Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Energiepreise befeuern Inflation
Mit 2,5 Prozent sind die Verbraucherpreise so stark gestiegen wie zuletzt 2011.
BERLIN (rtr) Teure Energie hat die Verbraucherpreise in Deutschland im Mai so stark steigen lassen wie seit rund neuneinhalb Jahren nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 2,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag in seiner ersten Schätzung mitteilte. Das ist der höchste Wert seit September 2011. Im April hatte die Inflationsrate noch 2,0 Prozent betragen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur einen Anstieg auf 2,3 Prozent erwartet.
Experten gehen davon aus, dass die Teuerungsrate in den kommenden Monaten weiter nach oben klettern wird. „Die Inflationsdynamik wird derzeit unterschätzt: Die deutsche Teuerung zündet jetzt den Turbo“, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. „Da im vergangenen Jahr der Lockdown das Preisgefüge mächtig durcheinandergewirbelt hat und viele Produkte günstiger wurden, fällt jetzt im Jahresvergleich die Inflationsrate entsprechend hoch aus.“Diese könnte in der zweiten Jahreshälfte „an die vier Prozent“heranreichen, erwartet der Chefvolkswirt der Berenberg-bank, Holger Schmieding. Nicht zuletzt deshalb, weil die Preise in der zweiten Jahreshälfte 2020 von der zeitweise gesenkten Mehrwertsteuer gedrückt wurden und sich dieser Effekt dann umkehrt.
Preistreiber Nummer eins blieb im Mai die Energie: Sie verteuerte sich um 10,0 Prozent. Nahrungsmittel kosteten 1,5 Prozent mehr als vor Jahresfrist, Dienstleistungen 2,2 Prozent mehr. Wohnungsmieten stiegen um 1,3 Prozent. Kraftstoffe wie Benzin kosteten etwa in Nordrhein-westfalen 28,4 Prozent mehr als im Mai 2020. „Die großen Treiber der Inflation sind die Ölpreise“, sagte Schmieding. „Das liegt vor allem daran, dass vor einem Jahr die Ölpreise kurzfristig stärker in den Keller gerutscht waren als je zuvor.“Damals steckte die Weltwirtschaft wegen der Corona-pandemie in einer Rezession. Hinzu kommt, dass klimaschädliche fossile Brennstoffe seit Jahresbeginn mit 25 Euro pro Tonne CO2 belegt werden, was sie ebenfalls teurer macht.
„So sehr das Thema Inflation die Deutschen derzeit beschäftigt, es wird sich nur um ein vorübergehendes Phänomen handeln“, ist sich Ökonom Gitzel sicher. „Im kommenden Jahr ist der Spuk vorbei.“Deutschland, aber auch die Eurozone insgesamt dürften längerfristig eher mit zu niedrigen als mit zu hohen Teuerungsraten zu kämpfen haben. Das wisse auch die Europäische Zentralbank. „Deshalb ruft der Inflationsanstieg derzeit auch keine Sorgenfalten hervor.“