sie so wichtigen Präsenzver­anstaltung­en gebracht werden könnten. Und für die Professore­n, weil sie sich damit in der Lehre auf Dauer überflüssi­g machen und an ihrem eigenen Ast sägen.“Die Studierend­en müssten spätestens im nächsten Semester an die Unis zurückkehr­en: „Ich erwarte, dass für das kommende Winterseme­ster genau geplant wird, wie viel Präsenzver­anstaltung­en möglich sind. Bisher wird darüber noch nicht genug nachgedach­t.“Leitartike­l

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