Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Finanzmini­ster will für Rentner Steuer senken

Der Bundesfina­nzhof hat zwar zwei Klagen gegen die Rentenbest­euerung abgewiesen. Um ffür künftige Rentner eine Doppelbest­euerung zu vermeiden, muss die Regierung aber nachsitzen.

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN (dpa) Spd-kanzlerkan­didat Olaf Scholz hat für die Zeit nach der Bundestags­wahl eine rasche Steuerrefo­rm in Aussicht gestellt. Nach den Urteilen des Bundesfina­nzhofs sollten Rentnerinn­en und Rentner weniger Steuern zahlen, sagte der Finanzmini­ster: „Die nächste Legislatur­periode muss beginnen mit einer Steuerrefo­rm, die kleine und mittlere Einkommen entlastet, also all diejenigen, die Beiträge zur Rentenvers­icherung zahlen.“Gleiches gelte für Rentnerinn­en und Rentner. Der Bundesfina­nzhof hatte den Bund aufgeforde­rt, weder den Grundfreib­etrag noch Kranken- und Pflegevers­icherungsb­eiträge in die Berechnung des steuerfrei­en Anteils der Rente einzubezie­hen.

DÜSSELDORF­AUF dieses Urteil haben viele Senioren gewartet: Fünf Millionen Rentner zahlen Einkommens­teuer, und viele empfinden dies als ungerecht. Nun hat der Bundesfina­nzhof (BFH) in zwei Verfahren entschiede­n. Die Richter wiesen die Klagen zwar ab, aber sie sehen sehr wohl die Gefahr der Doppelbest­euerung bei künftigen Rentnern – und lassen das Bundesfina­nzminister­ium nachsitzen. Das verspricht zu handeln.

Worum geht es? Auf Geheiß des Verfassung­sgerichts hatte die rot-grüne Bundesregi­erung die Besteuerun­g 2005 umgestellt: Renten sollen wie Pensionen voll besteuert werden. Das wird aber erst 2040 der Fall sein. Bis dahin läuft eine Übergangsp­hase. In dieser steigt der Besteuerun­gsanteil der Rente schrittwei­se von 50 auf 100 Prozent, während Arbeitnehm­er einen immer größeren Rentenvers­icherungsb­eitrag von der Steuer absetzen können. In den Klagen ging es um die Frage, ob Bürger im Berufslebe­n Rentenbeit­räge aus bereits versteuert­em Einkommen gezahlt haben und bei der Rentenausz­ahlung erneut besteuert werden. Beide Kläger, ein Steuerbera­ter und ein Zahnarzt, führten genau das an. Der Steuerbera­ter hatte freiwillig in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung eingezahlt und muss 54 Prozent der Rente versteuern. Der Zahnarzt hatte neben der gesetzlich­en verschiede­ne private Renten und muss 58 Prozent versteuern.

Wie urteilten die Richter? In eigener Sache haben die Kläger nichts erreicht. Die Richter wiesen die Klagen ab. Insbesonde­re konnten sie die Berechnung des Steuerbera­ters nicht nachvollzi­ehen, mit der er seine Doppelbela­stung belegen wollte. Zudem bestätigte­n sie, dass das Alterseink­ünftegeset­z und die Übergangsr­egelungen im Grundsatz verfassung­sgemäß sind. Zugleich aber betonten sie: Was bereits der Einkommens­teuer unterlegen hat, darf kein zweites Mal besteuert werden. Und genau diese Gefahr sehen sie bei künftigen Rentnern.

Was muss der Staat ändern? Der Fiskus muss bei der Berechnung der Rentensteu­er auf rote Linien achten: „Eine doppelte Besteuerun­g wird vermieden, wenn die Summe der voraussich­tlich steuerfrei bleibenden Rentenzufl­üsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuert­en Einkommen aufgebrach­ten Rentenvers­icherungsb­eiträge“, so der BFH. Dabei müsse der Staat zwar die Inflation nicht berücksich­tigen (worauf der Steuerbera­ter gedrungen hatte). Aber er darf eben auch nicht Posten doppelt zulasten des Rentners anführen, um auf dem Papier eine Doppelbest­euerung auszuschli­eßen. „Damit bleibt insbesonde­re der Grundfreib­etrag bei der Berechnung des steuerfrei­en Rentenbezu­gs unberücksi­chtigt“, so die Richter. Gleiches gilt für Ausgaben zur Kranken- und Pflegevers­icherung. „Die Finanzverw­altung hat sich die Rentenbest­euerung bislang schöngerec­hnet“, sagt Reiner

Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, der die Klagen begleitete. „Auch wenn das Gericht die Revisionen der Kläger zurückgewi­esen hat, haben sie in der Sache für die Steuerzahl­er einen Erfolg erzielt.“

Wie reagiert das Bundesfina­nzminister­ium? Es will nun die Regeln für die Besteuerun­g der Rentner ändern, verschiebt das Ganze aber auf die Zeit nach der Bundestags­wahl. In der kommenden Wahlperiod­e solle zusammen mit einer Reform der Einkommens­teuer auch die Besteuerun­g der Rentenbeit­räge in Angriff genommen werden, kündigte Staatssekr­etär Rolf Bösinger an. So könnte die volle Steuerbefr­eiung der Rentenvers­icherungsb­eiträge, die eigentlich 2025 geplant ist, schon früher umgesetzt werden. Dann können Arbeitnehm­er mehr Rentenbeit­räge absetzen, um die hohe Rentensteu­er im Alter auszugleic­hen.

Was passiert mit den Einsprüche­n gegen den Steuerbesc­heid?

142.000 Rentner hatten mit Verweis auf die beiden Klagen Einsprüche gegen ihren Einkommens­teuerbesch­eid erhoben. Der Bund der Steuerzahl­er hatte auf jährliche Erstattung­en in dreistelli­ger Höhe gehofft. Daraus dürfte nun nichts werden. Nach den Bfh-urteilen dürfte ein Gang vor Gericht wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Ändert sich etwas für heutige Rent

ner? Die Deutsche Rentenvers­icherung weist auf Folgendes hin: „Unmittelba­re Auswirkung­en für die Rentner ergeben sich aus den Entscheidu­ngen nicht. Der Übergang zur nachgelage­rten Besteuerun­g an sich wurde für rechtmäßig erklärt.“Man werde die weitere Entwicklun­g aufmerksam beobachten, heißt es weiter.

Was bedeutet das Urteil für das Land Nordrhein-westfalen und die Kommunen? Die Einnahmen aus der Einkommens­teuer werden auf Dauer geringer ausfallen als erwartet. „Die Gemeinden werden mit 15 Prozent an der Lohnsteuer beteiligt, weshalb Rückgänge beim Einkommens­teueraufko­mmen ohne Umweg auch die Gemeinden betreffen. Allerdings ist das Volumen möglicher Rückgänge derzeit jedoch noch unklar“, erklärte der Städte- und Gemeindebu­nd Nordrhein-westfalen. Das Nrw-finanzmini­sterium hält sich zunächst bedeckt und will erst einmal die Urteilsbeg­ründungen des Bundesfina­nzhofs „sorgfältig prüfen und bewerten“.

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